Geschäftsführerhaftung trotz Entlastung möglich
Die Entlastung lässt die Haftung des Geschäftsführers nur unter bestimmten Voraussetzungen entfallen. Dies gilt gerade nicht, wenn der Geschäftsführer Ausgaben in der Rechnungslegung verschleiert. Das entschied das Oberlandesgericht Brandenburg mit Urteil vom 29. Juni 2022, 7 U 60/21.
Der Fall: Eine im Elektroanlagenbau tätige GmbH machte gegen ihren ehemaligen Geschäftsführer Schadensersatzansprüche geltend, da dieser einen Wohnwagen zur privaten Nutzung über die Gesellschaft angeschafft und ausgebaut hatte - ohne vorherige Abstimmung mit den weiteren Gesellschaftern. Damit habe der Beklagte gegen seine Pflichten als Geschäftsführer verstoßen und hafte gegenüber der Gesellschaft insoweit. Nach Ansicht des beklagten Geschäftsführers sei eine Haftung ausgeschlossen, da ihm Entlastung seitens der Gesellschaft bereits Entlastung erteilt worden sei.
Das Oberlandesgericht Brandenburg (OLG) entschied, dass der beklagte Geschäftsführer für den eingetretenen Schaden hafte. Denn anders als die Vorinstanz sah das OLG die Voraussetzungen für eine Entlastung nicht als gegeben an. Die Anschaffung eines Wohnwagens zur privaten Nutzung verstoße gegen seine Pflichten als Geschäftsführer. Denn als solcher habe er seine unternehmerischen Entscheidungen zum Wohl des Unternehmens, somit zur Erhaltung und Steigerung des Unternehmenswerts, auszurichten. Zwar führe die Entlastung des Geschäftsführers grundsätzlich dazu, dass die Gesellschaft einen Schadensersatzanspruch gegenüber ihrem Geschäftsführer nicht mehr geltend machen kann (sog. Präklusionswirkung). Von dieser Präklusionswirkung würden jedoch nur solche Fälle erfasst, in denen ein möglicher Haftungsanspruch aus den von der Geschäftsführung vorgelegten Informationen (insbesondere Rechnungslegungen und Berichterstattungen) für die Gesellschafter erkennbar gewesen wäre. Dies sei vorliegend nicht der Fall gewesen. Von den Gesellschaftern werde zwar erwartet, dass sie die erhaltenen Unterlagen sorgfältig prüfen und gegebenenfalls auch Nachfragen stellen. Diese Pflicht zur Nachfrage beschränke sich jedoch auf solche Fälle, in denen es einen Anlass zur Nachfrage gibt. Verschleiere der Geschäftsführer hingegen Tatsachen, habe die Entlastung des Geschäftsführers insoweit keine Wirkung. So war es im vorliegenden Fall. Der beklagte Geschäftsführer hatte den Wohnwagen unter der Sammelposition „sonstige Transportmittel“ verbucht und ihn als „Bauwagen“ bezeichnet. Diese Positionen mussten die Gesellschafter jedoch nicht zu einer Nachfrage veranlassen, denn sie sind bei einem Elektroanlagenbauunternehmen üblich.
IHK-Hinweis: Mit der Entlastung sprechen die Gesellschafter dem Geschäftsführer einerseits Vertrauen für seine bisherige Geschäftsführung aus, andererseits schließen sie auch Schadensersatzansprüche und Abberufungsgründe aus. Inhaltlich bezieht sich die Entlastung auf alle Geschäftsvorgänge, die für die Gesellschafter bei sorgfältiger Prüfung aufgrund der ihnen vorgelegten Unterlagen erkennbar waren. Keine Entlastungswirkung tritt ein, wenn der Geschäftsführer Informationen verschleiert.
Stand: 06.03.2023