Verwertung von Altautos

"Schlechter, schlimm und nochmals schlimmer"

Die Mängelliste war lang. Und nach 366.000 Kilometern verabschiedete sich der Turbolader mit einem heißeren Röcheln. Es hieß Abschied nehmen vom guten alten Auto. Die letzte Station nach der Scheidung durch den TÜV – der Schrottplatz.
„Früher haben wir nicht so sehr sortiert“: Geschäftsführer Omar Gassem und Werkstattleiter Khalid Charif erleben schwierige Zeiten in der Autoverwertung. © Topitsch
Das Ende kommt schnell: Die Betriebsflüssigkeiten wie Öl, Kühlwasser und Benzin werden abgelassen, die Airbags zur Explosion gebracht. Finale Destination Schrottpresse. „Schrauber, die auf der Jagd nach billigen Ersatzteilen die Schrottplätze durchwühlen, gibt es so gut wie nicht mehr. Das ist alles viel zu aufwändig geworden“, sagt der Schrottplatzbetreiber, der seinen Namen nicht genannt wissen möchte.
Ortswechsel: Autoverwertung Eva Chanaszova im Hanauer Hafen. „Mit Autos allein kannst du kein Geld mehr verdienen“, sagt Geschäftsführer Omar Gassem. Seit 2017 betreibt es das Geschäft. Ein Abschleppdienst und seit kurzem ein Containerdienst sind als Standbeine hinzugekommen. „Früher war es besser. Da gab es mehr Masse. Wir sind nun mal die ersten, die eine Wirtschaftskrise zu spüren bekommen“, sagt der 34 Jahre alte Palästinenser. Früher sei man nicht hinterhergekommen mit der Verwertung. Jetzt habe sich die Zahl der Autos auf 30 im Monat reduziert. „Es wird schlechter, schlimm und nochmals schlimmer.“ Er werde die 12-köpfige Belegschaft auf Dauer nicht mehr halten können. „Wenn es so weiter geht, weiß ich nicht, was ich machen soll“, sagt Gassem.

Katalysator beschert das meiste Geld

Auf rund 150 € beläuft sich der Verdienst pro Auto. Aber das auch nur, weil er die Fahrzeuge weiter zerlege als viele Mitbewerber. Bremsscheiben werden demontiert, weil der Guss mehr bringt. Kabelbäume werden herausgeschnitten, um das Kupfer separat zu verkaufen. Gleiches gilt für das Aluminium des Kühlers. Selbst Schrauben wandern in einen Extra-Container. Zwei Mitarbeiter benötigen rund zwei Stunden, um ein Auto zu zerlegen. „Früher haben wir nicht so sehr sortiert. Jetzt musst du nach jedem Cent schauen“, sagt Gassem. Am lukrativsten sind Batterie und Katalysator. Zwei Gramm und mehr Platin sowie andere Edelmetalle stecken in einer Abgasreinigungsanlage. Früher habe man 200, bei großen Modellen bis 1.000 € pro Kat erhalten. Jetzt sei der Erlös auf 30 bis 200 € gesunken. „Ich habe 150 Katalysatoren eingelagert. Wenn ich sie jetzt verkaufe, mache ich Verlust.“
Rund 1,2 Millionen Autos pro Jahr werden in Deutschland verschrottet. Je nach Verunreinigungsgrad durch Sitze, Glas und Plastik gibt es 100 bis 175 € für eine Tonne Schrott. In der Region Hanau endet der letzte Weg meist bei der Theo Steil GmbH. Auf dem Betriebsgelände am Hafen werden die Karossen gepresst und mit anderem Altmetall auf Schiffe verladen. Mitte September legte die Luma ab. Der 102 Meter lange Frachter brachte das Recyclinggut zum Hauptsitz nach Trier. Dort wurde es geschreddert, von Fremdstoffen befreit und an Stahlhütten verkauft. Die Unternehmensgruppe Steil besteht aus mehreren eigenständigen Unternehmen, wobei der Kernbereich das Recycling von metallischen Abfällen darstellt. Zur Steil-Gruppe gehören 15 Niederlassungen in Deutschland sowie im benachbarten europäischen Ausland.
Die Zeiten, in denen alte Autos massenweise nach Nordafrika und Osteuropa verkauft wurden, sind lange vorbei. „Es gehen kaum noch Autos nach Afrika. Die sind doch schon alle da“, sagt ein Mitarbeiter von Chanaszova und lacht. Gerade hat Omar Gassem eine Mercedes C-Klasse von einem Händler für ein paar kleine Scheine gekauft. Kein Kandidat für Afrika: zu viel Elektronik, dazu ein Diesel. Der Kraftstoff ist in Nordafrika viel teurer als Benzin. Ein Kandidat für die Schrottpresse. Eventuell kann er noch ein paar Teile wie Felgen und Scheinwerfer in seinem Onlineshop verkaufen. Das Geschäft gerade in Richtung Nordafrika sei weitestgehend zusammengebrochen. Alte, noch mechanische Autos, wie der Audi 80 oder der VW Golf 3, sind kaum noch auf dem Markt. Einige Länder haben die Einfuhrbestimmungen rigide verschärft. Marokko lässt keine Gebrauchtwagen, die älter als fünf Jahre sind, mehr ins Land.

Verschrottung statt Verwertung

Zum Großteil haben Händler das verbliebene Geschäft übernommen. Sitze, Scheinwerfer, Kotflügel, Motoren: Die Autoverwertung Chanaszova verdient sich ein Zubrot, indem sie im Auftrag Ersatzteile für den Transport in Containern verlädt. Gerade erst seien wieder zwei Container für Kasachstan beladen worden.
Die Einschätzung bestätigt das Zollamt Hanau: Der Export vo
n Altautos finde fast gar nicht mehr statt. Unter einem Verkaufswert von 10.000 € gehe fast nichts mehr. Auch der Ersatzteilversand sei auf ein Minimum geschrumpft. „Der Markt ist total zusammengebrochen“, heißt es auf Anfrage. Als Grund werden verschärfte Einfuhrbedingungen genannt.
Das Geschäft mit alten Autos hat sich zunehmend von der Verwertung in die Verschrottung verwandelt. Die Hanauer Autoverwertung Guth hat bereits ihren Betrieb eingestellt. Und Omar Gassem ist bange vor der Zukunft, wenn Elektroautos verstärkt auf den Schrottplätzen landen. In Deutschland gibt es nur wenige Fachbetriebe. Zu viele Lehrgänge, zu viele Zertifikate. „Soll ich mir das mit 43 noch antun? Dann kaufe ich lieber noch 15 Container und entlasse die Mitarbeiter.“
Bleibt der Umweltaspekt: Die Altfahrzeugverordnung schreibt in Deutschland zwar schon seit Jahren vor, dass die Hersteller 95 Prozent des Gewichtsanteils eines Fahrzeuges einer ordentlichen Verwertung zuführen müssen. Aber die 8.000 bis 10.000 unterschiedlichen Materialien lassen sich nach dem Schreddern nicht ausreichend voneinander trennen. Recycling findet nur in Teilbereichen statt. Meist handelt es sich um ein Downcycling.
Autor: Jan Topitsch
Veröffentlichung: Oktober 2023 (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 3052 KB)
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