Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters
Stand: 10/2013
- I. Voraussetzungen des Ausgleichsanspruchs
- 1. Beendigung des Vertragsverhältnisses
- 2. Erhebliche Vorteile des Unternehmers
- 3. Billigkeit
- a) Provisionsverluste
- b) Weitere Billigkeitsgesichtspunkte
- II. Berechnungsmethode des Ausgleichs
- 1. Prognoseberechnung
- 2. Höchstbetrag
- 3. Berechnungsbeispiel
- 4. Ausschluss des Ausgleichs
- 5. Ausschlussfrist des § 89 b Abs. 4 HGB
- III. Rechtsberatung
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Der Ausgleichsanspruch nach § 89b Handelsgesetzbuch (HGB).
Nach dieser gesetzlichen Regelung kann einem Handelsvertreter im Fall der Beendigung seines Vertragsverhältnisses ein Anspruch gegen seinen vertretenen Unternehmer bis zu einer Jahresprovision zustehen. Der Ausgleichsanspruch ist aber von einer ganzen Reihe von Voraussetzungen abhängig und kann während des Handelsvertreterverhältnisses nur als Chance angesehen werden. Auf ihn als soziale Absicherung oder gar als Altersversorgung zu bauen, ist deshalb verfehlt. Dies gilt umso mehr, als der Ausgleich durch eine Zusammenballung der Einkünfte zu einer hohen steuerlichen Belastung im Jahr seines Zuflusses führt.
Auf der anderen Seite ist aber auch die Furcht der Unternehmen vor diesem Anspruch meist verfehlt und sollte nicht die wesentlichste Rolle bei der Entscheidung spielen, ob der Vertrieb über Handelsvertreter aufzubauen ist. Denn der Ausgleich ist jeweils nur für die vom Handelsvertreter aufgebauten neuen Geschäftsbeziehungen zu zahlen, so dass ihm auch ein entsprechender Vorteil auf Seiten des Unternehmers gegenübersteht. Zudem stehen dem Unternehmer vertragliche Gestaltungsmöglichkeiten zur Verfügung, einen gezahlten Ausgleich auf den Nachfolgevertreter abzuwälzen.
Für den Ausgleich des Versicherungs- und Bausparkassenvertreters enthält § 89 b HGB eine Sonderregelung. Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber den Besonderheiten in der Versicherungsbranche Rechnung getragen. Die Spitzenverbände der Versicherungswirtschaft und der Versicherungskaufleute haben so genannte Grundsätze zur Berechnung des Ausgleichsanspruchs getrennt für die einzelnen Versicherungsbereiche aufgestellt. Die Berechnung des Ausgleichsanspruchs des Versicherungs- und Bausparkassenvertreter wird in der Regel nach diesen Grundsätzen durchgeführt. Die folgenden Ausführungen gelten daher nicht für diesen Bereich.
Der Gesetzgeber hat aufgrund der Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs im Juli 2009 die gesetzliche Regelung des Ausgleichsanspruchs in § 89b HGB neu gefasst. Danach ist die bisherige eigenständige Ausgleichsvoraussetzung, wonach der Handelsvertreter infolge der Vertragsbeendigung Provisionsverluste erleiden muss, aufgehoben und als Unterfall der Billigkeit eingeführt worden. Diese Änderung wird aber nur in Einzelfällen zu anderen Beurteilungen als unter der alten Regelung führen, da die Provisionsverluste weiterhin als herausgehobener Fall der Billigkeit zu berücksichtigen sind.
I. Voraussetzungen des Ausgleichsanspruchs
Das Gesetz stellt in § 89 b Abs. 1 HGB vier Voraussetzungen auf, die erfüllt sein müssen, damit der Handelsvertreter ausgleichsberechtigt ist:
- Das Handelsvertreterverhältnis muss beendet sein,
- dem Unternehmer müssen auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile zufließen,
- die Zahlung des Ausgleichs muss der Billigkeit entsprechen, wobei alle Umstände, insbesondere die dem Handelsvertreter entstehenden Provisionsverluste zu berücksichtigen sind.
