Steuerpolitik

Wachstumschancengesetz

Update 22.März 2024: 
Auch der Bundesrat hat dem Wachstumschancengesetz (WtcG) am heutigen Freitag, dem 22. März 2024 nach monatelanger Debatte zugestimmt. Obwohl das Gesetz in seiner entlastenden Wirkung im Vergleich zum ursprünglichen Regierungsentwurf aus dem Sommer 2023 mehr als halbiert wurde, sind die beschlossenen Entlastungen zumindest ein Schritt in die richtige Richtung. Das Gesetz sollte aus Sicht der Unternehmen jedoch der Auftakt für eine grundsätzliche Neuausrichtung der Finanz- und Wirtschaftspolitik sein.
Eine DIHK-Analyse des Wachstumschancengesetzes finden Sie hier.
Update 24. November 2023:
Der Bundesrat lehnt das Wachstumschancengesetz wegen der unfairen Verteilung der Kosten zwischen Bund, Länder und Kommunen ab und ruft den Vermittlungsausschuss an. 

Überblick

Der Deutsche Bundestag hat am 17. November 2023 in 2./3. Lesung das "Gesetz zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness" (kurz: Wachstumschancengesetz) angenommen. Das Gesetz basiert auf dem Regierungsentwurf der Bundesregierung vom 30. August 2023, wobei jedoch noch verschiedene Anpassungen aufgrund von Beschlussempfehlungen des Finanzausschusses des Deutschen Bundestags vom 15. November 2023 erfolgt sind.
Das Gesetzgebungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen. Ergebnisse der abschließenden Beratung im Bundesrat werden noch im November erwartet. Über Änderungen informieren wir Sie hier.
Der am 30. August 2023 beschlossene Regierungsentwurf für das Wachstumschancengesetz entsprach in großen Teilen dem früher vom Bundesfinanzministerium (BMF) veröffentlichten Referentenentwurf (Stand 14. Juli 2023), zum Teil gab es auch Abweichungen.

Ziele und Maßnahmen:

Der vom Deutsche Bundestag beschlossene Gesetzentwurf enthält eine Reihe von vorgeschlagenen Maßnahmen, die das Ziel haben,
  • Impulse für mehr Wachstum, Investitionen und Innovationen zu setzen.
  • Zudem sollen unter anderem auch für kleine und mittlere Unternehmen Steuervereinfachungen umgesetzt werden.
Ferner sollen mit dem Gesetz Maßnahmen ergriffen werden, die dazu beitragen, unerwünschte Steuergestaltungen aufzudecken und abzustellen und damit das Vertrauen in den Staat stärken.
Hervorzuheben sind insbesondere die folgenden vorgesehenen Maßnahmen (Auswahl):

