Mehr Optimismus trotz hohem Kostendruck
Halle (Saale)/Magdeburg, 9. August 2023. Das sachsen-anhaltische Gastgewerbe ist optimistisch in die Saison gestartet, bleibt jedoch angesichts der Kostenentwicklung besorgt. Laut der aktuellen Saisonumfrage der Landesarbeitsgemeinschaft der Industrie und Handelskammern Halle-Dessau und Magdeburg (LAG) beträgt der durchschnittliche Geschäftsklimaindex der Branche 138 Punkte.
Kostensteigerungen trüben die Aussichten
„Von einer guten Geschäftslage berichten ca. ein Drittel der befragten Betriebe, mehr als die Hälfte schätzten sie als befriedigend und lediglich 14 Prozent als schlecht ein. Damit hat sich die Lage im Gastgewerbe aufgehellt und das vermeintlich historische Tief des letzten Jahres scheint überwunden. Doch Entwarnung kann hier noch nicht gegeben werden Denn nach wie vor sind Rückgänge nicht nur bei den Geschäftsreisenden, sondern ebenfalls bei Einheimischen und Urlaubsgästen zu verzeichnen. Nicht zuletzt bereitet die Kostenexplosion den Unternehmen Kopfzerbrechen“, erklärt Antje Bauer, Geschäftsführerin für Starthilfe und Unternehmensförderung der IHK Halle-Dessau.
Dies zeige sich auch bei den heterogenen Geschäftserwartungen für die Sommersaison 2023, ergänzt Susanne Eva Dörrwand, Geschäftsführerin Handel, Tourismus, Dienstleistungen und Unternehmensförderung der IHK Magdeburg: „Zwar gehen 20 Prozent aller Befragten von besseren Geschäften aus, genauso viele aber von schlechteren. Die Mehrheit erwartet eine gleichbleibende Größenordnung.“ Während ein Drittel der befragten Unternehmen Umsatzzuwächse registrieren konnte, musste ein Viertel Rückgänge hinnehmen. „Schon vor dem Hintergrund der weiter steigenden Ausgaben kann hier keine Euphorie aufkommen. Gerade die hohen Energiepreise gehören für 81 Prozent der befragten gastgewerblichen Unternehmen zu den größten Risiken für ihre wirtschaftliche Entwicklung. 76 Prozent sehen gestiegene Lebensmittel- und Rohstoffpreise als problematisch an, für 59 Prozent sind es der Fachkräftemangel und für 53 Prozent die hohen Arbeitskosten“, so Dörrwand.
Personal halten, Investitionen zurückstellen
Trotz wachsender Lohnkosten möchten laut Befragung rund drei Viertel der gastgewerblichen Unternehmen ihren Personalbestand stabil halten, neun Prozent wollen aufstocken. Um die angestiegenen Kosten im Griff zu behalten, seien bei 62 Prozent der Firmen Preissteigerungen geplant – auch wenn die Preise bereits in der Vorsaison angepasst wurden. „Der Teufelskreis, in dem das Gastgewerbe steckt, ist nicht durchbrochen. Konsumzurückhaltung trifft auf Preissteigerungen und in den Unternehmen herrscht große Unsicherheit, was die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen betrifft. Sprunghafte politische Entscheidungen und damit einhergehende fehlende Planungssicherheit treiben das Gastgewerbe um“, so Bauer. Auch wenn 41 Prozent der Befragten momentan keine negativen Auswirkungen auf ihre Finanzlage verzeichnen, sei die finanzielle Situation der Branche immer noch geprägt von Eigenkapitalrückgängen (37 Prozent), Liquiditätsengpässen (22 Prozent) sowie erschwertem Zugang zu Fremdkapital (acht Prozent). Die gegenwärtige Lage mache es für fast ein Drittel der Befragten sogar unmöglich, ihre Umsatzentwicklung für das laufende Geschäftsjahr einzuschätzen.