1. Beendigung des Vertragsverhältnisses
Der Ausgleich entsteht erst mit Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses. Dafür ist aber grundsätzlich Voraussetzung, dass das Vertragsverhältnis entweder vom vertretenen Unternehmer gekündigt worden, ein befristeter Handelsvertretervertrag ausgelaufen oder einvernehmlich von den Parteien aufgelöst worden ist. Eine wesentliche Bereichsreduzierung kann als (Teil-)Beendigung ausgleichsbegründend sein.
Demgegenüber schließt das Gesetz den Ausgleich in der Regel aus, wenn der Handelsvertreter den Handelsvertretervertrag kündigt. Allerdings macht es von dieser Regel zwei Ausnahmen. Der Ausgleich bleibt dem Handelsvertreter trotz einer Eigenkündigung erhalten, wenn er entweder einen begründeten Anlass zur Kündigung hatte, oder er das Vertragsverhältnis aus Gesundheits- oder Krankheitsgründen beenden musste.
Ein begründeter Anlass ist anzunehmen, wenn der Handelsvertreter durch ein Verhalten des Unternehmers in eine für ihn unhaltbare Lage gekommen ist. Als begründete Anlässe kommen beispielsweise wiederholte unberechtigte Provisionseinbehalte oder laufende verspätete Provisionszahlungen in Betracht wie auch das häufige schlechte Ausführen von Geschäften.
Eine altersbedingte Kündigung, die den Ausgleich entstehen lässt, wird im Regelfall angenommen, wenn der Handelsvertreter das Rentenalter von derzeit 65 Jahren erreicht hat. Eine Kündigung wegen Krankheit ist ausgleichserhaltend, wenn die Gesundheit schwerwiegend und von nicht absehbarer Dauer gestört ist und zu einer nachhaltigen Verhinderung der Tätigkeit führt.
2. Erhebliche Vorteile des Unternehmers
Damit der Handelsvertreter ausgleichsberechtigt sein kann, muss der Unternehmer aus der Geschäftsverbindung mit Kunden, die der Handelsvertreter neu geworben hat, auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses noch erhebliche Vorteile ziehen. Der Handelsvertreter muss also
- neue Kunden geworben haben,
- die Geschäftsverbindungen zum Unternehmer aufgebaut haben und
- die voraussichtlich auch nach Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses weiterhin mit dem Unternehmer Geschäfte abschließen werden.
Ein Kunde wird dem Handelsvertreter als neu geworben zuerkannt, wenn er bei Beginn des Handelsvertreterverhältnisses mit dem Unternehmer noch keine Geschäfte getätigt hatte und der Abschluss des ersten Geschäftes mit dem Kunden vom Handelsvertreter zumindest mitursächlich herbeigeführt worden ist.
Als Neukunden behandelt das Gesetz aber auch solche, die zwar vor der Tätigkeit des Handelsvertreters mit dem Unternehmer bereits Geschäfte abgeschlossen haben, deren preisbereinigter Umsatz aber durch die Tätigkeit des Handelsvertreters verdoppelt worden ist.
Eine Geschäftsverbindung ist erst dann entstanden, wenn der Kunde wiederholt Geschäfte mit dem Unternehmer abgeschlossen hat (so genannte Mehrfachkunden). Kunden, die nur einmal bestellt haben, werden mithin nicht in die Ausgleichsberechnung einbezogen, selbst wenn sie vom Handelsvertreter neu geworben worden sind. Wie häufig ein Kunde nachbestellt haben muss, damit eine Geschäftsverbindung angenommen werden kann, hängt von der jeweiligen Branche ab. Bei Investitionsgütern kann ein Wiederholungskauf innerhalb von 5 Jahren ausreichen, während bei Verbrauchsgütern des täglichen Lebens mehrere Nachbestellungen innerhalb eines Jahres vorhanden sein müssen.
Um zu beurteilen, ob die Kunden auch nach Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses mit dem Unternehmer Geschäfte abschließen werden, ist im Zeitpunkt der Vertragsbeendigung eine Prognose anzustellen. In diese Überlegungen dürfen aber nur Fakten einbezogen werden, die zu diesem Zeitpunkt schon absehbar waren.
