Krankmeldung nach Kündigung nicht unbedingt verdächtig
Allein der Umstand, dass sich ein Arbeitnehmer nach einer Kündigung exakt bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses krankmeldet, nimmt einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU-Bescheinigung) noch nicht den Beweiswert, vielmehr komme es auf die zeitliche Abfolge an. Dies hat das Landesarbeitsgericht Niedersachsen (LAG) im Fall eines Arbeitnehmers entschieden, der bei einer Zeitarbeitsfirma beschäftigt war.
Der Arbeitnehmer hatte sich arbeitsunfähig krankgemeldet, nachdem er mehrere Wochen nicht eingesetzt worden war. Einen Tag später ging ihm die Kündigung zum Monatsende zu. In der Folge legte der Arbeitnehmer zwei weitere AU-Bescheinigungen vor, die ihn bis exakt zum Ende des Arbeitsverhältnisses als krankgeschrieben auswiesen.
Die gegen Lohnverweigerung erhobene Klage des Arbeitnehmers hatte Erfolg: Nach Ansicht des LAG komme der AU-Bescheinigung ein hoher Beweiswert zu. Die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Erschütterung der Beweiskraft einer AU-Bescheinigung käme vorliegend auch nicht zum Tragen, da die Krankschreibung des Arbeitnehmers der Kündigung durch den Arbeitgeber zeitlich vorausgegangen sei. Der Arbeitnehmer könne also durch die Kündigung nicht zur Krankmeldung motiviert worden sein, so das LAG. Zudem habe es insgesamt drei AU-Bescheinigungen gegeben und nicht nur eine einzige. Dass der Arbeitnehmer einen Tag nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses wieder arbeitsfähig war und woanders zu arbeiten begonnen habe, reiche für die Erschütterung des Beweiswertes der AU nicht aus.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Das LAG hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassen.
LAG Niedersachsen, Urteil vom 8. März 2023, Az.: 8 Sa 859/22.