Stadtentwicklung in Hamburg
Hafen wird City
2017 wurde die HafenCity 20 Jahre alt. Was 1997 eine kühne Vision war, ist heute ein lebendiger Stadtteil. Inzwischen geht die HafenCity ihrer Fertigstellung entgegen – und Hamburg setzt ernsthaft zum Sprung über die Elbe an.
Vielleicht hatte Bundespräsident Roman Herzog exakt solch ein Vorhaben im Sinn, als er am 26. April 1997 den berühmten "Ruck" einforderte, der durch Deutschland gehen müsse. Nur wenige Tage später, am 7. Mai, überraschte Hamburgs damaliger Erster Bürgermeister Henning Voscherau jedenfalls den Bundespräsidenten und die anderen Gäste im Hamburger Übersee-Club mit einem spektakulären Plan: Die Rückkehr der Stadt an die Elbe in Form eines gänzlich neuen Stadtteils zwischen dem Kaispeicher A und den Elbbrücken. Es war die Geburtsstunde der HafenCity.
Die Voraussetzungen wurden in geheimer Vorarbeit geschaffen
Wo heute schon 5.000 Menschen leben und etwa 15.000 Beschäftigte arbeiten, standen 1997 allerdings noch Kaischuppen, Lagerhallen und ein Kohlekraftwerk. In geheimer Vorarbeit war es einem kleinen Kreis von Eingeweihten um Voscherau und dem Chef des städtischen Hafenbetriebs HHLA, Peter Dietrich, gelungen, die Voraussetzungen für das Projekt zu schaffen. Zum Zeitpunkt der Präsentation im Übersee-Club hatte die Stadt fast alle Grundstücke erworben, und mit einer städtebaulichen Entwurfsskizze von Architekt Volkwin Marg wurde die Vision auch optisch greifbar. Voscheraus Plan ging auf: Bereits im folgenden August gab die Hamburgische Bürgerschaft grünes Licht für die HafenCity.
Die Handelskammer Hamburg begrüßte das Projekt damals als "großen Wurf, mit dem sich Hamburg das Gesicht des 21. Jahrhunderts geben wird". Ihre Anforderungen konkretisierte die Handelskammer im Standpunktepapier "Vision für die Metropole – Leitlinien für die Hafen-City Hamburg (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 9842 KB)". Darin forderte die Handelskammer, die HafenCity als dichtes, gemischt genutztes urbanes Quartier mit maritimer Atmosphäre zu konzipieren und eine leistungsfähige Erschließung durch den ÖPNV zu erstellen. Die Hamburger Wirtschaft hat mit dieser frühzeitigen Positionierung und zahlreichen Ideen zur erfolgreichen Entwicklung der HafenCity beigetragen.
Der Spatenstich für das südliche Überseequartier ist erfolgt
Die HafenCity war von Anfang an als Erweiterung und Ergänzung der bestehenden Innenstadt geplant. Doch sie ist auch eine Konkurrenz. Besonders deutlich wird dies beim südlichen Überseequartier, auf das besonders der City-Einzelhandel skeptisch schaut. Das Einkaufsviertel mit Hotels, Kino und integriertem Kreuzfahrtterminal wird über 68.000 Quadratmeter Verkaufsfläche verfügen – mehr als doppelt so viel wie die innerstädtische Europapassage und 20 Prozent der gesamten Verkaufsfläche in der Innenstadt. Ein Gutachten des Büros GfK Geomarketing rechnet mit Umsatzumverteilungen aus der Innenstadt von 7 Prozent, bei Mode sogar von 9 Prozent.
Jahr 2018 - Stationen der Stadtentwicklung: Skizze der Elbbrücken-Station der U4
© Hochbahn
Jahr 2021 - Stationen der Stadtentwicklung: Skizze vom südlichen Überseequartier
© Unibail-Rodamco/moka-studio
Jahr 2025 - Stationen der Stadtentwicklung: Visualisierung vom Prestigeobjekt Elbtower
© SIGNA Chipperfield
Jahr 2040 - Stationen der Stadtentwicklung: Skizze vom neuen Stadtteil Grasbrook
© HafenCity/Hosoya Schaefer Architects
Damit das südliche Überseequartier zu einem Teil der Innenstadt und zu einem Gewinn für Hamburg wird, besteht aus Sicht des Einzelhandels Handlungsbedarf. "Die heutigen Hauptlagen des Einzelhandels in der Innenstadt müssen durch einen attraktiven Lauf mit der HafenCity verbunden werden", sagt Andreas Bartmann, Präsident des Handelsverbands Nord, der von 2012 bis 2017 in seiner Funktion als Vizepräses der Handelskammer Hamburg auch Vorsitzender des Beirats der HafenCity Hamburg GmbH war. "Dafür müssen die Wege in die HafenCity attraktiv gestaltet werden und entlang der Verbindungen mehr publikumsbezogene Nutzungen entstehen. Der Überwindung der Willy-Brandt-Straße, die bisher als Barriere wirkt, kommt dabei überragende Bedeutung zu", so Bartmann.
