Grundzüge des Handelsvertreterrechts
Stand: 10/2013
- 1. Definition, Abgrenzung und Rechtsgrundlage
- 2. Inland/ Ausland
- 3. Gewerbeanmeldung, Handelsregister
- 4. Vertrag
- 5. Vermittlungs- und Bezirksvertreter, Gebietsschutz, Internethandel
- 6. Aufgaben und Befugnisse des Handelsvertreters
- 7. Pflichten des Unternehmers
- 8. Pflichten des Handelsvertreters
- 9. Wettbewerbsverbote während und nach der Vertragszeit
- 10. Provision und Auslagen
- 11. Dauer und Beendigung des Vertragsverhältnisses
- 12. Ausgleichsanspruch
- 13. Verjährung und Rechtsstreitigkeiten
- 14. Tipp
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1. Definition, Abgrenzung und Rechtsgrundlage
Handelsvertreter ist, wer als selbständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer (nachstehend: Unternehmer) Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen.
Der Handelsvertreter ist abzugrenzen insbesondere vom Vertragshändler, aber auch vom angestellten Reisenden, freien Mitarbeiter und Handelsmakler und Franchisenehmer.
Die gesetzliche Regelung der Handelsvertretung findet sich im Wesentlichen in den §§ 84 – 92 c des Handelsgesetzbuches (HGB), auf dem auch die nachstehenden Ausführungen beruhen. Diese gesetzlichen Bestimmungen sind in ihren wesentlichen Bereichen zwingendes Recht, insoweit sind vertragliche Abweichungen unwirksam.
Es wird unterschieden zwischen Warenvertreter einerseits, Versicherungs- und Bausparkassenvertreter andererseits. Aufgrund der Wesensunterschiede zwischen den Sparten existieren für die letztere Gruppe auch einige rechtliche Besonderheiten.
Für Handelsvertreter im Nebenberuf gelten die vorstehend zitierten Bestimmungen des HGB nur sehr eingeschränkt.
Die nachfolgenden Ausführungen betreffen ausschließlich den hauptberuflichen Warenvertreter.
2. Inland/ Ausland
Dieses Merkblatt behandelt Regelungen für die Handelsvertretertätigkeit in Deutschland. Es ist nicht anwendbar, wenn sich das Vertriebsgebiet des Handelsvertreters im Ausland befindet. Zwar existieren aufgrund der EG- Harmonisierungsrichtlinie vom 18.12.1986 mittlerweile weitgehend übereinstimmende gesetzliche Regelungen des Handelsvertreterrechts innerhalb der EU und des EWR, in Details gibt es aber nach wie vor auch hier regionale Besonderheiten. Weit größer noch sind die Diskrepanzen zwischen den Ländern der EU und des EWR einerseits und dem Rest der Welt, insbesondere auch Nordamerika andererseits. Schon aus Platzgründen muss sich dieses Merkblatt auf den innerdeutschen Bereich beschränken.
3. Gewerbeanmeldung, Handelsregister
Der Handelsvertreter muss vor Aufnahme seiner Tätigkeit das Gewerbe beim zuständigen Gewerbeamt anmelden.
Eine Eintragung ins Handelsregister ist erst dann notwendig, wenn der Geschäftsbereich eine gewisse Größe erreicht hat oder eine Eintragsverpflichtung sich bereits aus der gewählten Rechtsform (z. B. GmbH) ergibt. Aber auch ansonsten hat der Handelsvertreter, so er es wünscht, jederzeit die gesetzliche Möglichkeit zu einer freiwilligen Eintragung ins Handelsregister.
4. Vertrag
Eine Schriftform ist nicht vorgeschrieben. Jede Partei kann aber eine schriftliche Vertragsurkunde verlangen. Ein schriftlicher Vertrag ist nach aller Erfahrung aus Sicht sowohl des Unternehmers als auch des Handelsvertreters dringend zu empfehlen, um von Anfang an Klarheit über den Vertragsinhalt herzustellen und den Beweis getroffener Absprachen zu erleichtern. Die Vertragsurkunde sollte Regelungen zu allen wesentlichen Punkten, die nachfolgend behandelt sind, treffen.
5. Vermittlungs- und Bezirksvertreter, Gebietsschutz, Internethandel
Der reine Vermittlungsvertreter hat Anspruch auf Provision für alle von ihm vermittelten Geschäfte sowie für Nachbestellungen und Folgegeschäfte des Unternehmers mit vom Vertreter geworbenen Kunden.
