Recht und Steuern

A1 Nr. 101

A1 Nr.101
§§ 1029, 1030, 1040 ZPO n.F., § 319 BGB Abgrenzung Schiedsvereinbarung/Schiedsgutachtenvereinbarung. Schiedsfähigkeit von Streitigkeiten aus Gesellschaftsvertrag. Übertragung von Geschäftsführungsbefugnissen durch Schiedsgericht
Kann laut Gesellschaftsvertrag einer Kommanditgesellschaft ein Gesellschafter der Bestellung eines „geschäftsführenden Direktors” durch einen anderen Gesellschafter widersprechen, und hat über diesen Widerspruch ein nach Art eines Schiedsgerichts zu bestellender und zur Entscheidung berufener „Beirat” endgültig zu entscheiden, so ist das eine Schiedsvereinbarung. Die Kompetenz dieses Beirats ist dann nicht darauf beschränkt, Tatsachen festzustellen oder einzelne Elemente für eine von einer anderen Stelle zu treffende Entscheidung zu klären. Das unterscheidet eine Schiedsvereinbarung von einer Schiedsgutachtenvereinbarung.
Der im Personengesellschaftsrecht geltende Grundsatz der sog. Selbst­organschaft verbietet nicht, Geschäftsführungsbefugnisse durch eine vertragliche Regelung oder durch eine schiedsgerichtliche Entscheidung auf Nichtgesellschafter zu übertragen. Auch über den Umfang dieser Übertragung kann das Schiedsgericht entscheiden, wenn die Parteien es dazu ermächtigt haben.
OLG Hamm Urteil v. 30.3.1998 - 8 U 144/97; Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht 1999 S. 1099 = RKS A 1 Nr. 101
Aus dem Sachverhalt:
Die Parteien sind Gesellschafter einer KG. Die beiden Bekl. sind Kommanditisten und mit jeweils 25 % am Kapital der Gesellschaft beteiligt, während der Kl. als persönlich haftender Gesellschafter eine Beteiligung von 50 % hält. Die Bekl. einerseits und der Kl. andererseits gehören zwei Familienstämmen an. Alle drei Gesellschafter sind im Wege der Erbfolge in ihre Gesellschafterstellungen eingerückt. §10 des Gesellschaftsvertrages von 1949 regelt die Rechtsnachfolge. Danach treten Erben grundsätzlich als Kommanditisten ein. Dem 1949 nach seinem Vater als Komman­ditisten eingerückten Kl. war das Recht eingeräumt worden, mit Vollendung seines 30. Lebensjahres als persönlich haftender Gesellschafter einzutreten, wovon er auch Gebrauch gemacht hat. Für den Fall des Ausscheidens der beiden persönlich haftenden Gesellschafter Dr. S. und B. - beide hatten diese Rechtsstellung 1949 nach dem Tode des Vaters des Kl. erhalten - enthält § 10 III eine besondere Regelung. Danach haben die beiden Familien­stämmen angehörenden Gesellschafter jeweils „den gesellschafts­rechtlichen Anspruch, durch einen persönlich haftenden Gesellschafter mit Vertretungs­befugnis in der Geschäfts­führung vertreten zu sein. Statt dessen kann der betreffende Erbstamm einen geschäfts­führenden Direktor bestellen, der nicht Gesellschafter wird, aber als Vertrauens­mann des Erb­stammes in der Geschäfts­führung tätig ist.”
Der Gesellschaftsvertrag bestimmt weiter, dass der Benennung eines persönlich haftenden Gesellschafters oder eines geschäftsführenden Direktors widersprochen werden kann, wenn wichtige Gründe geltend gemacht werden. Bleibt es bei der Benennung, entscheidet endgültig ein gesondert zu bestellender Beirat. Für diesen Beirat gibt es eine gleichzeitig mit dem neu gefassten Gesellschafts­vertrag am 9.9.1949 getroffene Sonder­vereinbarung, wie der nach dem Gesellschafts­vertrag in bestimmten Fällen nach Art eines Schieds­gerichts zur Entscheidung berufene Beirat zu besetzen ist.
Die Bekl. benannten Herrn E. als geschäfts­führenden Direktor. Dieser Benennung widersprach der Kl., was die Bekl. veranlasste, das gesellschaftsvertraglich vorgesehene Verfahren vor dem Beirat durchzuführen. Nach mündlicher Verhandlung vom 27.11.1996 fasste der Beirat am 18.12.1996 folgenden Beschluss:
„1. Es wird festgestellt, dass Herr E. zum geschäftsführenden Direktor der KG in Firma P. bestellt ist.
2. Herr E. ist geschäftsführungsbefugt i.S.der §§ 114 ff. HGB.
3. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.”
Der Kl. hat beantragt festzustellen, dass Ziffer 2 des Beschlusses unwirksam ist.
