Brandbrief der ostdeutschen IHKn an den Bundeskanzler

Halle (Saale), 2. Februar 2024. Mit einem eindringlichen Apell haben sich die Präsidenten der ostdeutschen Industrie- und Handelskammern (IHKn) jüngst an Bundeskanzler Scholz gewandt. Angesichts der schwindenden Wettbewerbsfähigkeit und des Abrutschens der Wirtschaft in eine Dauerkrise wählten die Präsidenten dabei deutliche Worte. Kritisiert werden „zunehmende, sehr kurzfristig beschlossene Belastungen“ der Wirtschaft, mangelnde Planungssicherheit und eine „verschärfte Unbeständigkeit in den Fragen von Versorgung und Kostenbewältigung für Energie“ die bis heute nicht gelöst seien.
Prof. Dr. Steffen Keitel, Präsident der IHK Halle-Dessau und einer der Mitunterzeichner des Briefes, macht deutlich: „Die Reformunfähigkeit und -unwilligkeit unserer Bundesregierung in zentralen wirtschaftspolitischen Fragen schwächen unseren Wirtschaftsstandort und führen insbesondere in unserem IHK-Bezirk, dem südlichen Sachsen-Anhalt, zu massiven Wohlstandsverlusten. Im letzten Jahr schrumpfte die sachsen-anhaltische Wirtschaft bereits erheblich aufgrund der extrem angespannten Lage in unserer Industrie, die eine direkte Folge der ideologischen und kurzsichtigen Energiepolitik des Bundes ist. Und das hat auch langfristige Auswirkungen“, so Keitel. Denn die Unternehmen im IHK-Bezirk würden nicht nur weniger produzieren, sie hätten auch das Investieren nahezu eingestellt. „Ohne Investitionen gibt es aber keine Innovationen, keine Transformation und erst recht kein Wirtschaftswachstum in der Zukunft“.
Im Brandbrief listen die IHK-Präsidenten eine ganze Reihe von verschleppten Reformen auf: Der fehlende Abbau bürokratischer Belastungen, die steigenden Sozialleistungen, die fehlende Technologieoffenheit in der Energiepolitik, die hohen Steuern, Abgaben und Arbeitskosten seien nur einige „Brandherde“. Deshalb auch das ernüchternde Fazit der Präsidenten: „Das desolate Bild der Bundesregierung in der Öffentlichkeit und die aufgeheizte Stimmung im ganzen Land sind hausgemacht und, nicht zuletzt mit Blick auf die anstehenden Wahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg, Wasser auf die Mühlen extremer Kräfte. Das bereitet uns große Sorgen.“
Die desolaten wirtschaftspolitischen Rahmenbedingen werden aber nicht nur von den ostdeutschen IHKn kritisiert: Auch die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) sowie weitere Spitzenverbände der Wirtschaft adressierten am 30. Januar 2024 ebenfalls Bundeskanzler Scholz und mahnen dringend Reformen an, um die Volkswirtschaft wieder auf Kurs zu bekommen.
„Einen offenen Brief zu verfassen ist sicherlich kein gewöhnliches Mittel, sondern eher die Ultima Ratio in der Interessenvertretung der IHKn“ so IHK-Präsident Keitel zum Brandbrief. „Aber wie wir auch in diesem Brief unterstrichen haben: Es findet seitens der Bundesregierung ein beispielloses ‘Entscheiden ohne Einbinden’ statt“. Aufgelöst werden könne diese Dauerkrise aber nur gemeinsam. „Für die konstruktive Bewältigung der Probleme und einen offenen Dialog steht die IHK-Organisation jederzeit bereit – es muss aber auf der anderen Seite auch jemand sitzen, der zuhören will.“ sagt Keitel abschließend.