Arbeitsrecht
- EUGH stärkt Urlaubsanspruch für die Arbeitnehmer
Die Vergütung von nicht genommenen Resturlaubstagen dürfen Arbeitgeber selbst dann nicht verweigern, wenn Arbeitnehmer freiwillig das Arbeitsverhältnis beenden. Dies entschied nun der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einem aktuellen Fall.Konkret ging es um einen Arbeitnehmer, der von 1992 bis 2016 als Verwaltungsleiter in einer italienischen Gemeinde beschäftigt war. Mit dem freiwilligen Antritt seines vorzeitigen Ruhestandes verlangte er einen finanziellen Ersatz für insgesamt 79 Urlaubstage, welche er bis zu seinem Ausscheiden nicht beansprucht hatte. Unter Bezugnahme auf eine italienische Rechtsvorschrift, die einen solchen Anspruch bei freiwilligem Ausscheiden für Beamte im öffentlichen Dienst ausschließt, wurde dem Arbeitnehmer die Auszahlung einer entsprechenden Vergütung verweigert.Laut dem EuGH widersprächen derartige Vorschriften der europäischen Arbeitszeitrichtlinie, die den Fokus auf die hinreichende Erholung von Arbeitnehmern lenke, und für die Arbeitgeber wiederum Sorge zu tragen haben. Arbeitgeber haben danach ihre Arbeitnehmer ausdrücklich daran zu erinnern, ihre zustehenden Urlaubstage zu verbrauchen. Vor diesem Hintergrund sei nach Ansicht des EuGH eine Verweigerung der Urlaubsabgeltung nur in solchen Fällen möglich, in denen Arbeitnehmer trotz eines ausdrücklichen Hinweises auf den möglichen Verfall des Urlaubsanspruchs bzw. des Anspruchs auf Urlaubsabgeltung sowie einer ausdrücklichen Aufforderung, den Urlaub zu nehmen, freiwillig verzichten. Dies gelte sowohl für private als auch öffentliche Arbeitgeber. Ob der Arbeitnehmer entsprechend darüber belehrt und dazu aufgefordert wurde, habe schließlich auch der Arbeitgeber vor Gericht zu beweisen (EuGH, Urteil v. 18. Januar 2024, C-218/22).
- Verbot der Nutzung eines Smartphones während der Arbeit
In einem aktuellen Urteil hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden, dass ein Arbeitgeber die private Nutzung eines Smartphones während der Arbeitszeit verbieten kann, ohne dabei auf Mitbestimmung des Betriebsrates angewiesen zu sein.Ein Betrieb hatte im November 2021 einen Aushang gemacht, der das Thema „Regeln zur Nutzung privater Handys während der Arbeitszeit“ betraf. Wortwörtlich hieß es: „Sehr geehrte Damen und Herren, hiermit weisen wir darauf hin, dass jede Nutzung von Mobiltelefonen/Smartphones zu privaten Zwecken während der Arbeitszeit nicht gestattet ist. Sofern gegen dieses Verbot verstoßen wird, ist mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen - bis hin zur fristlosen Kündigung - zu rechnen."Der Betriebsrat des Unternehmens hielt den Inhalt des Aushangs für unzulässig, da seiner Ansicht nach seine Mitbestimmungsrechte aus dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) missachtet worden seien.Der Arbeitgeber weigerte sich den Aushang zu entfernen, weswegen der Betriebsrat die gewünschte Unterlassung einklagte.Sowohl das Arbeitsgericht, das Landesarbeitsgericht, als auch das BAG wiesen die Klage des Betriebsrates mit der Begründung zurück, dass das Smartphone-Verbot nicht zustimmungspflichtig sei, da es sich nicht um eine Frage der Ordnung des Betriebs oder des Verhaltens der Beschäftigten handeln würde, welche nach dem BetrVG zustimmungspflichtig seien.Vielmehr ginge es um die Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung, welche nicht durch die private Nutzung von Smartphones unterbrochen werden solle. Regelungen zur Konkretisierung der Arbeitspflicht seien nicht mitbestimmungspflichtig. Seien allerdings durch Maßnahmen sowohl die Arbeitspflicht als auch die Ordnung betroffen, sei schwerpunktmäßig auf den objektiven Regelungszweck abzustellen. Würde die private Smartphonenutzung nur in einem bestimmten Umfang erlaubt oder auch während der Pausen im gesamten Betrieb verboten, wäre dies an die Mitbestimmung des Betriebsrates gebunden (BAG, Beschluss vom 17. Oktober 2023, Az. 1 ABR 24/22).