Aus den Gründen:
Die Bekl. können sich mit Erfolg auf die Einrede des Schieds­vertrages berufen. Der Beirat, der auf der Grundlage der Sondervereinbarung vom 9.9.1949 in bestimmten, im Gesellschafts­vertrag geregelten Fällen nach Art eines Schiedsgerichts entscheiden soll, ist ein Schieds­gericht i.S.d. §§1025 ff. ZPO. Der Vertrag sieht die Entscheidung dieses Gremiums in zwei Fällen vor, nämlich dem der Abberufung eines geschäfts­führenden persönlich haftenden Gesellschafters aus wichtigem Grund (§ 5) und dem des Wider­spruchs gegen die Bestellung eines geschäfts­führenden Direktors aus wichtigem Grund (§ 10). In beiden Fällen soll der nach Art eines Schieds­gerichts entscheidende Beirat einen Streit der Gesellschafter über das Vorliegen wichtiger Gründe und deren Rechts­folgen (Abberufung als Geschäfts­führer bzw. Unwirksamkeit der Bestellung eines geschäfts­führenden Direktors) entscheiden. Seine Kompetenzen beschränken sich mithin nicht auf die Feststellung von Tatsachen oder die Klärung einzelner Elemente einer noch von anderer Stelle zu treffenden Entscheidung. Darin unterscheiden sich seine Befugnisse von denen eines Schiedsgutachters. Seine Entscheidung soll zudem „endgültig” sein (Sonder­verein­barung vom 9.9.1949). Das lässt die Auslegung zu, dass der Streit der Gesellschafter in den beiden vorstehend bezeichneten Fällen der Prüfung durch die ordentlichen Gerichte entzogen sein soll
Dieser Beirat ist auch nicht ein ständiges, als Organ der Gesellschaft ausgestaltetes und dort mit beratenden Funktionen befasstes Gremium, sondern ein im Einzelfall auf Antrag und in einem vertraglich festgelegten Verfahren zu bildendes Kollegium. Die Bildung dieses Kollegiums - Ernennung je einer Vertrauensperson der streitenden Parteien als Beiratsmitglied, hilfsweise dessen Ernennung durch den Präsidenten der Industrie- und Handelskammer; Benennung des Vorsitzenden auf Vorschlag der beiden Beiratsmitglieder durch den Präsidenten der IHK - entspricht der bei der Besetzung von Schieds­gerichten üblichen Verfahrensweise, die die Entscheidung durch ein möglichst neutrales und unparteiisch entscheidendes Gremium bezweckt.
Richtig ist, dass nach § 10 des Gesellschafts­vertrages der Beirat als Schieds­gericht nur über den Widerspruch gegen die Benennung des geschäfts­führenden Direktors und damit über die Wirksamkeit seiner Bestellung, nicht aber über den Umfang seiner Befugnisse zu entscheiden hat. Der Gesellschafts­vertrag und die Sonder­vereinbarung vom 9.9.1949 enthalten auch keine ausdrückliche Bestimmung darüber, ob der Beirat in eigener Verantwortung prüfen und verbindlich entscheiden darf, ob er zur Entscheidung über den Umfang der Befugnisse des geschäftsführenden Direktors berufen sei (sog. Kompetenz-Kompetenz; vgl. Zöller/Geimer, ZPO 20. Aufl. Rd-Nr. 57 zu § 1025 a.F). Ob die Schieds­verein­barung in der Regel auch die stillschweigende Absprache der Parteien enthält, das Schiedsgericht solle über seine Zuständigkeit selbst entscheiden (so Zöller/Geimer ZPO Rd-Nr. 41 zu § 1041 a.F.), erscheint zweifelhaft (in § 1040 Abs. 1 S. 1 ZPO n.F. ausdrücklich bejaht - Anm. d.Hrsg.).
Im Ergebnis kann dies aber offen bleiben. Denn die Besonderheit dieses Falles besteht darin, dass der Senat in seinem Urteil vom 11.12.1995 den Gesellschaftsvertrag ergänzend dahin ausgelegt hat, dass der in der Art eines Schiedsgerichts entscheidende Beirat auch über den Umfang der Befugnisse des geschäftsführenden Direktors zu befinden hat. Die Bekl. haben sich an dieser Auslegung orientiert und unter Bezug darauf den Antrag entsprechend erweitert. Der Behandlung dieser erweiterten Anträge durch das Schiedsgericht hat der Kl. ausweislich des Tatbestandes des Schiedsspruchs nicht widersprochen, er ist nur den Anträgen in der Sache entgegengetreten. Auch im übrigen wurden gegen die Behandlung dieser Frage durch das Schieds­gericht keine Bedenken geäußert. Demnach waren beide Parteien mit der Entscheidung des Schieds­gerichts auch über den Umfang der Befugnisse des geschäfts­führenden Direktors einverstanden.
Folgt man hingegen der Ansicht des LG, der Beirat habe nicht als Schiedsgericht i.S.d. §§ 1025 ff ZPO, sondern als Schiedsgutachter entsprechend § 319 BGB fungiert, ist die Klage unbegründet. Denn dann kommt es darauf an, ob die Entscheidung des Beirats offenbar unrichtig ist. Dies ist zu verneinen. Die Auffassung des Beirats, der geschäftsführende Direktor habe die umfassenden Befugnisse eines Geschäftsführers i.S.d. §§114ff. HGB, ist nicht offenbar unrichtig. Die Gesellschafter­versammlung kann dem geschäfts­führenden Direktor diese umfassenden Befugnisse übertragen. Der im Personengesellschaftsrecht geltende Grundsatz der sog. Selbst­organschaft verbietet nicht, Geschäfts­führungs­befugnisse auch „umfassend” durch einzel­vertragliche Regelung auf gesellschafts­fremde Dritte zu übertragen. Die Gesellschafter­versammlung und im Streit­fall das Schieds­gericht können den geschäfts­führenden Direktor mit umfassenden Kompetenzen ausstatten (Senatsurteil vom 11.12.1995).