Rechnen, schauen und einfach trauen

An einem Sonntag im November 2022 biegt Florian Langenberg das erste Mal auf die Hallesche Straße ein. Mittendrin in der liebevoll sanierten Altstadt, das Schloss und alle fünf Kirchen in Sichtweite, liegt der Laden, den er ansteuert. Karin Wenger sucht zum Jahreswechsel einen Nachfolger für ihr Geschäft „Kreso – Kreative Sortimente“, will es in guten Händen wissen. Fast 30 Jahre stand sie hier hinter der Ladentheke und machte mit auserlesenen Schokoladen, mit Kaffee-, Tee-, Spirituosen- und Gebäckspezialitäten sowie kreativen Geschenken viele Kunden glücklich.

Mit 60 soll für sie Schluss sein, aber auf keinen Fall für das Geschäft. Die Suche nach einem Nachfolger ist schwierig. Bis sich Karin Wenger und Florian Langenberg treffen. Da stimmt die Chemie sofort. Auch das, weiß der 35-jährige Thüringer, gehört dazu. Langenberg arbeitet 2022 noch bei der Stadtverwaltung Erfurt und hat mehrere Ausbildungen in der Tasche: Facharbeiter für Lagerlogistik, Kaufmann, Lokführer. Sein größter Wunsch aber ist die Selbstständigkeit. Ganz gezielt sucht er im Internet nach einem bestehenden Geschäft, das er übernehmen könnte, und findet die Annonce vom Lädchen aus Köthen. Übergabewillige Senior-Unternehmerinnen und -Unternehmer inserieren etwa in der bundesweiten Online-Börse nexxt-change, mit der die IHK kooperiert. Nach den ersten Telefonaten macht er sich später auf in die Bachstadt. Das Geschäft gefällt ihm, dann geht alles ziemlich schnell.

Und vor allem reibungslos. Alt- und Neuinhaber machen gemeinsam Inventur, einigen sich auf Laden- und Warenwert. Florian Langenberg nimmt einen Kredit auf, eröffnet ein Geschäftskonto, erledigt alle An- und Ummeldungen. Am 1. März 2023 übernimmt er ganz offiziell das Geschäft mitsamt den beiden Mitarbeitern: „Laden und Konzept funktionieren, warum sollte ich da etwas ändern?“ Vielleicht, weil auch Köthen wie viele Städte mit ähnlichen Problemen zu kämpfen hat: knappe Kassen, abwandernde Bevölkerung, nach Corona gebeutelte Innenstädte? Ist es da nicht ein Risiko, ein Geschäft zu übernehmen?

Der Noch-Thüringer verweist auf die eigene Familiengeschichte. Generationen seien selbstständig gewesen. Im Rattanmöbel-Geschäft der Eltern sei er praktisch groß geworden. Er weiß genau, worauf er sich einlässt und was auf ihn zukommt. „Rechnen, schauen und dann einfach trauen“, sagt Florian Langenberg. Und außerdem ist da auch noch die Überzeugung: „Alle Krisen haben gezeigt, dass die Leute zu allerletzt auf Süßes verzichten.“ Mit der Selbstständigkeit verbindet Langenberg vor allem die Freiheit, eigenverantwortlich Entscheidungen treffen zu können. Dazu gehören auch die nächsten Schritte: Mit Frau und Kind zieht er demnächst nach Sachsen-Anhalt. Für die Stamm- und Laufkundschaft wird der dann Neu-Köthener die Produktpalette etwas erweitern. Und über einen schrittweise aufzubauenden Onlineshop im Idealfall neue Kunden mit Schokolade glücklich machen. Der berühmte Sohn der Stadt, Johann Sebastian Bach, hätte es wohl so ausgedrückt: „Alles, was man tun muss, ist, die richtige Taste zum richtigen Zeitpunkt zu treffen.“