„Ein Player, den ich mir nicht wegdenken möchte“

IHK: Erfolgs- oder Auslaufmodell?

„Die IHK unterstützt Arbeitgeber bei der Suche nach qualifizierten Fachkräften, berät in Qualifizierungsfragen, hilft bei der Gründung und fördert das Unternehmenswachstum. Außerdem berät sie Unternehmen in Fragen zur Außenwirtschaft, zu Energie- und Umweltschutzthemen sowie zu Recht und Steuern.“
So lautet die Eigendarstellung. Die IHK ist die gebündelte Stimme von Industrie und Handel gegenüber der Politik. Eine Wirtschaftslobby, ein Interessensverband, dessen Wurzeln bis auf das preußische Handelskammergesetz von 1870 zurückreichen. Die 79 IHKs in Deutschland sind die Fixpunkte des weltweiten Erfolgsmodells duale Ausbildung.
Die Kritiker sehen das anders: IHK ist von gestern und vorvorgestern, ein Auslaufmodell. Ein Männerclub in grauen Anzügen, der den Anforderungen immer unterschiedlicher werdenden und feiner zergliederten Interessensgruppen vom Einzelhandel über das Finanzwesen bis zur Industrie nicht mehr gerecht wird oder werden kann. Das größte Problem: Undemokratisch und ungerecht – so empfinden manche Unternehmer die verpflichtende Mitgliedschaft in der Körperschaft des öffentlichen Rechts. Ein Zwangsverband, für den man eine Pflichtbetrag bezahlt, über dessen Verwendung zu wenig Transparenz herrscht.
Was denken Politiker, was denken die Menschen an den Schaltstellen der Kommunen über die IHK? Das Fazit: Viel Lob, wenig bis keine Kritik und sehr viele Personen, die sich nicht öffentlich äußern wollen, denn Kritik würde ohnehin nichts ändern. Die Erkenntnis: Wenn Politik, IHK und Kommunen in einem Boot sitzen, will niemand ein Loch in den Rumpf bohren.

„Konkrete Unterstützung manchmal wenig erkennbar“

„Wenn ich mir etwas wünschen würde, würde ich es direkt bei der IHK anfragen. Dafür gibt es aber keinen Grund“, bringt es Rodenbachs Bürgermeister Klaus Schejna auf den Punkt. Mit der IHK bestehe ein sehr enges Verhältnis in allen Fragen von der Gewerbeansiedlung bis schnelles Internet. Zudem habe man gemeinsam ein Netzwerktreffen mit den Rodenbacher Unternehmern eingerichtet. „Die IHK ist ein Player, den ich mir nicht wegdenken möchte“, sagt Schejna.
Klagen und politischer Streit: In Hammersbach ist das interkommunale Gewerbegebiet Limes das Dauerthema. „Die IHK hat uns immer unterstützt, steht immer fest an unserer Seite“, sagt Hammersbachs Bürgermeister Michael Göllner, zugleich Vorsitzender des Gewerbegebiet-Zweckverbands ZWIGL. Die Kernaussage der Gegner sei stets gewesen, dass Logistik „böse“ sei, kaum Arbeitsplätze und wenig Steuereinnahmen beschere. Die IHK habe mit guter Öffentlichkeitsarbeit und konkreten Zahlen dies immer wieder widerlegen können. Kritik? Die IHK liefere viel statistisches Material, könne aber etwas praxisnäher sein. „Der konkrete Unterstützung der Kommunen ist bei der Ansiedlung von Firmen manchmal wenig erkennbar“, sagt der SPD-Politiker.
Kasseckert IHK
„Ich kenne keine andere Institution, die mir so viel und so guten Input liefert“: Der CDU-Landtagsabgeordnete Heiko Kasseckert erachtet den Austausch mit der IHK als sehr konstruktiv. © privat
Die meisten Entscheidungen für den Wirtschaftsstandort werden in Wiesbaden getroffen. Ist die IHK mit ihren Forderungen deshalb für einen Landespolitiker unbequem? Überhaupt nicht, sagt Heiko Kasseckert. Er könne nichts Kritisches sagen. „Ich kenne keine andere Institution, die mir so viel und so guten Input liefert“, sagt der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion. Es herrsche ein ungefilterter, vertrauensvoller und sehr konstruktiver Austausch, erklärt der ehemalige Bürgermeister von Langenselbold. Insbesondere beim Ausbau der Nordmainischen S-Bahn habe die IHK „stark angeschoben“. Die IHK sei das Sprachrohr zur Politik, die Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Politik.

Falscher Schwerpunkt beschert wenig positives Image

In einer immer diverser werdenden Welt sei es gut, wenn man eine Institution habe, die Interessen von allgemeiner Bedeutung bündele. Diese Rolle erfülle die IHK, sagt Erika Schulte und lobt den wichtigen Beitrag in den Themen Aus- und Weiterbildung, Prüfungswesen, Statistik und Außenwirtschaft. Doch die Wirtschaftsförderin der Stadt Hanau sieht auch Schwächen in dem aktuellen Konstrukt, sowohl bei der IHK allgemein als auch bei der IHK Hanau-Gelnhausen-Schlüchtern im Speziellen. „Eine Pflichtgemeinschaft ist immer schwierig, unabhängig davon, was diese Institution leistet. Das ist nicht mehr zeitgemäß“, sagt Schulte. Dieser Zwang führe zu viel Unzufriedenheit. Besser könnte eventuell eine gestaffelte Mitgliedschaft mit einem Pauschalbeitrag für das Aus-, Weiterbildungs- und Prüfungswesen sein. „Es geht nicht darum, dass es nichts kosten darf, sondern dass transparent ist, wofür man bezahlt“, sagt Schulte. Diese Transparenz, verbunden mit der dazugehörigen Kommunikation, vermisse sie in Teilen.
Mit ihren großen Materialtechnikunternehmen ist die Stadt Hanau der Industriestandort im Main-Kinzig-Kreis, der nach Osten immer stärker ländlich geprägt ist. Diesen Spagat der Interessen meistere die IHK Hanau-Gelnhausen-Schlüchtern nur zum Teil. Für den Osten wichtige Themen wie Breitbandausbau und Tourismus gehe die IHK gut an. Aber: „Die Transformation eines Industriestandortes wie Hanau sollte ein größeres Thema sein“, sagt Schulte. Auch fokussiere sich die IHK beispielsweise darauf, den Kreis als Schwerpunkt für die Automobilzulieferindustrie darzustellen. Diese Reduzierung sei zu wenig differenziert und vermittle kein positives Image, das zum Beispiel für die Anwerbung von Fachkräften von Bedeutung sei.

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