IHK-Konjunktur

IHK: Indikatoren leicht aufwärts, aber Unsicherheiten lähmen weiterhin

Die Geschäftsentwicklung war im 4. Quartal 2024 in fast allen Bereichen ungünstig, insbesondere die Erwartungen der Unternehmen im IHK-Bezirk Hannover verharren auch nach dem Ampel-Aus auf niedrigem Niveau. Der Indikator steigt zwar etwas auf 81 Punkte (Vorquartal: 76 Pkt.), die Gesamtlage aber bleibt schwierig. Zu den bestehenden Strukturproblemen (Wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen, Bürokratie, Arbeitskräftemangel, Steuerbelastung etc.) kommen zunehmend konjunkturelle Probleme. Die Lage und Erwartungen der Unternehmen bleiben insgesamt auf Krisenniveau. In der Konsequenz treiben die Strukturprobleme die Unternehmen ins Ausland. Die Investitionsbedingungen sind in Deutschland verglichen mit dem Ausland einfach schlechter.
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Der Klimaindikator, der als geometrisches Mittel von Geschäftslage und Erwartungen berechnet wird, ist im 4. Quartal 2024 um fünf Punkte auf 81 Punkte (Vorquartal: 76 Pkt.) gestiegen. Dabei beruhte die Veränderung allein auf einer nicht mehr so schlechten Bewertung der Geschäftslage wie im Herbst, die Erwartungen sind per Saldo nicht verändert und bleiben ungünstig. Der langjährige Durchschnitt seit dem Jahr 2000 von 105 Punkten zeigt, dass die aktuelle Situation aus Sicht der Unternehmen von einer zufriedenstellenden Geschäftsentwicklung weit entfernt ist.
Die Geschäftslage hat sich im letzten Quartal in einigen Wirtschaftsgruppen verbessert. Ausnahmen sind der Einzelhandel, dessen Geschäfte schwächer beurteilt wurden als im Herbst und das Baugewerbe. In der Industrie haben alle Bereiche ihre Geschäftslage nicht mehr so schlecht beurteilt wie im letzten Quartal. Der Großhandel meldet parallel zur Industrie eine Besserung der Geschäftslage auf niedrigem Niveau. Der Einzelhandel hat von den steigenden Realeinkommen noch nicht profitieren können und revidiert die bereits zuvor gegebenen ungünstigen Lagebeurteilungen weiter nach unten. Das Verkehrsgewerbe meldet bessere Geschäfte, kämpft aber gleichzeitig mit hohen Kostensteigerungen. Die anderen Dienstleister zeigen sich nach dem Stimmungstief im Herbst leicht erholt. Der Anstieg des IHK-Klimaindikators ist aber eher als ein kleines Zwischenhoch nach dem Ampel-Aus zu interpretieren: Mit Ausnahme des Baugewerbes gehen alle Branchen von einer schwächeren Entwicklung in den kommenden Monaten aus.
Die konjunkturelle Lage hat sich im 4. Quartal uneinheitlich entwickelt. Die Impulse vom privaten Konsum sind ausgeblieben, der Einzelhandel zeigt sich unerwartet schwach. Die strukturellen Probleme, vor allem aus Sicht der Industrie, bleiben bestehen. Die Dienstleister stagnieren. Die letzten Quartale haben eindrucksvoll gezeigt, dass der insgesamt robuste Dienstleistungssektor wesentlich zur Stabilisierung der deutschen Volkswirtschaft beigetragen hat.
Die Investitionsschwäche hält an. Aufgrund des Stillstands in der Bundespolitik nach dem Ampel-Aus haben sich die ungünstigen Perspektiven der Unternehmen und damit die Investitionsplanungen nicht verändert. Das spiegelt sich in den Investitionsmotiven: Ersatzbedarf (71 % der Unternehmen) und Rationalisierung (34 %) sind die wichtigsten Motive der Unternehmen. Die wichtigen Produktinnovationen (33 %) und Investitionen in Umweltschutz (23 %) sind weniger wichtig geworden. Kapazitätsausweitung (19 %) spielt nur bei jedem fünften Unternehmen eine Rolle. Mit der Konjunkturschwäche stehen zunehmend die Personalplanungen unter Druck. Das wird auch beim Risikofaktor „Fachkräftemangel“ deutlich. Dieser ging von 65 % im Vorjahr auf 52 % deutlich zurück.
Die Auftragseingänge der Industrie stagnieren auf niedrigem Niveau. Die Auftragsbestände bleiben in der Summe bei vielen Unternehmen aber zu gering. Gut jedes zweite Unternehmen (53 %; Vorjahr: 45 %) hält seinen Auftragsbestand für zu klein.
Die Exporterwartungen der Industrie haben sich leicht abgeschwächt und bleiben ein Symptom der Krise. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit bleibt angespannt.
Die Hoffnungen auf einen stärker werdenden privaten Konsum 2024 haben sich nicht erfüllt. Das Weihnachtsgeschäft hat enttäuscht, die Erwartungen haben sich sogar nochmals abgeschwächt.