Soweit beispielsweise ein Kunde bereits während des Handelsvertreterverhältnisses Zahlungsschwierigkeiten hatte und anschließend insolvent wird, ist er nicht in die Ausgleichsberechnung einzubeziehen. Die Zahlungsschwierigkeiten waren schon im Zeitpunkt der Vertragsbeendigung abzusehen. Eine andere Beurteilung ist vorzunehmen, wenn die Insolvenz bis zur Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses nicht absehbar war. In diesem Fall muss der Neukunde in die Ausgleichsberechnung einbezogen werden, auch wenn die spätere Entwicklung zeigt, dass der Unternehmer aus der Geschäftsbeziehung zu diesem Kunden keine Vorteile mehr ziehen kann.
3. Billigkeit
Schließlich muss der Ausgleich der Billigkeit entsprechen. Bei der Billigkeitsprüfung ist das gesamte Handelsvertreterverhältnis einschließlich der Gründe für seine Beendigung zu beurteilen und zu entscheiden, ob unter Wertung aller Umstände die Zahlung eines Ausgleichs der Billigkeit entspricht. Insbesondere ist nach der Neufassung des Gesetzes zu berücksichtigen, ob dem Handelsvertreter aus Geschäften mit von ihm neu geworbenen Kunden Provisionen entgehen (sog. Provisionsverluste).
Die Provisionsverluste bilden zwar keine selbständige Voraussetzung mehr für den Ausgleich, es kommt ihnen aber im Rahmen der Billigkeitsprüfung weiterhin ein herausgehobener Umstand („insbesondere“) zu. Dies erlaubt es, auf die bisherigen Tatbestandsmerkmale und ihre Auslegung zurückzugreifen.
a) Provisionsverluste
Unter den Provisionsverlusten versteht man die Provisionen, die der Handelsvertreter noch hätte verdienen können, wenn das Vertragsverhältnis nicht beendet worden wäre. Es wird mithin eine weitere Tätigkeit des Handelsvertreters unterstellt.
Dem Handelsvertreter soll aber nur sein Provisionsverlust ausgeglichen werden, den er mit von ihm neugeworbenen Kunden noch hätte verdienen können. Während des Vertragsverhältnisses hätte der Handelsvertreter mit diesen entweder Vermittlungsprovisionen oder, wenn er am Zustandekommen des Geschäftes nicht beteiligt gewesen wäre, so genannte Folgeprovisionen verdienen können. Folgeprovisionen stehen dem Handelsvertreter zu, wenn der Unternehmer ohne Einschaltung des Handelsvertreters mit einem von diesem neu geworbenen Kunden ein Folgegeschäft abschließt.
In die Ausgleichsberechnung fließen daher lediglich Vermittlungs- und Folgeprovisionen ein. Bezirksprovisionen und so genannte Verwaltungsprovisionen sind hingegen nicht ausgleichspflichtig. Unter Verwaltungsprovisionen fasst man sämtliche Provisionen zusammen, die der Handelsvertreter für Tätigkeiten erhält, die nicht unmittelbar auf das Zustandekommen eines Geschäftes gerichtet sind. Zu nennen ist zum Beispiel die Inkasso-, Lagerhaltungs-, Kundendienst- oder Regalserviceprovision.
Ausgeglichen werden dem Handelsvertreter zudem nur Provisionen, die ihm in einem überschaubaren Zeitraum nach Vertragsbeendigung noch zugeflossen wären. Die Rechtsprechung setzt in der Regel einen Zeitraum zwischen zwei und fünf Jahren an. Dabei orientiert sie sich an der Beständigkeit der vom Handelsvertreter geschaffenen Geschäftsbeziehungen. Bei festen Geschäftsbeziehungen ist eher von einem vier bis fünf jährigen Zeitraum auszugehen, während bei einer hohen Kundenfluktuation auch ein nur zweijähriger Zeitraum anzunehmen sein kann. Für diese Beurteilung wird regelmäßig die Entwicklung der Geschäftsbeziehungen in den letzten Jahren des Handelsvertreterverhältnisses herangezogen.
b) Weitere Billigkeitsgesichtspunkte
Ausgleichsmindernd wirkt sich beispielsweise aus, wenn der Handelsvertreter eine Versorgungszusage erhalten hat. Diese ist mit ihrem Barwert im Rahmen der Billigkeit zu berücksichtigen.