Einkommen- bzw. Gewerbesteuer

  • Verbesserungen beim einkommensteuerlichen Verlustrücktrag nach § 10d EStG. Ein Verlustrücktrag ist temporär für die Jahre 2024 und 2025 in Höhe von 10 Mio. Euro (bzw. 20 Mio. Euro bei Zusammenveranlagung) vorgesehen. Ab 2026 soll der Verlustrücktrag dann 5 bzw. 10 Mio. Euro betragen. Die geplanten Verbesserungen beim Verlustrücktrag gelten grundsätzlich auch für die Körperschaftsteuer. Im ursprünglichen Regierungsentwurf war eine dauerhafte Erhöhung vorgesehen.
  • Befristete Verbesserung beim einkommensteuerlichen Verlustvortrag nach § 10d EStG: Für die Jahre 2024 bis einschließlich 2027 soll die Prozentgrenze, bis zu der Verlustvorträge oberhalb von 1 Mio. Euro verrechnet werden dürfen, vorübergehend auf 75% (statt bisher 60%) angehoben werden. Ursprünglich waren 80% anstelle der 75% vorgesehen. Die geplanten Verbesserungen beim Verlustvortrag gelten grundsätzlich auch für die Körperschaftsteuer sowie für die Gewerbesteuer (§ 10a GewStG).
  • Befristete Wiedereinführung der degressiven AfA für bewegliche Wirtschaftsgüter. Dies ist eine wesentliche Neuerung des Regierungsentwurfs. Für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die ab dem 1.10.2023 und vor dem 1.1.2025 angeschafft oder hergestellt werden, ist eine befristete Wiedereinführung der degressiven AfA von bis zu 25%, maximal dem 2,5-fachen der linearen Abschreibung, vorgesehen.
  • Befristete Einführung einer degressiven AfA für Wohngebäude mit 6% mit Baubeginn ab 1.10.2023 befristet auf 6 Jahre.
  • Änderung an der Sonderabschreibung für Mietwohnungsneubau gem. § 7b EStG: Verlängerung des Anwendungszeitraums sowie Anhebung der Grenze für Anschaffung und Herstellungskosten sowie der Bemessungsgrundlage (Änderung wurde mit Beschlussempfehlung vom 15.11.2023 eingebracht).
  • Anhebung der GWG-Grenze auf 1.000 Euro
  • Anhebung der Betragsgrenzen für Sammelposten auf 5.000 Euro für Wirtschaftsgüter, die nach dem 31.12.2023 angeschafft, hergestellt oder in das Betriebsvermögen eingelegt werden. Gleichzeitig wird die Zeitspanne für die Auflösung dieser Sammelposten auf 3 Jahre verkürzt.
  • Geplant ist eine Erhöhung der Sonderabschreibung auf 50% der Investitionskosten für bewegliche Wirtschaftsgüter, die nach dem 31.12.2023 angeschafft oder hergestellt werden (§ 7g EStG).
  • Änderungen bei der Thesaurierungsbegünstigung (§ 34a EStG). Entnahmen, um Steuerzahlungen zu begleichen (Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag, Gewerbesteuer) sollen zukünftig steuerlich begünstigt werden. Damit soll künftig ein höheres Thesaurierungsvolumen zur Verfügung stehen. Entgegen des Regierungsentwurfs soll die Änderung bereits ab 2024 gelten.
  • Anhebung der Freigrenze für Geschenke von 35 Euro auf 50 Euro
  • Erhöhung der Zuwendungen anlässlich von Betriebsveranstaltungen von 110 Euro auf 150 Euro
  • Digitalisierung des Spendenverfahrens – Einführung eines Spendenregisters
  • Anpassung der Zinsschranke an die EU-Anti-Steuervermeidungsrichtlinie: Mit Änderungen bei der Zinsschranke sollen die steuerlichen Regelungen zur Begrenzung des Zinsabzugs bei der Fremdfinanzierung von Unternehmen angepasst werden. Die noch im Regierungsentwurf vorgesehene Zinshöhenschranke wurde ausgehend von der Beschlussempfehlung vom 15.11.2023 gestrichen.

Körperschaftsteuer

  • Steigerung der Attraktivität der Option zur Körperschaftsbesteuerung nach § 1a KStG. Es sollen nun alle Personengesellschaften die Möglichkeit erhalten, zur Körperschaftsbesteuerung zu optieren (bisher Beschränkung auf Personenhandelsgesellschaften und Partnerschaftsgesellschaften).

Forschungszulagegesetz

  • Stärkung der steuerlichen Forschungsförderung: Ziel ist es, die steuerlichen Anreize für Unternehmen in diesem Bereich zu erhöhen und den Prozess zu vereinfachen.

    Für nach dem 31.12.2023 beginnende Wirtschaftsjahre sollen unter bestimmten Voraussetzungen die förderfähigen Aufwendungen ausgeweitet werden (auch Einbeziehung von genutzten abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens). Zudem soll die maximale Förderung dauerhaft angehoben werden (zukünftig max. 3 Mio. Euro p.a. statt bisher max. 1 Mio. Euro p.a.). Zukünftig sollen 70% (statt bisher 60%) der Kosten von Auftragsforschung als förderfähige Aufwendungen angesetzt werden können. Auch soll der Stundensatz für Eigenleistungen bei Einzelunternehmern und Mitunternehmern auf 70 Euro (bisher 40 Euro) angehoben werden. KMUs im Sinne der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung sollen eine Erhöhung der Forschungszulage um 10 Prozentpunkte beantragen können.