Der Bezirksvertreter, dem laut Vertrag ein bestimmter räumlicher Bezirk oder Kundenkreis zugewiesen ist, kann Provision auch für alle ohne seine Mitwirkung in seinem Bezirk oder Kundenkreis abgeschlossenen Geschäfte des Unternehmers beanspruchen.
Grundsätzlich ist der Unternehmer – auch bei Einräumung eines Bezirksrechtes – nicht gehindert, mit dem Kundenkreis des Handelsvertreters unmittelbar selbst oder durch andere Beauftragte tätig zu werden. Anders ist es bei Einbeziehung einer Kundenschutz- oder Gebietsschutzklausel in den Vertrag.
Der Internethandel hat heute nahezu alle Branchen erfasst. Dies bringt erhebliche Probleme für die Vergütungssituation des Handelsvertreters mit sich, zumal diese Entwicklung in den meisten (Alt-)Verträgen nicht berücksichtigt ist. Grundsätzlich steht es dem Unternehmer frei, seine Vertriebswege und –strukturen zu ändern, wobei allerdings ein etwa vereinbartes echtes Alleinvertriebsrecht des Handelsvertreters zu berücksichtigen ist. Die Abgrenzung der Interessensphären der Vertragspartner ist besonders schwierig: Auf der einen Seite der Grundsatz der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit, auf der anderen Seite die Gebote der Loyalität, Treuepflicht und Rücksichtnahme gegenüber dem Handelsvertreter. Wenn der Unternehmer den Onlinevertrieb – über eigene oder fremde Internetplattformen – aufnimmt, so schmälert das die eigenen Vertriebschancen des Vermittlers dramatisch. Soweit ersichtlich, gibt es noch keine nennenswerte Rechtsprechung zu dieser Konstellation und deren Lösung, weshalb Klarstellungen schon bei Vertragsschluss angestrebt werden sollten.
6. Aufgaben und Befugnisse des Handelsvertreters
Der Handelsvertreter hat die Aufgabe, für die Vertragsprodukte innerhalb des ihm übertragenen Vertragsgebietes oder Kundenkreises Geschäfte im Namen und auf Rechnung des Unternehmens zu vermitteln.
Dabei hat er sich laufend zu bemühen, neue Kunden zu werben und die vorhandenen Kunden zu betreuen. Die ihm obliegende Promotion der Vertragsprodukte erstreckt sich, je nach Vereinbarung, auf weitere Tätigkeiten von der Präsenz bei einschlägigen Fachmessen bis hin zur Gestaltung von Spezialkonzepten für Kunden im technischen Bereich.
Dem Handelsvertreter kann die Befugnis eingeräumt werden, Verträge im Namen des Unternehmens abzuschließen. Ihm kann auch die Inkassobefugnis übertragen werden.
Bei seiner Tätigkeit muss der Handelsvertreter stets die Interessen des Unternehmers mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns wahrnehmen.
7. Pflichten des Unternehmers
Der Unternehmer hat den Handelsvertreter bei dessen Tätigkeit zu unterstützen, insbesondere ihm die erforderlichen Nachrichten zu geben. Hierzu gehören die unverzügliche Mitteilung über Annahme oder Ablehnung vermittelter sowie die Ausführung oder Nichtausführung abgeschlossener Geschäfte, aber auch Informierung über Preisänderungen oder grundlegende Entscheidungen des Unternehmers, die sich auf den Bestand des Vertrages auswirken können, wie z.B. die Auswirkungen des parallelen Direktvertriebs.
Der Unternehmer muss dem Handelsvertreter die zur Ausübung seiner Tätigkeit erforderlichen Unterlagen, Muster und Kollektionen sowie Werbematerial zur Verfügung stellen.
8. Pflichten des Handelsvertreters
Der Handelsvertreter ist selbständig tätig und gestaltet seine Arbeitszeit frei. Gleichwohl sollte im Interesse beider Vertragspartner für Urlaub und Krankheitsfälle eine Mitteilungs- und ggf. Vertretungsregelung getroffen werden.
Der Handelsvertreter hat sachgerechten, den Kernbereich seiner Selbständigkeit nicht einschränkenden Weisungen des Unternehmers Folge zu leisten. Er ist verpflichtet, dem Unternehmer die erforderlichen Nachrichten zu geben, insbesondere ihm von jeder Geschäftsvermittlung bzw. jedem Geschäftsabschluss Mitteilung zu machen. Eine regelmäßige Berichtspflicht kann vereinbart werden.
