Umwelt
CSRD: EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung
Angestoßen durch den European Green Deal der EU und die Umsetzung über die Bundesgesetzgebung sehen sich viele Unternehmen neuen Regularien wie der CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive, Publications Office (europa.eu)), der EU-Taxonomie (eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=PI_COM:C(2021)2800&from=EN) und als Datenstandards den ESRS (Implementation guidance documents - EFRAG) gegenüber. Denn ab 2025 müssen betroffene Unternehmen erstmals über das Geschäftsjahr 2024 entsprechend der CSRD berichten. Aber: Durch den sogenannten „Trickle-Down-Effekt“ werden fast ausnahmslos alle Unternehmen in der Wertschöpfungskette berichtspflichtiger Unternehmen mittelbar mit den Regelungen in Berührung kommen.
Nicht allein die durch die Regelungen direkt betroffenen Unternehmen werden zukünftig in den Bereichen Ökologie, Soziales und Unternehmensführung Daten zur eigenen Nachhaltigkeitsleistung vorhalten müssen und Strategien entwickeln, wie mit Risiken zukünftig umzugehen sein wird. Die Regelungen erstrecken sich über Liefer- und auch Wertschöpfungsketten, sodass auch kleine und mittelgroße Unternehmen (KMU) über Kunden oder Lieferanten mittelbar betroffen sein werden. Sie werden zukünftig verstärkt Daten in der jeweils richtigen Qualität gemeinsam mit Dienstleistungen oder Waren bereitstellen und auch empfangen.
Die Nachhaltigkeitsberichterstattung selbst wird zukünftig als zweite Säule neben dem Finanzbericht für betroffene Unternehmen stehen – ob die bisher mit der Prüfung beauftragten Dienstleister beide Teile prüfen können, muss individuell abgeklärt werden. Eine Besonderheit der Nachhaltigkeitsberichterstattung nach der CSRD ist bspw. die Einbindung des Kapitalmarkts. Nachhaltige Investments soll so der Vorzug gegenüber klimabelastenden gegeben werden.
Betroffene Unternehmen
Bisher nach der CSR-RUG berichtspflichtige Unternehmen müssen ab Geschäftsjahren nach dem 31. Dezember 2023 nach der CSRD berichten. Das betrifft kapitalmarktorientierte Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern. Der Kreis der berichtspflichtigen Unternehmen erweitert sich in den kommenden Jahren.
- Für das Geschäftsjahr 2025 werden haftungsbeschränkte Unternehmen, Versicherungsunternehmen und Kreditinstitute mit mindestens je zwei der drei folgenden Merkmale bei zwei aufeinanderfolgenden Abschlussstichtagen berichtspflichtig:
- einer Bilanzsumme von mindestens 25 Mio. €,
- Nettoumsatzerlösen von mindestens 50 Mio. €
- und/oder im Jahresdurchschnitt des Geschäftsjahres mindestens 250 Mitarbeitenden.
- Für das Berichtsjahr 2026 werden zusätzlich kapitalmarktorientierte KMU, kleine und nicht komplexe Kreditinstitute sowie firmeneigene (Rück)-Versicherungsunternehmen berichtspflichtig. Ausgenommen davon sind börsennotierte Kleinstunternehmen, die je zwei der drei folgenden Merkmale erfüllen:
- einer Bilanzsumme von höchstens 450.000 €,
- Nettoumsatzerlösen von höchstens 900.000€
- und/oder einer durchschnittlichen Mitarbeitendenzahl von höchstens 10 während des Geschäftsjahres.
- Der Betroffenenkreis erweitert sich dann nochmals für das Berichtsjahr 2028 um Nicht-EU-Unternehmen mit EU-Niederlassungen oder EU-Tochterunternehmen, deren Nettoumsatz über 150 Mio. € in der EU liegen.
Datenstandards
Gab es vorher keinen einheitlichen Berichtsstandard für die nicht-finanzielle Berichterstattung, so wird im Rahmen der CSRD mit den ESRS ein umfangreicher und vollständig standardisierter Kanon von Einzelstandards aufgesetzt. Darüber hinaus sind die Fülle und Komplexität der Datenpunkte nach den ESRS nicht zu unterschätzen: in 12 Kapiteln werden mit etwa 1.000 Datenpunkten rund 80 Themen qualitativ sowie quantitativ adressiert. Für die weiteren, angekündigten branchenspezifischen Datenpunkte gilt allerdings abwarten, bis sie beschlossen wurden.
Für nicht-berichtspflichtige Unternehmen werden keine Datenstandards vorgegeben, mit dem „Voluntary SME-Standard“ (VSME, Exposure drafts for LSME and VSME - EFRAG) wird aber eine deutlich reduzierte und freiwillige Form der ESRS angeboten werden. Aber auch hier ist der Abstimmungsprozess noch nicht beendet. Dieser steht – wenigstens in Teilen – in Konkurrenz zu anderen, etablierten Standards. Ob sich der VSME am Markt durchsetzen wird und ob auch internationale Unternehmen mit Sitz außerhalb der EU diesen Standard akzeptieren werden, ist offen.