- Beweiswert einer AU nach Kündigung
Kündigt ein Arbeitnehmer sein Arbeitsverhältnis und reicht dann gegen Ende der Kündigungsfrist eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) ein muss dies nicht zwangsläufig dazu führen, die AU-Bescheinigung als unglaubwürdig anzusehen. Dies entschied kürzlich das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern (LAG).In dem konkreten Fall ging es um einen Arzt, der seit dem 1. Januar 2020 bei einer Reha-Klinik in Stralsund als Chefarzt angestellt war. Der Familienwohnsitz des Arbeitnehmers befand sich ca. 1000 km entfernt in Süddeutschland; in der Nähe der Arbeitsstätte unterhielt er eine Zweitwohnung.Mit Schreiben vom 16. August 2021 kündigte der Arzt das Arbeitsverhältnis fristgerecht innerhalb der sechsmonatigen Kündigungsfrist zum 28. Februar 2022.Am 9. Februar 2022, knapp drei Wochen vor Ende seines Beschäftigungsverhältnisses, meldete der Arzt sich krank und fuhr mit der Bahn zu seinem ca. 10 Stunden entfernten Familienwohnsitz. Einen Tag später stellte seine Ärztin ihm eine AU für den Zeitraum vom 9. Februar bis zum 21. Februar 2022 aus. Die AU bescheinigte dem Arzt Hypertonie, Kopfschmerzen, ein HWS-Syndrom und Myogelosen. Der Arzt nahm im Anschluss dann seinen Resturlaub.Die Zeit vom 9. bis zum 21. Februar 2022 wurde vom ehemaligen Arbeitgeber anschließend nicht vergütet. Der Arbeitgeber brachte vor, dass der Arzt – wenn er denn krank gewesen wäre – nicht die ca. 10 Stunden zu seinem Familienwohnsitz hätte fahren können. Ein vernünftiger erkrankter Arbeitnehmer hätte einen Arzt in der Nähe konsultiert und nicht ein solche beschwerliche Reise auf sich genommen. Das pünktliche Ende der Erkrankung zum Beginn des Urlaubs sei ferner auffällig und erschüttere die Glaubwürdigkeit der AU-Bescheinigung.Nachdem der Arbeitnehmer auf Entgeltfortzahlung vor dem Arbeitsgericht Stralsund (ArbG) geklagt hatte und dort erfolgreich war, bestätigte das LAG nun das Urteil des ArbG.Zwar könne der Arbeitgeber Umstände darlegen, die Zweifel an der Erkrankung des Arbeitnehmers begründen und somit den Beweiswert der AU erschüttern, allerdings reiche der Vortrag, dass die AU gegen Ende der Kündigungsfrist eingereicht worden sei, nicht aus. Krankheiten könnten vielmehr auch gegen Ende der Kündigungsfrist auftreten. Auch eine etwa zehnstündige Bahnreise begründe keine Zweifel an der Richtigkeit der AU. Die Bahnreise erfordere weder Konzentration noch körperliche Anstrengung. Dazu stünde im Gegensatz die Tätigkeit als Chefarzt, wo der Arbeitnehmer während des gesamten Arbeitstages gefordert sei. Der Gesundheitszustand des Arbeitnehmers habe foglich keinen Grund gegeben eine längere Bahnfahrt zu vermeiden und es war auch nicht geboten einen Notarzt oder eine Klinik aufzusuchen (LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 13.07.2023, Az. 5 Sa 1/23).