Bei einer bekannten und gut eingeführten Marke geht die Rechtsprechung davon aus, dass die Neukundenwerbung dem Handelsvertreter erleichtert war. Aus dem so genannten Gesichtspunkt der Sogwirkung der Marke können deshalb Billigkeitsabzüge von rund 15 bis 30 Prozent gerechtfertigt sein.
Erspart der Handelsvertreter nach der Beendigung seines Vertrages hohe Kosten oder hat er Vertragsverletzungen begangen, können sich diese Gründe ebenfalls ausgleichsmindernd auswirken.
II. Berechnungsmethode des Ausgleichs
In der Rechtsprechung hat sich eine Berechnungsmethode für den Ausgleich herausgebildet. Diese ist vor allem dadurch gekennzeichnet, dass zum einen versucht wird, eine genaue Berechnung bis hinter das Komma vorzunehmen, und auf der anderen Seite ein erheblicher richterlicher Bemessungsspielraum besteht, der es im Vorfeld einer gerichtlichen Auseinandersetzung außerordentlich schwierig machen kann, eine verlässliche Aussage über den Ausgang des Prozesses zu machen.
1. Prognoseberechnung
Danach sind die Vorteile des Unternehmers zu berechnen. Die Rechtsprechung geht aber davon aus, dass im Regelfall diese Vorteile den Provisionsverlusten des Handelsvertreters entsprechen. Denn der Unternehmer werde grundsätzlich dem Handelsvertreter keine höheren Provisionen zahlen als er selbst an Vorteilen hat.
Deshalb ist zur Feststellung der Unternehmervorteile von den Provisionseinnahmen des Handelsvertreters auszugehen. Nur im Ausnahmefall, wenn der Handelsvertreter auf der einen Seite keine Provisionsverluste durch die Vertragsbeendigung erleidet und auf der anderen Seite dennoch die Zahlung eines Ausgleichs billig erscheint, müsste eine konkrete Berechnung der Unternehmervorteile erfolgen. Bisher gibt es dafür aber keine Beispiele in der Rechtsprechung.
Für die Feststellung der Provisionsverluste ist zu schätzen, für welchen überschaubaren Zeitraum der Handelsvertreter nach Vertragsbeendigung noch hätte Provisionen verdienen können. Dieser so genannte Prognosezeitraum wird in der Regel zwischen zwei und fünf Jahren, wie oben beschrieben, festgelegt. Zudem ist aus den Erfahrungen des Handelsvertreterverhältnisses eine Abwanderungsquote zu bilden. Es ist zu schätzen, in welchem Umfang Kunden jeweils ihre Geschäftsverbindung zum Unternehmer jährlich aufgeben. Diese Abwanderungsquote wird häufig von den Gerichten pauschal zwischen 20 und 30 Prozent festgelegt.
Berechnungsgrundlage bilden nun die Vermittlungs- und Folgeprovisionen, die der Handelsvertreter in den letzten zwölf Monaten seines Vertragsverhältnisses mit von ihm irgendwann einmal neugeworbenen Mehrfachkunden verdient hat. Zu berücksichtigen sind also ausschließlich:
- Vermittlungs- und Folgeprovisionen
- der letzten zwölf Vertragsmonate,
- verdient mit Neukunden,
- die Nachfolgegeschäfte abgeschlossen haben, und
- die voraussichtlich auch nach Vertragsbeendigung weiter Geschäfte abschließen werden.
