Fachkräftesicherung im ländlichen Raum

Zum gemeinsamen Austausch haben sich am Mittwoch, den 8. Mai 2024, 75 Unternehmerinnen und Unternehmer auf den Weg nach Zeitz in die Alte Nudelfabrik gemacht. Die Industriebrache wurde 2017 von dem Unternehmensberater und Heidelberger Investor Matthias Mahnke und seiner Frau gekauft und zu einem Zentrum für modernes Arbeiten und als digitale Kreativstätte entwickelt.
Wird die Nudelfabrik, die sich mitten im Industriegebiet von Zeitz befindet, sonst als Zentrum für Künstler, für Entertainment-Erlebnisse mit VR-Brillen oder als Fläche an Firmengruppen für Strategiebesprechungen und Workshops vermietet, konnte sie nun auch als Vernetzungsort für eine Vielzahl regionaler und überregionaler Unternehmerinnen und Unternehmer genutzt werden.
„Generation Z – zwischen Allmacht und Ohnmacht“, so beginnt Frau Prof. Dr. Antje-Britta Mörstedt ihren Vortrag zum Thema Fachkräftesicherung. Die Teilnehmer dieser Veranstaltung lauschen gespannt den Ausführungen der Professorin der Hochschule Göttingen. Und auch wenn über viele Aussagen der Referentin geschmunzelt oder zum Teil auch lauthals gelacht wird, erkennen sich doch viele der Besucher in ihren eigenen Verhaltens- und Erziehungsweisen wieder. Wenn sie davon spricht, dass Instagram, TikTok und der Griff zum Smartphone so normal, wie die Tasse Kaffee am Morgen ist, müssen die meisten kopfnickend zustimmen.
Fr. Prof. Mörstedt spricht von entwicklungsscheuenden Jugendlichen und Helikoptereltern aus der Generation Baby Boomer, also 1950 – 1964 Geborene. „Die Anregung zum Perspektivwechsel ist gut. Wir müssen uns mehr auf die Bedürfnisse unseres Gegenübers einstellen, dann lernen wir zu verstehen, wie wir miteinander umgehen sollten.“ Christoph Hansel ist Chef der Infra-Zeitz Servicegesellschaft mbH und sieht auch im Chemiepark Zeitz einen einschneidenden demografischen Wandel kommen.
„Der Austausch zwischen den Personalern der Firmen fand bereits vor mehreren Jahren regelmäßig statt und wurde durch die Gleichstellungsbeauftragte des Burgenlandkreises organisiert. Solche Plattformen zu verschiedensten Themen brauchen wir als Unternehmer, um uns auszutauschen und gegenseitig voneinander zu profitieren. Wir freuen uns, dass diese Initiative nun erneut von der Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau und dem Burgenlandkreis aufgegriffen und diese Auftaktveranstaltung organisiert wurde.“ Jenifer Kaiser ist Personalerin der Kaufland Dienstleistung Mitte GmbH & Co. KG und kämpft wie viele andere Firmen im ländlichen Raum um Arbeitskräfte und Nachwuchs. Dabei spielen mehr und mehr die Angebote und zusätzlichen Leistungen, die ein Unternehmen seinen Mitarbeitern machen kann, eine Rolle. „Es ist weniger das Geld, was die Arbeitskräfte lockt, sondern mehr die Atmosphäre im Unternehmen. Work Life-Balance spielt bei vielen jungen Menschen eine entscheidende Rolle,“ so Candy Tangermann, Betriebsleiterin der ELMA Maschinenbau GmbH in Zeitz.
Solche Arbeitsatmosphären zu kreieren und neben dem eigentlichen Betrieb soziale Kontakte mit den Mitarbeitern aufzubauen, stellt die Unternehmer vor große Herausforderungen. Einige Lösungsansätze und Möglichkeiten dafür erfahren die Teilnehmer der Veranstaltung an diesem Vormittag über drei Themenlounges. Hier stellen sich die Initiative für Neue Qualität der Arbeit, das Zukunftszentrum Digitale Arbeit sowie Fachkraft im Fokus vor und erarbeiten gemeinsam mit den Teilnehmern Strategien zur Mitarbeitergewinnung und -bindung. Letztgenannte organisiert zusätzlich das Welcome Center Sachsen-Anhalt, welches Menschen aus dem Ausland bei ihrem Start in Sachsen-Anhalt unterstützt und berät. Vanessa Adloff stellt die kostenfreie Stellen- und Fachkräftebörse für Unternehmen vor, in der Angebote weltweit veröffentlicht und ausländische Arbeitskräfte gefunden werden können. „Insbesondere ausländische Fachkräfte müssen auch sozial integriert werden, bspw. in Vereinen, um in der Regionen Fuß zu fassen.“ Für den Aufbau einer Willkommenskultur und von Maßnahmen, die zum Unternehmen passen, berät die Initiative fachkundig.
Den Abschluss dieses Vormittags bildet Dr. Tim Leibert, Projektleiter der Forschungsgruppe „Mobilities and Migration“ am Leibnitz-Institut für Länderkunde mit dem Statement „Integration ist keine Einbahnstraße und kein Sonntagsspaziergang!“ Er stellt das Interreg Europe Projekt MILEstone vor, welches zur Förderung der Arbeitsmarktintegration von Nicht-EU-Bürgern sowie des Unternehmergeistes beiträgt und damit auch den Austausch mit anderen europäischen Ländern unterstützt. Über die Frage, ob internationale Zuwanderung als Chance gesehen werden sollte oder alternativlos ist, konnten die 75 Teilnehmenden im Anschluss noch reichlich diskutieren. Die Auftaktveranstaltung zur wiederbelebten Arbeitsgemeinschaft kann als überaus gewinnbringend zusammengefasst werden. So erklärten sich bereits zahlreiche Akteure bereit, auch die Folgeveranstaltungen zu besuchen und weiter gemeinsam an den besprochenen Themen zu arbeiten und Lösungen zu finden. Denn der demografische Wandel insbesondere im ländlichen Raum wird sich in naher Zukunft weiter verschärfen, da sind sich alle Anwesenden einig.
Die Veranstaltungsreihe setzt sich am 29. August 2024 in Naumburg sowie am 28. November 2024 in Weißenfels fort. Auch für 2025 sind bereits 3 Veranstaltungen geplant.