- Kein Schriftformgebot bei geändertem Tätigkeitsbeginn
Wenn sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf einen früheren Arbeitsbeginn als im Vertrag vereinbart einigen, ist eine Befristungsabrede nicht wegen Verletzung des Schriftformgebots unwirksam.In dem zu entscheidenden Fall unterzeichneten Arbeitgeberin und Arbeitnehmer einen befristeten Arbeitsvertrag über eine Tätigkeit als Kassierer im Freibad. Auf der ersten Seite des Arbeitsvertrages war die Vertragslaufzeit mit „Zeitraum vom 15. Mai 2019 bis zum 30. September 2019“ beziffert. Kurze Zeit später einigte man sich, dass der Arbeitnehmer seine Tätigkeit bereits am 4. Mai 2019 beginnen solle. Daraufhin schickte der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die entsprechend angepasste erste Seite des Arbeitsvertrages und bat ihn, sie mit der ursprünglichen ersten Seite auszutauschen und diese an ihn zurückzusenden. Der Arbeitnehmer nahm wie vereinbart seine Tätigkeit am 4. Mai auf, schickte allerdings die ursprüngliche erste Seite nicht zurück.Nach dem Ablauf der Befristung klagte der Arbeitnehmer vor dem Arbeitsgericht Gera und machte geltend, dass die Befristung des Arbeitsvertrages unwirksam gewesen sei, da die Befristungsabrede nicht dem Schriftformgebot des Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) entspreche, denn dieses beziehe sich auf die Vertragslaufzeit, deren tatsächliche Änderung nicht schriftlich niedergelegt worden sei. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen.Das Bundesarbeitsgericht entschied nun, dass das Arbeitsverhältnis zum 30. September ordnungsgemäß endete. Die Befristungsabrede sei so auszulegen, dass als Endtermin der 30. September 2019 vereinbart war. Die Vorverlegung des Arbeitsbeginns lasse das Enddatum unberührt und bedurfte nicht der Schriftform. Dies sei nur dann der Fall, wenn der Anfangszeitpunkt zur Bestimmung des Endzeitpunktes maßgeblich ist. Der Endzeitpunkt müsse immer eindeutig bestimmt oder bestimmbar sein. Daher unterliegen bei kalendermäßigen Befristungen entweder das Beendigungsdatum oder der Vertragsbeginn und die Vertragsdauer („ab einem bestimmten Datum für eine bestimmte Dauer“) dem Schriftformgebot. Auch hätten die Vertragsparteien durch die spätere Einigung auf einen früheren Tätigkeitsbeginn keinen weiteren oder neuen Arbeitsvertrag mit mündlicher Befristungsabrede geschlossen (BAG, Urteil vom 16. August 2023, Az. 7 AZR 300/22).
- Unzulässige Werbung mit Fotos von Ex-Mitarbeitern
Das Einverständnis eines Mitarbeiters zur Verwendung von Fotos von ihm besteht nach Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis grundsätzlich nicht fort. Verwendet der Arbeitgeber dennoch Bilder von ihm, ohne ein erneutes Einverständnis eingeholt zu haben, kann sich der Arbeitgeber schadensersatzpflichtig machen. Dies entschied nun das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (LAG).Konkret ging es um einen Arbeitnehmer, der bis Ende April 2019 in einem Unternehmen als Werbetechniker im Bereich Folierung angestellt war. Mit seinem Einverständnis wurden von ihm während der Arbeit zahlreiche Fotos angefertigt. Auch ein kurzes Werbevideo von ihm und seiner Tätigkeit wurde produziert. Die Fotos und das Video wurden auf die Homepage des Unternehmens hochgeladen und dort als Werbung für die Leistungen des Unternehmens genutzt. Nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers wurden die Fotos und das Video zunächst weiter genutzt, obwohl der Arbeitnehmer dem Unternehmen in mehreren Whatsapp-Nachrichten mitgeteilt hatte, dass die Fotos und das Video, welche ihn zeigten, zu löschen sind. Im Februar 2020 kam das Unternehmen schließlich der Aufforderung nach, nachdem der ehemalige Arbeitnehmer seinen Wunsch mit anwaltlichem Schreiben untermauert hatte. Der ehemalige Arbeitnehmer begehrte ferner Schadensersatz für die unbefugte Nutzung der Dateien von Mai 2019 bis Februar 2020 und machte geltend, dass er von dem Unternehmen absichtlich und nachhaltig in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt worden sei. Insbesondere hätte die schädigende Wirkung durch das Foto- und Videomaterial auf der Homepage darin gelegen, dass er den alten Arbeitgeber repräsentieren würde. Dies sei ihm ferner von seinem neuen Arbeitgeber als Illoyalität ausgelegt worden. Das LAG entschied nun in zweiter Instanz, dass dem Arbeitnehmer Schadensersatz in Höhe von 10.000 EUR wegen der unautorisierten Verwendung des ihn betreffenden Bildmaterials zusteht. Grundlage für den Schadensersatzanspruch bildete die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Spätestens mit dem Ausscheiden des Arbeitnehmers hätten sowohl die Fotos als auch das Video gelöscht werden müssen.