Einige der Kapitel sind obligatorisch für den anzufertigenden Bericht, während zu anderen nur berichtet werden muss, wenn der Begriff der Wesentlichkeit erfüllt ist. Dies stellt einen Filter dar, der die Themen eingrenzt.
Vorbereitungen zum Reporting
Kern des Projektes, einen Nachhaltigkeitsbericht prüffähig vorlegen zu können, ist eine strukturierte Herangehensweise. Voraussetzung für einen Bericht sind die richtigen Daten und Informationen zu haben, was wiederum voraussetzt, dass Nachhaltigkeit im gesamten Unternehmen mit notwendiger Seriosität behandelt wird. Die Geschäftsleitung steuert den Prozess und benennt eine mit dem Bericht beauftragte Person. Idealerweise sind Führungskräfte nachhaltigkeitsrelevanter Betriebsteile wie Einkauf, Vertrieb, Human Resources, Produktion und Facility Management bereits zu Anfang stark eingebunden.
Als nächsten Schritt werden die Wertschöpfungsketten, in denen das Unternehmen operiert, betrachtet. Dabei ist zu identifizieren, an welcher Stelle darin sich das Unternehmen befindet und wie weit es in vor- und nachgelagerte Wertschöpfung mit Maßnahmen hineinwirken kann. Die eigene Tätigkeit und Tätigkeiten in der Wertschöpfungskette, in die mit eigenem Verhalten hineingewirkt werden kann, helfen bei der Prüfung, ob in den ESRS angesprochenen Themen überhaupt für das Unternehmen zutreffend sind.
Den Anfang der Identifikation, welche Bereiche wesentliche Einflüsse auf das Unternehmen und seine Umwelt haben, stellt die Sammlung relevanter und bestenfalls bereits für das Unternehmen vorliegender Daten und Informationen dar. Hier spielt die Sensibilisierung der Mitarbeitenden im Vorfeld eine große Rolle, um sie an dieser Stelle einzubinden. Für große Unternehmen ist anzunehmen, dass bereits ein umfassenderes Datenmanagement zum Einsatz kommt, das entsprechend des nach der Analyse Doppelter Wesentlichkeit ermittelten Datenbedarfs weiterentwickelt werden muss.
Stakeholer-Analyse
Die CSRD erfordert die Betrachtung und Einbindung von Anspruchsgruppen in die Bewertung der Wesentlichkeit von Themen. Hierbei handelt es sich um Personengruppen, die innerhalb und außerhalb des Unternehmens, im direkten Umfeld oder mittelbar zu den Wertschöpfungsketten stehen. Typischerweise sind dies Eigentümer, Fremdkapitalgeber, Kunden, Mitarbeitende, Lieferanten, Gesellschaft, Staat und NGOs aber auch durch die Wertschöpfung betroffene Anspruchsgruppen. Leitfrage bei der Identifikation ist dabei neben wer was vom Unternehmen möchte, auch, ob es relevant ist und wie zu reagieren ist. Auch ist es sinnvoll, den Einfluss der Anspruchsgruppen auf das Unternehmen zu betrachten. Nach der Identifikation und der Analyse können verschiedene Formate der Einbindung stattfinden. So können Workshops aber auch Interviews durchgeführt werden. Bei schwer in den Prozess einbindbaren Anspruchsgruppen können auch Vertretungen konsultiert werden. Wichtig ist, für Dritte nachvollziehbar Einflüsse des eigenen Handelns entlang der Wertschöpfungsketten, im Umfeld des Unternehmens und auf das Unternehmen aufzunehmen und in die Bewertung einfließen zu lassen. Entsprechend sollten alle Schritte gut dokumentiert sein.
Doppelte Wesentlichkeit
Mit der Doppelten Wesentlichkeitsanalyse werden zunächst die Bereiche identifiziert, die wesentliche, finanzielle Auswirkungen auf die Geschäftstätigkeit (outside-in-Perspektive) oder deren positive und negative Auswirkungen auf Mensch und Umwelt oder auch im Speziellen auf die Interessenträger (inside-out-Perspektive) haben. Dabei müssen nicht beide Sichtweisen gleichzeitig erfüllt sein; vielmehr geht es darum, diejenigen Bereiche zu identifizieren, deren Wirkung auf das Unternehmen die eigenen Geschäftsmodelle beeinflussen oder bedrohen können, bzw. welche Tätigkeiten des Unternehmens selbst oder innerhalb seiner Wertschöpfungskette Wirkungen auf Umwelt und Gesellschaft haben.