Steuerliche Förderung von Investitionen in den Klimaschutz

  • Einführung einer gewinnunabhängigen Investitionsprämie zur Beförderung der Transformation der Wirtschaft in Richtung insbesondere von mehr Klimaschutz für die Jahre 2024 bis 2029; der ursprüngliche Beginn vorgesehen für den 1. Januar 2024 wurde mit Beschlussvorlage vom 15.11.2023 auf den 1. März 2024 verschoben.

    Es sollen – unter bestimmten Voraussetzungen – auf Antrag Investitionen von Unternehmen gefördert werden, die zu einer Minderung des Energieverbrauchs beitragen und somit den Umwelt- und Klimaschutz verbessern. Die förderfähigen Investitionen müssen in einem Energie- oder Umweltmanagementsystem oder in einem Energieaudit enthalten sein und sind somit durch einen Energieberater als besonders energieeffizient zertifiziert.

    Die Bemessungsgrundlage soll im Förderzeitraum insgesamt maximal 200 Mio. Euro betragen und die Investitionsprämie 15% hiervon (d.h. max. 30 Mio. Euro). Die Förderung soll sich auf Investitionen beschränken, die den Sockelbetrag von 5.000 Euro Anschaffungs- oder Herstellungskosten übersteigen.

Umsatzsteuer

  • Einführung einer gesetzlichen Regelung zur verpflichtenden Verwendung von elektronischen Rechnungen im B2B-Bereich: diese Maßnahme soll die Digitalisierung des Rechnungswesens vorantreiben und die Effizienz von Geschäftsprozessen erhöhen. Unternehmen im Geschäftsverkehr untereinander sollen gesetzlich verpflichtet werden, elektronische Rechnungen zu verwenden. 
  • Anhebung der Ist-Besteuerungsgrenze (Möglichkeit der Berechnung der Steuer nach vereinnahmten statt vereinbarten Entgelten) von 600.000 auf 800.000 Euro
  • Anhebung des Schwellenwertes zur Befreiung von der Abgabe von vierteljährlichen Umsatzsteuer-Voranmeldungen von 1.000 Euro auf 2.000 Euro (im Vorjahr)
  • Befreiung von bestimmten Erklärungspflichten für Kleinunternehmer (z.B. Abschaffung der Umsatzsteuerjahreserklärung für umsatzsteuerliche Kleinunternehmer)
  • Vorzeitige Anhebung des Umsatzsteuersatzes für Lieferung von Gas und Wärme: Der ermäßigte Umsatzsteuersatz von 7 % soll nicht wie ursprünglich vorgesehen bis zum 31. März 2024 sondern nur auf Lieferungen bis zum 29. Februar 2024 angewendet werden können.
  • Anpassungen der Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes für Zweckbetriebe an die BFH-Rechtsprechung

Abgabenordnung

  • Einführung einer Meldepflicht für innerstaatliche Steuergestaltungen sowie Änderungen bei der Meldepflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen: mit dieser Maßnahme soll Transparenz in steuerlichen Gestaltungsmodellen sowohl im Inland als auch bei grenzüberschreitenden Transaktionen geschaffen werden.
  • Anhebung der Grenze für die Buchführungspflicht bestimmter Steuerpflichtiger (Anhebung der Umsatzgrenze auf 800.000 Euro und der Gewinngrenze auf 80.000 Euro, § 141 AO).

Zeitplan und weitere Informationen

Nach der Ablehnung des Gesetzentwurfes durch den Bundesrat, müssen Bund und Länder nun einen Kompromiss im Vermittlungsausschuss finden. Ein Zeitplan liegt derzeit noch nicht vor. 
Den gesamten Regierungsentwurf, die Beschlussempfehlung des Finanzausschusses vom 15. November 2023 sowie die Stellungnahmen der 8 Spitzenverbände der gewerblichen Wirtschaft (sog. "8er-Runde") finden Sie in den weiterführenden Informationen auf dieser Seite