23 konkrete Vorschläge für mehr Tempo bei Ansiedlungen

Halle (Saale), 23. März 2023. Die Vollversammlung der Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau (IHK) mahnt in ihrer Frühjahrssitzung mehr Realitätssinn und Augenmaß in der deutschen Klima- und Umweltpolitik an.
Die gewählte Interessenvertretung von 54.000 Firmen im Süden Sachsen-Anhalts legt unter anderem einen Katalog mit 23 konkreten Vorschlägen vor, um immissionsschutzrechtliche Planungs- und Genehmigungs­verfahren zu beschleunigen. Das Bundesimmissionsschutzgesetz soll die Bevölkerung vor schädlichen Umwelteinflüssen bewahren. „Grundsätzlich ein gutes Ziel“, so IHK-Präsident Prof. Dr. Steffen Keitel, der aber kritisiert, die konkreten Regeln des Gesetzes seien teilweise „viel zu kompliziert“, so dass viele Genehmigungsverfahren unnötig lange dauerten: „Dringend benötigte Industrieansiedlungen ziehen sich so oft jahrelang hin, Infrastrukturprojekte sogar über Jahrzehnte – das wirft unsere Region zurück!“ Die in den IHK-Gremien aktiven Unternehmer hätten deshalb praxisorientierte Maßnahmen ausgearbeitet, wie die Verfahren beschleunigt werden könnten. Ein Weg dorthin sei die Digitalisierung: „Es muss Schluss sein mit Aktenordnern in bis zu 16-facher Ausfertigung“, betont Prof. Keitel.
Konkret schlägt die IHK zahlreiche organisatorische Verbesserungen vor: Die Behörden bräuchten qualifiziertes Personal und dessen Bereitschaft, vorhandene Ermessensspielräume auch tatsächlich auszuschöpfen und im Sinne des Antragstellers zu nutzen. Zudem seien klare Fristenregelungen erforderlich und auch einzuhalten. Den Gesetzgeber fordert die IHK-Vollversammlung unter anderem auf, die Vorgaben im Natur- und Artenschutz zu präzisieren sowie die Einspruchsregeln gegen Genehmigungen „lebensnah“ zu ändern: „Was etwa beim Bau von LNG-Terminals möglich ist, sollte auch für andere Anlagen gelten“, fordert IHK-Präsident Prof. Keitel.

Die Vorschläge der IHK-Vollversammlung im Einzelnen

Mit organisatorischen Verbesserungen Zeit gewinnen!

1. Personalengpässe in den Genehmigungsbehörden beseitigen, gut qualifizierten Beschäftigten größere Ermessensspielräume geben.
2. Digitalisierungsoptionen nutzen, das heißt: Anträge online und nicht mehr in vielfacher Ausfertigung, dennoch den Datenschutz einhalten.
3. Verzug in der Behördenbeteiligung beheben: Wenn angefragte andere Ämter nicht fristgerecht antworten, darf das Verfahren nicht stocken.
4. Die gesetzlich vorgegebenen Fristen einhalten – verlängerte Verfahren sollten die Ausnahme und nicht (mehr) die Regel sein.
5. Vollständigkeit der Unterlagen zügig prüfen, mögliche Defizite umfassend feststellen und so mehrfache Nachforderungen vermeiden.
6. Klare Zuständigkeitsregelungen schaffen (mit dem erklärten Ziel, die Verfahrensabwicklung effizient und zügig zu gestalten).
7. Das Instrument der Teilgenehmigung nutzen, damit mögliche Investoren schon mit ersten Projektschritten loslegen können.
8. „Vorzeitiger Maßnahmenbeginn“: Unter bestimmten Voraussetzungen sollte ein Investor – auf eigenes Risiko – vorab loslegen dürfen.
9. Sogenannte Erörterungstermine nur noch bei Bedarf anberaumen, diese Rücksprache bringt erfahrungsgemäß selten neue Erkenntnisse.
10. Weitere Optimierungsmöglichkeiten nutzen: So könnte beispielsweise ein neues „Genehmigungsreferat“ im Landesverwaltungsamt helfen.
11. Einen aktuellen Genehmigungsleitfaden zur Verfügung stellen, das würde den Antragstellern helfen, Fehler zu vermeiden.

Über Gesetzesänderungen die Grundlagen schaffen …

12. Das Antrags- und Genehmigungsverfahren vollständig digitalisieren und standardisieren, damit verschiedene Ämter parallel prüfen können.
13. Eine klare Fristenregelung für erforderliche Stellungnahmen und Zulassungen anderer Ämter und Behörden treffen: maximal ein Monat.
14. Umfang der Umweltverträglichkeitsprüfung reduzieren und beispiels-weise eine Bagatellschwelle für kleinere Vorhaben einführen.
15. Ein Umweltkataster aufbauen, in dem Daten über Flora und Fauna, Gewässer- oder Luftzustände schneller abrufbar sind.
16. Bundeseinheitliche Standards im Natur- und Artenschutz würden die Rechtssicherheit erhöhen, Aufwand und Dauer der Prüfung reduzieren.
17. Das Verbandsklagerecht neu ausgestalten: Ausufernde Klagen sollten begrenzt werden, ein Klagerecht für Unbeteiligte darf es nicht geben.
18. Eine europarechtskonforme Präklusionsregelung einführen: Wenn eine Frist versäumt wird, sollte keine Klage mehr möglich sein.
19. Eine Stichtagsregelung, wie lange Dokumente bei neuer Rechtslage nachzureichen sind, sollte nicht nur für erneuerbare Energien gelten.
20. Juristisch sollten die Fachsenate der Verwaltungsgerichte entscheiden, bei industriellen Großvorhaben die Oberverwaltungsgerichte.
21. Umfang und Detailtiefe der erforderlichen Angaben hat deutlich zugenommen. Es sollte möglich sein, Unterlagen nachzureichen.
22. Flexibilisierung von Genehmigungen ermöglichen: Behörden sollten statt detaillierter Vorgaben nur einzuhaltende Parameter festlegen.
23. Die Novelle der neuen EU-Industrieemissionsrichtlinie sollte beschleunigte Verfahren und nicht erweiterte Anforderungen bringen.