Für die inside-out-Perspektive sind dabei Ausmaß, Umfang, Unabänderlichkeit und Eintrittswahrscheinlichkeit maßgeblich. Bei der outside-in-Perspektive sind Ausmaß und Eintrittswahrscheinlichkeit die Bewertungskriterien. Die Bewertung soll unter Mitwirkung der Anspruchsgruppen stattfinden. Es bietet sich dabei an, eine ordinale Skala mit gerade-zahligen Ausprägungen anzuwenden wie „nicht“ – „gering“ – „reichlich“ – „gravierend“. Einerseits wird damit der auf Grundlage der vorliegenden, analysierten Informationen das entsprechende Thema aus den ESRS angesprochen, auf der anderen Seite läuft man nicht Gefahr, sämtliche Einflüsse als „mittel“ zu bewerten, was in der Identifikation wesentlicher Themen keine weitere Information böte. Das berichtende Unternehmen legt anschließend selbst die Schwellenwerte fest, ab wann die Grenze zur Wesentlichkeit für Themen erreicht ist. Auch hier sollten die Schritte und Entscheidungen dokumentiert werden, um anschließende Nachfragen bspw. Prüfender oder auch bei einer neuerlichen Bewertung nachvollziehen zu können. Anhand der so identifizierten Themen wird nach den in den ESRS niedergelegten Standards berichtet. Immer als „wesentlich“ einzustufen ist der Klimawandel. In diesem Zusammenhang sind die Treibhausgasemissionen der Betrachtungen Scope 1 bis 3 zu berichten.
Ein berichtspflichtiges Unternehmen wird nach der Identifikation wesentlicher Themen und auch bei der Gesamtschau der vorliegenden Daten zu einigen Datenpunkten keinerlei Angaben machen können. Hierbei ist wichtig, sich ernsthaft um die Daten zu bemühen, das Bemühen zu dokumentieren und entsprechende Strategien zur Erlangung der Daten aufzustellen.
Nachhaltigkeitsprogramm
Die Durchführung der Doppelten Wesentlichkeit und das Berichten nach den ESRS bildet jedoch noch nicht den Abschluss des Prozesses. Es sind negative wie auch positive Aspekte des eigenen Handelns in einem betrachteten Umfeld erkannt, dokumentiert, bewertet und für Dritte vergleichbar und standardisiert niedergelegt. Da es sich bei dem bis hierhin durchgeführten strukturierten Prozess auch um einen Prozess des Risikomanagements handelt, sind entsprechend Ziele und Maßnahmen zur Zielerreichung zu entwickeln. Auch hier ist das berichtende Unternehmen frei, mit welchem Ambitionsniveau Ziele formuliert werden. Rein passives Verhalten scheidet dagegen bereits wegen der festgestellten Wesentlichkeit für das jeweilige Thema aus. Die Ziele selbst sind SMART (spezifisch – messbar – angemessen – realistisch – terminiert) zu formulieren, also in einem definierten Zusammenhang zwischen Erfassungsbereich, Ausgangspunkt, Zielwert und -Zeitpunkt zu konkretisieren. Untersetzt werden die Ziele mit Maßnahmen, die zur Zielerreichung beitragen.
EU-Taxonomie
Ein weiterer laufender Prozess des Gesetzgebers sind die über delegierte Rechtsakte der EU-Kommission Taxonomie-fähige und -konforme Wirtschaftsaktivitäten, die bislang längst noch nicht alle Bereiche abdecken. Im Zusammenspiel mit der CSRD stellt die EU-Taxonomie-Verordnung dar, unter welchen Umständen ein Unternehmen nachhaltig handelt. NACE-Codes als Schlüsselverzeichnis der Wirtschaftszweige geben Unternehmen eine Orientierung bei der Frage, welche ihrer Wirtschaftstätigkeiten potenziell als taxonomiefähig eingestuft werden könnten. Dabei sind substanzielle Beiträge der Wirtschaftsaktivitäten zu mindestens einem Umweltziel als „direkter Beitrag“, „ermöglichend“ bzw. als „Übergangstätigkeiten“ klassifiziert und dürfen keinen erheblichen Schaden für andere Umweltziele darstellen, müssen gleichzeitig im Einklang mit Mindestanforderungen bei Arbeitsstandards und Menschenrechten stehen.
Bisher werden ausschließlich Umwelt-Aspekte von der EU-Taxonomie adressiert, soziale Aspekte werden folgen. Nach der CSRD berichtspflichtige Unternehmen müssen im Bereich ihrer Umweltinformationen nach dem Artikel 8 der Taxonomie berichten.
Weiterführende Angebote
Mit dem Ratgeber Leitfaden: In zehn Schritten zur CSRD | IHK München (ihk-muenchen.de) der IHK München für Oberbayern und auf der Seite verlinkten Aufzeichnungen einer Webinarreihe werden die Inhalte des Prozesses noch einmal Schritt für Schritt beleuchtet.
Stand: 16.09.2024