Der Handelsvertreter hat über Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse des Unternehmers auch nach Vertragsbeendigung Stillschweigen zu bewahren. Er muss die ihm vom Unternehmer überlassenen Unterlagen und Kundenlisten bei Ende der Zusammenarbeit herausgeben. Es ist ihm dabei grundsätzlich nicht erlaubt, die Kundenlisten vor Rückgabe zu kopieren oder Notizen daraus zu machen. Anders verhält es sich mit der Kundenkartei, die der Handelsvertreter im Rahmen seiner Tätigkeit selbst angefertigt hat: Diese muss er ohne ausdrückliche vertragliche Regelung weder im Original noch in Kopie herausgeben.
9. Wettbewerbsverbote während und nach der Vertragszeit
Grundsätzlich kann der Handelsvertreter beliebig viele Unternehmen gleichzeitig vertreten. Meist greifen jedoch vertraglich vereinbarte Beschränkungen ein.
Nie darf der Handelsvertreter – auch ohne ausdrückliches Wettbewerbsverbot im Vertrag – miteinander konkurrierende Unternehmen vertreten.
Anders ist es nach Beendigung der Zusammenarbeit: Der Handelsvertreter ist dann grundsätzlich im Wettbewerb frei, es sei denn, es wurde eine schriftliche Vereinbarung getroffen, die u. a. den Handelsvertreter längstens zwei Jahre binden darf und eine angemessene Entschädigung für die Dauer der Wettbewerbsbeschränkung vorsehen muss.
10. Provision und Auslagen
Nach dem Gesetz und in der Praxis besteht die Vergütung des Handelsvertreters in erster Linie in einer Umsatzprovision. Die gesetzlichen Vorgaben hierzu sind überaus komplex. Es empfiehlt sich, insbesondere auch bei der Vertragsgestaltung zwischen den folgenden Stadien zu differenzieren:
- Welche Geschäfte sind zu verprovisionieren (Vermittlungsvertreter oder Bezirksvertreter u.a.)?
- Unter welchen Voraussetzungen soll der Provisionsanspruch entstehen (mit Ausführung des Geschäfts oder erst mit Bezahlung durch den Kunden) und unter welchen Umständen entfällt er wieder (Nichtausführung des Geschäfts, Nichtzahlung seitens des Kunden)?
- Wann wird der Provisionsanspruch fällig (bei Hinausschieben Vorschussanspruch)?
- Wann und wie hat der Unternehmer den Provisionsanspruch abzurechnen?
Provisionssätze, zulässige Rabattierung gegenüber dem Kunden etc. sollten im Vorhinein klar fixiert werden.
Die Umsatzprovision, zu der auch Folge- und Bezirksprovision zählen, wird häufig mit einem Fixum bzw. einer Garantieprovision gekoppelt. Daneben sind u.a. Delkredereprovision, Verwaltungsprovision, Bonus, Gesamtumsatzprovision üblich.
Weitgehende Vertragsfreiheit besteht bei der Erstattung von Auslagen des Handelsvertreters. Hier werden sich die Vertragspartner an der Höhe des zu erwartenden Provisionsaufkommens einerseits und dem Umfang der vorhersehbaren Auslagen andererseits orientieren.
Mit klaren Vorgaben wiederum ist der Abrechnungsanspruch des Handelsvertreters versehen. Das Gesetz räumt ihm starke Rechte ein, wenn die Provisionsabrechnung verspätet, lückenhaft oder auch nur unübersichtlich erfolgt: Neben der Abrechnung kann der Handelsvertreter jederzeit ergänzende Auskünfte und einen Buchauszug, unter bestimmten Voraussetzungen sogar Einsicht in die Geschäftsbücher des Unternehmers verlangen. Diese Rechte sind unentziehbar und unabdingbar, können also auch vertraglich nicht ausgeschlossen werden.
11. Dauer und Beendigung des Vertragsverhältnisses
Oft wird im Vertrag eine Frist der Zusammenarbeit von einem oder mehreren Jahren vereinbart, je nach Vertragsgestaltung mit oder ohne automatische Verlängerung bei Nichteinhaltung einer bestimmten Kündigungsfrist.