- Kündigung einer Homeoffice-Vereinbarung
Die Arbeit im Homeoffice hat insbesondere während der COVID-19-Pandemie große Bedeutung erlangt. Das Landesarbeitsgericht Hamm (LAG Hamm) entschied nun, dass hierzu im Arbeitsvertrag abgeschlossene Zusatzvereinbarungen vom Arbeitgeber unter gewissen Umständen wirksam gekündigt werden können.In dem konkreten Fall schloss ein in einem Software-Unternehmen als Sales-Mitarbeiter Beschäftigter im November 2016 eine "Zusatzvereinbarung über die Tätigkeit im Homeoffice" mit seinem Arbeitgeber ab. Diese Zusatzvereinbarung beinhaltete unter anderem, dass der Kläger „im Wesentlichen“ im Homeoffice arbeiten werde, jedoch verpflichtet sei nach Arbeitsbedarf auch im Büro der Beklagten tätig zu werden. Auch eine entsprechende einseitige Kündigungsmöglichkeit unter Einhaltung einer Monatsfrist war in der Zusatzvereinbarung enthalten.Da der Kläger seit Mitte 2021 arbeitsunfähig erkrankt war, kündigte der Arbeitgeber im Januar 2022 die Zusatzvereinbarung über die Arbeit im Homeoffice und begründete diese mit der Tatsache, dass die Tätigkeit des Arbeitnehmers zu 80% darin bestehe, Dienstfahrten zu Kunden zu unternehmen, wozu er allerdings aufgrund seiner Erkrankung nicht mehr in der Lage sei. Aufgrund dessen müsse eine Umgestaltung seiner Vertriebsaufgaben erfolgen, die mit einer starken Zunahme seiner Büropräsenzzeiten einherginge.Der Arbeitnehmer hat sich daraufhin mit seiner Klage gerichtlich gegen die Kündigung der Zusatzvereinbarung gewandt. Der in der Zusatzvereinbarung geregelte Kündigungsvorbehalt sei unwirksam, da die Bestimmungen der Zusatzvereinbarungen allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) seien und der Kündigungsvorbehalt sowohl kündigungsschutzrechtliche Vorschriften umgehe als auch gegen das Transparenzgebot verstoße.Das LAG Hamm stellte in seinem Urteil fest, dass eine sogenannte Teilkündigung, also die Kündigung einzelner Bestandteile des Arbeitsvertrags, grundsätzlich unzulässig sei, da eine einseitige Änderung von Vertragsbedingungen gegen den Willen eines Vertragspartners nicht erfolgen dürfe. Allerdings könne die Teilkündigung einzelner arbeitsvertraglicher Vereinbarungen ausnahmsweise zulässig sein, wenn dem Kündigendem wie hier, hierzu vertraglich ein Recht eingeräumt worden ist. Denn dann erfolge die einseitige Änderung der Vertragsbedingungen nicht gegen den Willen des anderen Vertragspartners, sondern aufgrund des vereinbarten Teilkündigungsrechts. Aufgrund dessen sei der Kündigungsvorbehalt in diesem Einzelfall wirksam und umgehe auch keine zwingenden Kündigungsvorschriften. Der Ort der Arbeitsleistung sei darüber hinaus grundsätzlich vom Direktionsrecht des Arbeitgebers erfasst. Auch sei der Kündigungsvorbehalt AGB-rechtlich nicht zu beanstanden, da der Arbeitnehmer trotz Kündigung der Zusatzvereinbarung auf arbeitsvertraglicher Grundlage weiterhin im Homeoffice hätte arbeiten können. Ebenso sei die Homeoffice-Möglichkeit nie für einen bestimmten Anteil der Arbeit festgelegt worden.Um Missverständnisse zu vermeiden ist es als Arbeitgeber daher ratsam bei der Ausarbeitung von Homeoffice Regelungen ausdrücklich festzulegen, unter welchen Umständen eine Kündigung erfolgen kann und welche Rechte und Pflichten damit verbunden sind (LAG Hamm, Urteil vom 16. März 2023, Az.: 18 Sa 832/22).