Der Geschäftsklimaindex des Gastgewerbes für Sachsen-Anhalt befindet sich wieder im Aufwärtstrend. Der Index, der sich aus der aktuellen Geschäftslage und den Erwartungen an die nächste Saison zusammensetzt, beträgt 141 Punkte in der Beherbergung und 135 Punkte in der Gastronomie. Grafik: IHK-Saisonumfrage Tourismus Frühjahr 2023
Die Ergebnisse im Einzelnen
Das Beherbergungsgewerbe schätzt seine Geschäftslage in der abgelaufenen Wintersaison 2022/2023 positiv ein. Der Saldo steigt um 45 Punkte gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Die Umsatzentwicklung gegenüber dem Vorjahr liegt per Saldo ebenso im positiven Bereich (plus 14 Punkte). Ein Drittel der Befragten meldet Umsatzsteigerungen. Dennoch ist die aktuelle Finanzlage bei
einem Drittel der Unternehmen von Eigenkapitalrückgängen und bei knapp einem Viertel von Liquiditätsengpässen geprägt. Wirtschaftliche Risiken sehen die Befragten in den hohen Energiekosten (78 Prozent), den gestiegenen Lebensmittel- und Rohstoffkosten (68 Prozent), jeweils etwa die Hälfte der Hoteliers im Fachkräftemangel und in den hohen Arbeitskosten sowie den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Wirtschaftspolitisch kritisiert die Branche die Planungsunsicherheit, die aktuelle politische Entwicklung, die Preis- sowie Klimapolitik. Zusätzlich verschärft laut Umfrage die hohe Inflation das unternehmerische Risiko.
Über ein Drittel (37 Prozent) der Gastronomen bewertet seine Geschäftslage in der Wintersaison 2022/2023 als gut. Ein Drittel der Befragten meldet gestiegene Umsätze gegenüber der Vorjahressaison. Die Gastronomie blickt verhalten optimistisch in die Sommersaison (Saldo plus 4 Zähler). 65 Prozent der Gastronomen müssen aufgrund hoher bzw. steigender Kosten weitere Preiserhöhungen vornehmen. Die aktuelle Finanzlage führt bei 41 Prozent der gastgewerblichen Unternehmen zu Eigenkapitalrückgängen und bei knapp einem Viertel zu Liquiditätsengpässen. Das Hauptrisiko für die wirtschaftliche Entwicklung sehen die Befragten in den hohen Lebensmittel- und Rohstoffpreisen (86 Prozent). Zudem werden die gestiegenen Energiepreise (85 Prozent), Fachkräftemangel (66 Prozent) und hohe Arbeitskosten (56 Prozent) als große Risiken eingestuft. Knapp die Hälfte der Gastronomen nimmt die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen als unternehmerisches Risiko wahr. Hier werden speziell das Auslaufen der Mehrwertsteuer-Senkung für die Gastronomie Ende 2023, zu hohe Betriebskosten, die Preisentwicklung und sprunghafte politische Entscheidungen benannt. 74 Prozent der Befragten versuchen, ihren Mitarbeiterbestand zu halten, 19 Prozent melden abnehmende Beschäftigungszahlen und sieben Prozent planen, Personal neu einzustellen.
Vor-Corona-Werte erreichen erstmals wieder die sachsen-anhaltischen Reisebüros und -veranstalter: 58 Prozent der Befragten melden eine gute Geschäftslage. Die Hälfte verzeichnet zudem gestiegene Umsätze. Hierfür verantwortlich sind hauptsächlich Umsätze durch Urlaubsreisebuchungen. Rückläufig sind nach wie vor Umsätze durch Geschäftsreisen. Mit einer guten Sommersaison rechnen 37 Prozent der Unternehmer, die jedoch von steigenden Preisen begleitet wird (83 Prozent). Die aktuelle Finanzlage ist bei 29 Prozent der Befragten in der Reisebranche durch Eigenkapitalrückgang und bei 16 Prozent durch Liquiditätsengpässe geprägt. Wirtschaftliche Risiken für die Entwicklung des eigenen Unternehmens sehen die befragten Reisebüros, Reisemittler und -veranstalter in den hohen Energie- und Rohstoffpreisen (61 Prozent) und in den wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen (74 Prozent). Hier kritisiert die Branche vor allem die Planlosigkeit der Regierung, steigende Kerosinkosten und die Klimapolitik. Die zunehmenden Konflikte in der Welt und Kaufzurückhaltung aufgrund der Inflation erschweren darüber hinaus die Geschäfte.
Hintergrund
Die Saisonumfrage Tourismus ist ein gemeinsames Projekt der Landesarbeitsgemeinschaft der Industrie- und Handelskammern in Sachsen-Anhalt, welche die Interessen von rund 100.000 Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft des Bundeslandes vertritt, und wird zweimal jährlich durchgeführt. Die vorliegende Untersuchung nimmt den Zeitraum zwischen 1. November 2022 und 30. April 2023 in den Fokus und stützt sich auf 242 Antworten von 700 befragten Unternehmen, davon 193 aus dem Gastgewerbe (Beherbergung und Gastronomie) und 49 aus dem Reisebüro- und Reiseveranstaltersektor.