Bei Fehlen einer Befristungsabrede gilt der Vertrag als auf unbestimmte Zeit geschlossen. Die Zusammenarbeit endet dann, abgesehen von den Fällen des Todes oder der Insolvenz einer Partei, durch ordentliche Kündigung, deren Fristen dem Gesetz oder dem Handelsvertretervertrag zu entnehmen sind.
Sowohl bei befristeten als auch bei unbefristeten Verträgen ist jede Partei jederzeit bei Vorliegen eines wichtigen Grundes zur Kündigung ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigt.
Ein sozialer Kündigungsschutz wie im Arbeitsrecht, z. B. beim angestellten Reisenden, existiert nicht. Zum Ausgleich finanzieller Nachteile aus dem Verlust der Vertretung dient der Ausgleichsanspruch des HGB.
12. Ausgleichsanspruch
Der Ausgleichsanspruch ist ein zentrales Institut des deutschen Handelsvertreterrechts. Nach seinem Ausscheiden kann der Handelsvertreter in der Regel für den von ihm aufgebauten oder intensivierten Kundenstamm, den er dem Unternehmer zurücklässt, eine angemessene Ausgleichszahlung verlangen. Dieser Anspruch kann von den Vertragsparteien im Vorhinein weder wirksam ausgeschlossen noch in Abweichung vom Gesetz qualitativ beschränkt werden. Er ist innerhalb eines Jahres nach Beendigung des Vertragsverhältnisses geltend zu machen.
Näheres zum Ausgleichsanspruch finden Sie im Merkblatt „Der Ausgleichanspruch des Handelsvertreters“.
13. Verjährung und Rechtsstreitigkeiten
Nach den im Dezember 2004 in Kraft getretenen nochmals novellierten Verjährungsvorschriften verjähren Ansprüche aus dem Handelsvertreterverhältnis in drei Jahren, beginnend mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Handelsvertreter von den den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Innerhalb bestimmter Grenzen ist eine Verkürzung oder Verlängerung der Verjährungsfristen im Handelsvertretervertrag zulässig, sie darf sich jedoch nicht einseitig zu Lasten des Handelsvertreters auswirken.
Nach dem Zivilprozessrecht sind für Rechtsstreitigkeiten die Gerichte am Sitz des jeweiligen Beklagten örtlich zuständig. Anderweitige Gerichtsstandsvereinbarungen können im Handelsvertretervertrag nur getroffen werden, sofern der Handelsvertreter als Kaufmann im Sinne des Handelsgesetzbuches gilt.
Die Parteien haben grundsätzlich die Möglichkeit, bereits im Handelsvertretervertrag eine Schiedsgerichtsvereinbarung zu treffen. Der Nachteil möglicher höherer Prozesskosten wird durch die Vorteile einer zügigen Behandlung durch im Vertriebsrecht spezialisierte Volljuristen und die Nichtöffentlichkeit des Verfahrens jedenfalls bei Streitigkeiten mit beträchtlichem wirtschaftlichem Interesse mehr als ausgeglichen.
14. Tipp
Die meisten bestehenden Handelsvertreterverträge enthalten keine Regelungen zu der Konstellation, dass der Unternehmer zusätzlich einen eigenen Internetvertrieb eröffnet oder die Waren an ein Online-Vertriebsunternehmen veräußert. Diese Problematik sollte unbedingt in neue Verträge mit aufgenommen und eigenständig geregelt werden, laufende Verträge sollten im Verhandlungsweg an die Situation angepasst werden.
Für den Handelsvertreter: Er sollte sich für die durch (jetzige oder künftige) Direktverkäufe eintretenden Einbußen eine angemessene Entschädigung (je nach Fallkonstellation einmalig/laufend) einräumen lassen.
Für den Unternehmer: Ein echtes Alleinvertriebsrecht/Exklusivität des Handelsvertreters kann zu einem Direktlieferungsverbot des Herstellers führen, von dem auch der Parallelvertrieb per Internet erfasst wird. Insofern sollte der Unternehmer sich im Vertrag die Inanspruchnahme des Internetvertriebsweges vorbehalten, ggfs. Gegen angemessene Kompensation für den Handelsvertreter.
Verfasser: Rechtsanwalt Dr. Lemor/ Augsburg. Dieses Merkblatt wurde mit freundlicher Unterstützung der Industrie- und Handelskammer Schwaben erstellt.