Anhand des zuvor geschätzten Prognosezeitraums und der festgelegten Abwanderungsquote wird der Provisionsverlust des Handelsvertreters berechnet. Dabei wird für das erste Prognosejahr die Berechnungsgrundlage abzüglich der Abwanderungsquote zugrunde gelegt und damit der Provisionsverlust für das erste Jahr nach Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses bestimmt. Für die folgenden Prognosejahre wird jeweils der für das vorhergehende Prognosejahr berechnete Provisionsverlust erneut um die Abwanderungsquote bereinigt. Die Addition der Ergebnisse der Prognosejahre ergibt dann den gesamten Provisionsverlust.
Nach Berechnung des Provisionsverlustes ist zu beurteilen, ob weitere Billigkeitsgesichtspunkte zu einer Verringerung oder aber auch zu einer Erhöhung des Ausgleichs führen. Billigkeitsgesichtspunkte können aber den Ausgleich nicht über die zuvor festgestellten Unternehmervorteile erhöhen. Insofern stellen sowohl die Unternehmervorteile als auch die Billigkeit selbständige Anspruchsvoraussetzungen dar. Neu ist nach der Gesetzesänderung, dass selbst für den Fall, dass keine Provisionsverluste ermittelt werden können, ein Ausgleich billig erscheinen kann, wenn der Unternehmer erhebliche Vorteile aus der Tätigkeit des Handelsvertreters zieht.
Schließlich ist der so ermittelte Betrag abzuzinsen. Dies ist erforderlich, da dem Handelsvertreter mit dem Ausgleich sein Provisionsverlust für mehrere Jahre in einem Gesamtbetrag zufließt, den er bei weiterer Tätigkeit erst in einem längeren Zeitraum durch monatliche Provisionszahlungen verdient hätte. Die Abzinsung wird nach mathematischen Grundsätzen unter Zuhilfenahme von Multifaktorentabellen (zum Beispiel nach Gillardon) durchgeführt.
2. Höchstbetrag
Dem Handelsvertreter steht aber nicht in jedem Fall der abgezinste Ausgleichsbetrag zu. Der Gesetzgeber hat nämlich einen Höchstbetrag eingeführt. Danach darf der Ausgleich nicht höher sein als eine Jahresdurchschnittsprovision berechnet nach der Tätigkeit des Handelsvertreters in den letzten fünf Jahren. Dieser Höchstbetrag soll den Unternehmer vor zu hohen Ausgleichsansprüchen bewahren und stellt mithin eine Kappungsgrenze dar. Bei einer kürzeren Vertragsdauer als fünf Jahren ist der Ausgleich nach der gesamten Vertragsdauer zu ermitteln.
In die Berechnung des Höchstbetrages sind allerdings sämtliche Provisionen der letzten fünf Jahre einzubeziehen. Es wird also an dieser Stelle nicht unterschieden, ob es sich um Vermittlungs- oder Verwaltungsprovisionen handelt, oder ob sie mit Neu- oder Altkunden verdient worden sind.
Der durch die Prognose ermittelte Ausgleich ist also mit der Jahresdurchschnittsprovision zu vergleichen. Übersteigt er den Höchstbetrag wird er durch ihn begrenzt. Der Handelsvertreter kann den Höchstbetrag von einer Jahresdurchschnittsprovision als Ausgleichsanspruch verlangen. Erreicht der Ausgleich aber die Jahresdurchschnittsprovision nicht, findet eine Kappung nicht statt. Dem Handelsvertreter steht in diesem Fall auch nur der unter dem Höchstbetrag liegende abgezinste Ausgleichsbetrag zu.
3. Berechnungsbeispiel
Der Handelsvertreter hat in den letzten zwölf Monaten seines Vertragsverhältnisses 100.000 € an Provisionen mit von ihm neugeworbenen Mehrfachkunden verdient. Die Abwanderungsquote betrug in der Vergangenheit rund 15 Prozent jährlich. Aufgrund der relativen Beständigkeit der Geschäftsbeziehungen wird der Prognosezeitraum mit vier Jahren festgelegt.
Dem Handelsvertreter ist eine unverfallbare Versorgungszusage mit einem Barwert von 40.000 € gemacht worden.
In den letzten fünf Jahren hat der Handelsvertreter insgesamt Provisionen in Höhe von 550.000 € erhalten.