Seit 2001 der Spatenstich für das erste Gebäude erfolgte, wurden 80 Bauvorhaben in der HafenCity abgeschlossen. Weitere 61 Projekte sind noch im Bau oder in der Planung. Insgesamt werden nochmals 30.000 Arbeitsplätze und 4.400 Wohnungen hinzukommen. Das spektakulärste Projekt ist der Elbtower. Mit 245 Metern Höhe soll an den Elbbrücken Hamburgs mit Abstand höchstes Hochhaus nach einem Entwurf von David Chipperfield Architects aus London entstehen. Die für die HafenCity typische Mischnutzung wird auch den Elbtower prägen. Der Projektentwickler, die SIGNA Prime Selection AG aus Innsbruck, plant im Elbtower neben Büros und einem Hotel Räume für Ausstellungen und Veranstaltungen, Gastronomie und Läden.
Elbtower und Elbbrücken als Hamburgs Eingangstor
Ambitioniert ist nicht nur die Höhe des Elbtowers, sondern auch das vorgesehene Mietniveau: Mindestens 30 Euro pro Quadratmeter werden nötig sein, um die hohen Bau- und Grundstückskosten wieder einzuspielen – deutlich mehr als die Hamburger Spitzenmiete für Büros von 26,50 Euro bein Start des Projekts. Doch Marktbeobachter sind zuversichtlich: "Durch die gute Konjunktur und das Wachstums Hamburgs bleibt die Nachfrage nach Büroflächen hoch. Dadurch, sowie durch höhere Ansprüche und höhere Bau- und Grundstückskosten werden die Mieten weiter steigen und 30 Euro pro Quadratmeter in vielen Top-Lagen sehr bald erreicht sein. Dabei ist Hamburg auch im nationalen Vergleich beispielsweise zu München, Frankfurt und nun auch Berlin noch günstig, im internationalen sowieso.", sagt Andrea Wende, CEO von Arena Real Estate GmbH & Co. KG. "Der Elbtower wird als Hamburgs höchstes Bürogebäude zudem einmalig. Unternehmen werden daher bereit sein, Spitzenmieten für Spitzenflächen in diesem Objekt zu zahlen", ist Wende überzeugt.
Der Bau des Elbtowers mit einem Investitionsvolumen von 700 Millionen Euro könnte ab Ende 2021 beginnen. Vier oder fünf Jahre später soll der Elbtower eröffnet werden. 2025, spätestens 2030, soll auch die HafenCity fertig sein. Schon jetzt verfolgt die HafenCity GmbH mit der Entwicklung des östlich gelegenen Billebogens ein Projekt außerhalb der HafenCity. Und im September 2017 wurden erneut spektakuläre Pläne vorgestellt. Mit dem Kleinen Grasbrook am Südufer der Elbe soll wieder ein Stück Hafen Stadt werden. 3.000 Wohnungen und 12.000 Arbeitsplätze sollen entstehen.
Tipp: Lesen Sie in der HW, unserem Mitgliedermagazin, ein Interview mit Prof. Jürgen Bruns-Berentelg, Chef der HafenCity Hamburg GmbH, in dem er über die Zukunftspläne spricht.
Sprung über die Elbe: ein neuer Stadtteil auf dem Kleinen Grasbrook
Während vorgesehen ist, das früher als Logistikzentrum genutzte Überseezentrum der HHLA abzureißen, sollen die Hafenbetriebe am angrenzenden O'Swaldkai, abgeschirmt hinter einem Riegel mit gewerblicher Bebauung, langfristig bleiben. Daher kommt auch prinzipielle Zustimmung aus Richtung der Wirtschaft zu den Plänen: "Die Debatte über mögliche neue Nutzungen im Hafen ist grundsätzlich sinnvoll, weil die Stadt wächst und attraktive Flächen für Gewerbe und Wohnen dringend braucht.", machte Johann Killinger, Vizepräses der Handelskammer Hamburg und geschäftsführender Gesellschafter des Hafenunternehmens Buss Group GmbH & Co, KG in einem Statement zu den Plänen deutlich. Im April 2020 wurde der Ideenwettbewerb für die künftige Gestaltung des neuen nachhaltigen Innovationsstadtteils für 6.000 Bewohner und 16.000 Arbeitsplätze entschieden. Dieser Sprung über die Elbe könnte also ein neuer "Ruck" im Herzog'schen Sinne werden.
Hinweis: Die Originalversion dieses Artikels ist zuerst als Beitrag von Markus Nagel und Christoph Färber in der November-Ausgabe 2017 unseres Mitgliedermagazins "HW – Hamburger Wirtschaft" erschienen.