Im Gespräch mit Kerstin Cieslik

„Die beste Führungskraft ist die, die sich selbst kennt“

Sie seien kommunikativer, empathischer und motivierender: Frauen in Führungspositionen werden oftmals andere Fähigkeiten als ihren männlichen Kollegen zugeschrieben. Doch gibt es dieses typisch weibliche oder typisch männliche Führungsverhalten überhaupt? Wir haben bei Kerstin Cieslik nachgefragt. Sie ist Inhaberin des Life Work Balance Instituts in Birstein, einem Coaching Institut für die Persönlichkeitsentwicklung von Führungskräften.
Lokal Hanau Portrait Kerstin Cieslik-Pfeifer,
Lokal Hanau Portrait Kerstin Cieslik-Pfeifer, © Patrick Scheiber
„Selbstkenntnis“ ist das wohl wichtigste Merkmal einer guten Führungskraft, unabhängig davon, ob diese männlich oder weiblich ist – davon ist Kerstin Cieslik überzeugt. „Gute Führungskräfte sind sich ihrer Persönlichkeit und damit sich selbst bewusst. Sie kommunizieren effektiv, können Arbeit delegieren, fördern strategisches Denken und motivieren durch ihre Vorbildfunktion ihr Team“, sagt die Coaching- Expertin. „Die beste Führungskraft ist die, die sich selbst kennt!“
Seit mehr als zehn Jahren ist Kerstin Cieslik nun schon als Business Coach aktiv, und seit 2020 ist sie ferner Geschäftsführerin der Wirtschaftsinitiative Mittelstand Main-Kinzig. Sie hat zudem viele Jahre als Führungskraft in einem globalen Unternehmen gearbeitet. Dabei sind ihr immer wieder auch die Thesen über den Weg gelaufen, dass Frauen zum Beispiel grundsätzlich empathischer oder weniger durchsetzungsstark seien. Aus der Berufspraxis heraus kann sie das so aber nicht bestätigen. „Ich denke, zentraler sind Stil und Fokus der Führung.“ Aber: „Frauen fokussieren tendenziell stärker Kooperation, Teamwork und Dialog.“
Geht es um die bereits erwähnte Selbstreflexion, lasse sich laut Cieslik aber beobachten, dass bei Frauen Eigen- und Fremdwahrnehmung näher beieinanderliegen. Und auch die Gründe, ihr Institut zu beauftragen, unterscheiden sich: „Frauen konsultieren mich oftmals, bevor ein neuer Karriereschritt ansteht. Männer scheinen eher problemorientiert zu agieren und treten mit mir in Kontakt, wenn etwas nicht so gut funktioniert wie vorgesehen.

Eine Führung, die die ganze Persönlichkeit umfasst

Den einen, idealen Führungsstil gibt es übrigens nicht. „Was es gibt, sind einzelne Faktoren, die zu einem guten Führungsstil beitragen“, sagt Kerstin Cieslik. In ihrer Zeit als Führungskraft in einem Unternehmen auf dem globalen Markt ist ihr zunehmend aufgefallen, in welch großem Spannungsfeld sich Führungskräfte befanden, „wobei für Selbstreflexion hinsichtlich des eigenen Führungshandelns weniger Raum zu sein schien.“ Sie selbst hat sich daraufhin verstärkt mit der Frage beschäftigt, wie Führung aussieht, die die ganze Persönlichekeit umfasst, und welche Faktoren hierfür entscheidend sind – es sollte der Anfang des von ihr entwickelten Life-Work-Balance- Ansatzes werden. „Dieser umfasst mittlerweile eine vierstufige Persönlichkeitsanalyse, gefolgt von einem individuellen Aktionsplan zur Ausrichtung der Lebenssäulen.“ Die Persönlichkeit sei dabei ein zentrales Fundament für die Lebenssäulen und somit auch für die Stärkung der Führungspersönlichkeit.
Ein gutes Gleichgewicht zwischen Job und Freizeit ist deshalb für Frauen und Männer in Führungspositionen ebenfalls wichtig. „Dauerhafte Leistungsfähigkeit ist schließlich bei den vielfältigen täglichen Herausforderungen auch für Führungskräfte wichtiger denn je“, so Cieslik. „Nur wer in allen Lebensbereichen in Balance ist und persönliche Werte und Motive weiterentwickelt, ist zufriedener, erfolgreicher und leistungsfähiger – und kann so andere Menschen motivieren und mitnehmen.“
Autorin: Julia Oppenländer
Veröffentlichung: März 2024