1. Schritt: Prognoseberechnung
1. Prognosejahr: 100.000,00 € ./. 15 % Abwanderung = 85.000,00 €
2. Prognosejahr: 85.000,00 € ./. 15 % Abwanderung = 72.250,00 €
3. Prognosejahr: 72.250,00 € ./. 15 % Abwanderung = 61.412,50 €
4. Prognosejahr: 61.412,50 € ./. 15 % Abwanderung = 52.200,62 €
270.863,12 €
Billigkeitsabzug: Barwert der Versorgungszusage 40.000,00 €
230.863,12 €
Abgezinst nach Gillardon: 208.849,35 €
Die Prognoseberechnung ergibt mithin einen Ausgleich in Höhe von 208.849,35 €.
2. Schritt: Vergleich mit dem Höchstbetrag
Der Höchstbetrag von einer Jahresdurchschnittsprovision beträgt:
550.000,00 € : 5 Jahre = 110.000,00 €.
Vergleicht man den nach der Prognoseberechnung ermittelte Ausgleichsbetrag mit dem Höchstbetrag so zeigt sich, dass der Ausgleichsbetrag den Höchstbetrag übersteigt. Der Ausgleich wird deshalb durch den Höchstbetrag begrenzt. Der Handelsvertreter kann als Ausgleich gemäß § 89 b HGB einen Betrag in Höhe von 110.000,00 € verlangen.
Unter folgendem Tool können Sie eine Berechnung selbst durchführen: https://www.handelsvertreterausgleich.de/berechnung/
4. Ausschluss des Ausgleichs
Das Gesetz nennt außer der oben bereits dargestellten Eigenkündigung durch den Handelsvertreter zwei weitere Fälle, die den Ausgleich ausschließen. Danach steht dem Handelsvertreter kein Ausgleich zu, wenn der Unternehmer das Vertragsverhältnis aus einem wichtigen Grund, den der Handelsvertreter zu vertreten hat, außerordentlich gekündigt hat. Dem unredlichen Handelsvertreter soll also kein Ausgleich zustehen.
Des Weiteren kann der Handelsvertreter keinen Ausgleich verlangen, wenn aufgrund einer Vereinbarung zwischen dem Unternehmer und dem Handelsvertreter ein Nachfolgevertreter in das Vertragsverhältnis eintritt. Der Gesetzgeber geht davon aus, der Handelsvertreter lasse sich in diesem Fall von seinem Nachfolger einen Ausgleich versprechen, so dass es unbillig wäre, wenn ihm zudem ein Ausgleich vom Unternehmer zustände.
5. Ausschlussfrist des § 89 b Abs. 4 HGB
Der Handelsvertreter muss den Ausgleich innerhalb eines Jahres nach Vertragsbeendigung beim Unternehmer geltend gemacht haben. Versäumt er diese Frist, ist sein Ausgleichsanspruch ausgeschlossen.
Für die Wahrung der Ausschlussfrist reicht es aus, dass der Handelsvertreter vom Unternehmer einen Ausgleich verlangt ohne ihn bereits der Höhe nach zu beziffern. Eine Form für die Anmeldung des Ausgleichs ist nicht vorgeschrieben. Allerdings muss der Handelsvertreter nachweisen können, die Frist eingehalten zu haben. Es empfiehlt sich daher regelmäßig, die Anmeldung mittels Einschreiben mit Rückschein vorzunehmen oder den Zugang vor Ablauf der Frist anderweitig nachweisen zu können.
III. Rechtsberatung
Wegen der zahlreichen, sehr komplexen Rechtsfragen, die mit dem Ausgleichsanspruch zusammenhängen, ist zu empfehlen, die Rechtsberatung eines Anwaltes oder des jeweiligen CDH Landesverbandes in Anspruch zu nehmen, sofern eine Mitgliedschaft besteht. CDH Mitte – Wirtschaftsverband für Handelsvermittlung und Vertrieb Hessen, Thüringen und Rheinland-Pfalz e.V., Geschäftsstelle Frankfurt, Stresemannallee 35-37, 60596 Frankfurt, https://cdh-mitte.de).