Die Grafik zur Konsumneigung gibt die Ausgabefreude der Kundschaft aus Sicht der Einzelhändler wider. Der langjährige Durchschnitt zeigt, dass sich die Umfrageergebnisse trotz steigender Realeinkommen nicht durchgreifend erholt.
Die unternehmensnahen Dienstleistungsunternehmen (Beratung, Werbung, Architektur- und Ingenieurbüros, Zeitarbeit, Facility-Management etc.) haben das Umfragetief vom Herbst hinter sich gelassen. Umsätze und Erwartungen werden wieder positiv beurteilt. Die Erwartungen sind gestiegen, bleiben aber noch im negativen Bereich.
Im Bezirk der IHK Hannover wird wie in ganz Niedersachsen unverändert das Problem der wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen (69 %; Vorjahr: 66 %) als Unternehmensrisiko Nummer eins wahrgenommen. Hierunter verstehen die Unternehmen in erster Linie die unstete Wirtschaftspolitik und die zunehmende Bürokratie. Nur wenig dahinter steht in der Risikowahrnehmung die Inlandsnachfrage (63 %; Vj. 58 %) auf Platz zwei. Risiko Nummer drei ist Fachkräfte- und Arbeitskräftemangel (52 %; Vj. 65 %). Hier macht sich die konjunkturell bedingte rückläufige Nachfrage nach Arbeitskräften bemerkbar. Minimal dahinter rangieren die Arbeitskosten (51 %; Vj. 48 %), wobei die Arbeitskosten im Einzelhandel, Verkehrsgewerbe und Baugewerbe deutlich kritischer gesehen werden. Rang fünf haben mit abnehmender Tendenz die Risiken der Energie- und Rohstoffpreise (45 %; Vorj.: 54 %). Weiter zugenommen hat dagegen das Risiko der Auslandsnachfrage der Industrie (42 %; Vj. 35 %). Eher unauffällig bleiben Risiken aus der Finanzierung (12 %) oder aus den Wechselkursen (3 %).
Das Thema Nummer eins mit fast kontinuierlich steigendem Gewicht sind die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen für die Unternehmen. Der Mangel an Fachkräften/Arbeitskräften lässt mit schwächerer Konjunktur dagegen sichtbar nach.
Es wurden drei Zusatzfragen zu Auslandsinvestitionen 2025 gestellt:
Gut jedes zweite Industrieunternehmen (54 %) gibt in der IHK-Umfrage an, Auslandsinvestitionen zu haben. Während die Investitionen im Inland zurückgefahren werden (Saldo: -13), wollen die Unternehmen per Saldo ihre Investitionen im Ausland erhöhen (Saldo: +7). Besonders ausgeprägt sind die Auslandspläne bei Investitionsgüterherstellern wie Kfz und Maschinenbau. Das gilt aber auch für energieintensive Industrieunternehmen (Chemie, Papier/Pappe, Glas/Keramik/Baustoffe), die vorzugsweise in Nordamerika investieren wollen, wo Energie vergleichsweise günstig ist und die Wirtschaftspolitik gezielt Investitionen fördert (Inflation Reduction Act).
In den letzten Jahren haben sich die Auslandsziele der Unternehmen verändert. Wichtigster Markt bleibt der Euroraum, der kein Wechselkursrisiko kennt und einen stabilen Rechtsrahmen bietet. Allerdings wollen nur noch 57 Prozent dort investieren verglichen mit 70 Prozent im Jahr 2019, also vor der Corona- und Energiekrise. Zweite Präferenz für Investitionen ist Nordamerika (44 %), wobei Unternehmen derzeit mit großem Interesse verfolgen, welche konkreten Änderungen in der US-amerikanischen Wirtschaftspolitik erfolgen. China hat in der Rangfolge der Unternehmen dagegen deutlich verloren. Nur noch jedes siebte Unternehmen (14 %) nennt China als Investitionsziel verglichen mit gut doppelt so hohen Werten vor 2020. Die Präferenz der Unternehmen hat sich in den jährlich erhobenen Daten der IHK in Richtung der aufstrebenden Märkte in Asien (34 %; ohne China), Afrika/Nahost (21 %) und Süd-/Mittelamerika (19 %) verschoben. Diese Märkte haben im Zeitverlauf deutlich gewonnen.
In den aufstrebenden Märkten bilden die Markterschließung und der Vertrieb/Kundendienst die zentralen Investitionsmotive. In früheren Jahren war eine Kostenersparnis das entscheidende Motiv, um zum Beispiel in Polen oder China zu investieren. Diese Optionen haben viele Unternehmen in den vergangenen Jahren bereits genutzt und sind heute im Rahmen der Diversifizierung auf der Suche nach neuen Märkten in Asien, Lateinamerika und Afrika.
656 Unternehmen wurden zum IV. Quartal 2024 zwischen 12. Dezember 2024 und 9. Januar 2025 befragt. 436 gewichtete Unternehmensantworten liegen vor. Der Rücklauf der Befragung lag bei 66 %.


Stand: 31.01.2025