- Kein Verfall von Urlaub bei Alterszeilzeit nach Krankheit
Wird ein Arbeitnehmer in seinem Urlaub krank und kann seinen Urlaub nicht nachholen, weil er anschließend in Altersteilzeit geht, darf dies keinen Nachteil für ihn darstellen. Dies hat nun der Europäische Gerichtshof (EuGH) nach Vorlage des Bundesarbeitsgerichts (BAG) entschieden.In dem konkreten Fall ging es um einen Arbeitnehmer, welcher seit 1986 für einen großen deutschen Autohersteller tätig war. Im Jahr 2012 traf er mit seinem Arbeitgeber eine Vereinbarung zur Altersteilzeit. Danach sollte er vom 1. Juni 2016 bis zu seiner Rente 2019 freigestellt werden. Den noch offenen Resturlaub nahm er in der Zeit vom 4. bis 25. Mai 2016. Da er während dieser Zeit krank wurde, konnte er die Urlaubstage nicht nehmen. 2019 verlangte der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber die Abgeltung der Urlaubstage. Da keine Einigung erzielt werden konnte, rief der Arbeitnehmer das Arbeitsgericht (AG) an.Nachdem der Arbeitnehmer mit seiner Klage sowohl vor dem AG als auch vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) mit der Begründung, dass der Urlaubsanspruch am 31. März 2017 erloschen sei, unterlag, legte das BAG die Sache dem EuGH vor. Der EuGH entschied nun, dass die deutsche Gesetzesregelung, nach der Urlaub verfällt, dem Unionsrecht widerspricht. Die Umstände des Falls würden kein Erlöschen des Anspruchs auf Urlaubsabgeltung rechtfertigen. Als Argumente nannte der EuGH sowohl die sehr kurze Krankheit und den unterlassenen Hinweis des Arbeitgebers gegenüber dem Kläger, den Urlaub rechtzeitig vor Freistellung zu nehmen. Ferner ergäben sich aus dem EU-rechtlichen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub hier zwei Faktoren, die zu beachten seien: Der Anspruch auf Erholung und der Anspruch auf eine Vergütung bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (EuGH, Urteil v. 27. April 2023, Az.: C-192/22).
- Kaffeepause ist keine Arbeitszeit
Wer sich für eine Kaffeepause nicht ausstempelt, muss mit einer fristlosen Kündigung rechnen. Dies entschied jetzt das Landesarbeitsgericht Hamm (LAG).In dem konkreten Fall war eine schwerbehinderte Arbeitnehmerin über acht Jahre als Raumpflegerin tätig. Im Oktober 2021 erhielt sie die fristlose Kündigung, weil ihr Arbeitgeber sie dabei beobachtet hatte, wie sie sich für mindestens 10 Minuten mit einer anderen Person zum Kaffetrinken getroffen hatte, ohne sich auszustempeln und dies als Pausenzeit zu buchen. Mit ihrem Verhalten konfrontiert, leugnete die Arbeitnehmerin das Fehlverhalten zunächst. Erst als der Arbeitgeber ihr anbot, Beweisfotos zu zeigen, räumte sie den Arbeitszeitbetrug ein. Daraufhin wurde ihr mit Zustimmung des Inklusionsamtes fristlos gekündigt.Gegen die fristlose Kündigung klagte die Arbeitnehmerin vor dem Arbeitsgericht Gelsenkirchen (AG). Sie war der Ansicht, dass es sich um ein einmaliges Fehlverhalten gehandelt habe, was die fristlose Kündigung unverhältnismäßig mache. Das AG wies die Klage jedoch mit der Begründung ab, dass zwar ein achtjähriges Arbeitsverhältnis bestanden hätte, diese vertrauensvolle Basis aber durch das auf Heimlichkeit und Täuschung ausgelegte Verhalten unwiderruflich zerstört worden sei. Auch in zweiter Instanz hielt das LAG nun die fristlose Kündigung für rechtmäßig und bestätigte das Urteil des AG. Das vorsätzliche Nichtausstempeln könne einen Grund für die fristlose Kündigung darstellen. Entscheidender sei hier allerdings der schwere Vertrauensbruch, der insbesondere dadurch entstanden sei, dass die Arbeitnehmerin ihr Fehlverhalten beharrlich geleugnet habe.Das Nachtatverhalten sei eben nicht von Reue oder Einsicht geprägt, sondern ganz im Gegenteil dazu auf Verheimlichung ausgerichtet gewesen. Auch eine Abmahnung sei entbehrlich gewesen, da diese nach Auffassung des LAG nicht dazu geführt hätte, dass die Arbeitnehmerin ihr Verhalten in der Zukunft geändert hätte (LAG Hamm, Urteil vom 27. Januar 2023, Az.: 13 Sa 1007/22).
