Die Handwerker der Informationsbeschaffung
Eine schwarze Limousine, ein weißer Kombi, ein knallroter „Frauenflitzer“, mehrere Kleinwagen. Verschiedene Marken, verschiedene Modelle, jedes Fahrzeug mit dem Kennzeichen einer anderen Stadt. In einer Halle in Hanau steht das Betriebskapital der Detektei Lentz GmbH & Co. Detektive KG. Die Autos sind die vornehmlichen Arbeitsplätze der gut ein Dutzend Privatermittler. Geduld, Konzentration, Diskretion sind gefragt – und gutes Sitzfleisch. Denn oft passiert nichts.
„Die meisten Leute stellen sich den Beruf des Privatdetektivs einfach, spannend und toll vor. Die Realität ist für viele ernüchternd“, sagt Frances R. Lentz. Die Realität sei dezenter, ruhiger, bisweilen langweilig. Zwölf Stunden im Auto sitzen, beobachten, analysieren, fotografieren, notieren. Und bloß nicht auffallen. Frances R. Lentz ist geschäftsführende Gesellschafterin der Detektei Lentz, 1985 gegründet, mehrfach zertifiziert und ausgezeichnet, eine von 810 Detekteien in Deutschland (Stand 2020).
Lohnfortzahlungsbetrug als Klassiker
Ist der Mitarbeiter wirklich krank oder nutzt er die „Auszeit“, um seine Wohnung zu renovieren? Hat der Außendienst tatsächlich ein Dutzend Kunden abgeklappert? Lohnfortbezahlungsbetrug, also eine vorgetäuschte Krankheit, ist ein Klassiker der Wirtschaftskriminalität, ebenso wie die Aufdeckung unerlaubter Nebentätigkeiten, Arbeitszeit- und Spesenbetrug im Außendienst. Wenn ein Chef einen begründeten Verdacht hat, hat er das „berechtigte Interesse“, eine Detektei einzuschalten. Und im Erfolgsfall kann er sogar die Kosten für die Ermittlungen vom Mitarbeiter zurückfordern.
„Draußen zählt es“, sagt Frances R. Lentz. Aber auch das Einschleusen von Mitarbeitern in Unternehmen gehört zum Alltag. Mitarbeiter sind und waren bei Autozulieferern, Metzgereien oder sogar im Pflegeheim im Einsatz. Beschimpft, schlägt oder stellt ein Pfleger einen Heimbewohner mit Medikamenten ruhig? Gibt es Diebstahl? Und wenn ja, wo landen die Waren, an wen werden sie verkauft? Bei den komplexeren Vergehen im Bereich der Wirtschaftskriminalität kommen die Spezialisten zum Einsatz. Für Abhörschutz und Lauschabwehr stehen Elektrotechniker mit einer Weiterbildung zum Abhörschutztechniker zu Verfügung. Sie spüren versteckte Mikrofone und GPS-Sender auf. Menschen sind bestechlich. Die Putzfrau bringt im Auftrag eines Mitbewerbers eine Wanze im Konferenzraum an, der Getränkelieferant installiert eine Abhöreinrichtung in der Teeküche. Das sei in der deutschen Wirtschaftsrealität keine Ausnahme mehr, berichtet Frances R. Lentz. IT-Forensiker kommen zum Einsatz, um zu überprüfen, ob Beschäftigte nach ihrem Abschied Daten vom Dienstlaptop gezogen haben, um sie weiterzureichen. Selbst das Erstellen von Schriftgutachten durch ausgebildete Schriftsachverständige zählt zum Lentzschen Portfolio.
Kriminalität ist vielfältig. Mitarbeiter von Lentz haben schon einmal 20 PKW in Paris aufgespürt, die einem deutschen Autoverleiher „abhanden“ gekommen waren. Ein neues Phänomen seien LKW-Fahrer, die Diesel absaugen und weiterverkaufen. Die gestiegenen Spritkosten machen auch das zu einem lukrativen „Nebenerwerb“.
© Lentz-Gruppe
Keine Waffen, kein Schlapphut
Das von Fernsehreihen geprägte Bild eines Privatdetektivs hat nichts mit dem Arbeitsalltag zu tun. Es gibt keine wilden Verfolgungsjagden mit dem Auto, keine Verdächtigen, die mit Kabelbindern gefesselt werden, keinen Lauschangriff mit Richtmikrofonen. Obwohl einige die Lizenz haben, tragen die Mitarbeiter von Lentz generell keine Waffen. „Wir geben uns ja nur ganz selten als Detektive zu erkennen, da passen Waffen einfach nicht dazu“, sagt Frances R. Lentz. „Waffen“ sind Spiegelreflexkamera, gute Objektive und Spürsinn. Die Mittdreißigerin, ausgebildete Kauffrau und Mediatorin, ist selbst als ZAD-geprüfte Privatermittlerin (IHK) jahrelang im operativen Außendienst gewesen.
Privatermittler sind die Handwerker der Informationsbeschaffung. Gute Sprach- und Menschenkenntnisse sind die beste Waffe. Ein scharfer Blick ist wichtiger als eine scharfe Pistole. Abklärung, Observation, Berichterstattung lauten die drei Schritte. „Am Ende muss ein rechtlich fundierter Bericht stehen, der gerichtsfest ist“, sagt Frances R. Lentz. Der Fotoapparat gehört zur Grundausstattung. Videoüberwachung, das Abhören von Telefonen, das Hacken von Computern und der Einsatz von GPS-Sendern, um Bewegungsprofile aufzuzeichnen, sind ein No-Go. Detektive haben keinerlei Sonderrechte. Behörden müssen sie nicht zwingend unterstützen. Die Grenze zu Gesetzesübertretungen wie Hausfriedensbruch und schwerwiegender Eingriff in die Persönlichkeitsrechte sind fließend. „Wir bewegen uns in einer Grauzone. Und diese Grauzone wird immer kleiner“, sagt Frances R. Lentz. Aber: „Wir haben unsere Kontakte“, erklärt die Geschäftsführerin mehrdeutig. Und es gebe mehr frei verfügbare Informationsquellen als sich viele vorstellen.
In Spanien wird man per Studium zum Detektiv. In Deutschland handelt es sich nicht um einen anerkannten Ausbildungsberuf. Die ZAD, die Zentralstelle für Ausbildung im Detektivgewerbe in Berlin, ist die bekannteste Anlaufstelle. Nach 22 Monaten theoretischer Ausbildung und zwei Jahren Praxis kann man bei der IHK den Status „ZAD-geprüfter Privatermittler (IHK)“ erlangen. Eine der Prüferinnen in Hanau ist Frances R. Lentz. Bei der Lentz-Gruppe sind ausgebildete Feuerwehrleute, Kfz-Mechatroniker oder Krankenpfleger im Einsatz. Und was ist mit dem Schlapphut? „Nein, wir haben keine Schlapphüte im Fundus. Aber Baseballkappen und Fischerhut sind schon im Einsatz. Unsere Mitarbeiter müssen schließlich über einen gewissen Grad der Wandelbarkeit verfügen, um nicht aufzufallen“, sagt Frances R. Lentz und lacht.
Autor: Jan Topitsch
Veröffentlichung: September 2023 (PDF-Datei · 4391 KB)
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