- Im Pool des Chefs verunglückt = Arbeitsunfall?
Weist der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer an zur Erhaltung der Arbeitsfähigkeit eine Erfrischung im Pool zu nehmen und verunglückt dabei ein Arbeitnehmer kann es sich um einen Arbeitsunfall handeln.Mit einem kuriosen Fall beschäftigte sich kürzlich das Sozialgericht München (SG). Ein Zimmerreibetrieb hatte bei sehr heißen Temperaturen viele Aufträge zu erledigen. Damit die Arbeitsleistung aufrecht erhalten werden konnte wies der Arbeitgeber seine Mitarbeiter an ein Bad im Pool zu nehmen. Dabei verunglückte ein Arbeitnehmer und zog sich schwere Verletzungen, u. a. an der Halswirbelsäule, zu.Die Berufsgenossenschaft verweigerte die Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall, da das Baden eine private Tätigkeit gewesen sei. Dagegen erhob der verunglückte Arbeitnehmer Klage zum SG.Das SG gab der Klage statt. Bei privaten Dingen wie Essen, Trinken, Rauchen und Baden im Pool handele es sich grundsätzlich nicht um Tätigkeiten, die vom Versicherungsschutz umfasst seien. Allerdings stünde in diesem konkreten Fall das Baden im Pool in einem sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit, wenn es bei fortzusetzender versicherter Arbeit der Erhaltung oder Wiederherstellung der Arbeitskraft dient. Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn die Abkühlung wegen der Hitze notwendig gewesen sei und vom Arbeitgeber angewiesen wurde. Des Weiteren habe der Kläger sich dem Bad nicht entziehen können, da alle Mitarbeiter, der Arbeitgeber und auch ein Subunternehmer in den Pool gegangen waren. Vom Kläger war erwartet worden, dass er sich vor der Weiterarbeit ebenfalls in den Pool begibt. Da der Unfallhergang nicht vollumfänglich aufklärbar war, bestanden ferner keine Anhaltspunkte dafür, dass sich der Kläger bewusst einer erhöhten Gefahr ausgesetzt hätte. Einer erhöhten Gefahr hätte sich der Kläger insbesondere dann ausgesetzt, wenn er in den Pool gesprungen wäre (SG München, Urteil vom 2. Mai 2023, Az.: S 9 U 276/21).
- Wer zahlt den Headhunter bei gescheitertem Arbeitsverhältnis?
Ein Arbeitgeber kann in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) nicht wirksam vereinbaren, dass ein eingestellter Arbeitnehmer die Provision des Headhunters zahlen muss, wenn der Arbeitsvertrag wieder gekündigt wird. Dies hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) jetzt kürzlich entschieden.In dem konkreten Fall zahlte der Arbeitgeber 4500 EUR an einen Headhunter, damit dieser ihm einen Arbeitnehmer vermittelt. Der dann eingestellte Arbeitnehmer kündigte jedoch schon nach zwei Monaten innerhalb der Probezeit seinen Arbeitsvertrag. Laut AGB war der Arbeitnehmer verpflichtet dem Arbeitgeber die Vermittlungsprovision des Headhunters zu erstatten, wenn das Arbeitsverhältnis nicht länger als 14 Monate besteht. Daraufhin behielt der Arbeitgeber 800 EUR von dem Gehalt ein. Der Arbeitnehmer wollte das nicht hinnehmen und verklagte den Arbeitgeber auf Auszahlung der 800 EUR. Nachdem er bereits sowohl beim Arbeitsgericht als auch beim Landesarbeitsgericht obsiegte, gewann er nun auch vor dem BAG. Dieses führte in der Urteilsbegründung aus, dass die Klausel in den AGB unwirksam sei und den Arbeitnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteilige. Das Risiko einen Arbeitnehmer zu suchen und diesen wieder zu verlieren, trage grundsätzlich der Arbeitgeber. Der Arbeitnehmer habe ferner sein Arbeitsverhältnis in rechtlich zulässiger Weise beendet (BAG, Urteil v. 20. Juni 2023, Az.: 1 AZR 265/22).