Innovation und Umwelt

Zulassung / Anhang XIV

Das Zulassungsverfahren für chemische Stoffe ist in Titel VII von REACH geregelt. Die Zulassung ist vorgesehen für so genannte besonders besorgniserregende Stoffe (substances of very high concern, SVHC). Diese Stoffe werden in einem komplexen Verfahren identifiziert und dann in den Anhang XIV der Verordnung aufgenommen. Nach Aufnahme in diesen Anhang unterliegen sie der Zulassungspflicht, d. h. diese Stoffe dürfen nach dem im Anhang angegebenen sunset-Date nur in Verkehr gebracht und verwendet werden, wenn sie für die jeweilige Verwendung zugelassen wurden.
Aufnahme in den Anhang XIV
Zur Aufnahme in den Anhang XIV durchlaufen die Stoffe einen mehrstufigen Prozess. Dieser besteht aus folgenden vier Schritten:
1. Identifizierung als SVHC-Stoff: Kriterien für Stoffe, mit besonders besorgniserregenden Eigenschaften, die in Anhang XIV aufgenommen werden können, sind in Artikel 57 beschrieben. Dazu gehören Stoffe,
a) die gemäß der CLP-Verordnung als krebserzeugend oder erbgutverändernd oder fortpflanzungsgefährdend der Kategorien 1A oder 1B einzustufen sind (CMR-Stoffe)
b) die nach den Kriterien des Anhangs XIII der REACH-Verordnung persistent und bioakkumulierbar und toxisch sind (PBT-Stoffe)
c) die nach den Kriterien des Anhangs XIII der REACH-Verordnung sehr persistent und sehr bioakkumulierbar sind (vPvB-Stoffe)
d) die nach wissenschaftlichen Erkenntnissen wahrscheinlich schwerwiegende Wirkungen auf die menschliche Gesundheit oder auf die Umwelt haben, die aber nicht den oben genannten Gruppen zugeordnet werden können – z. B. endokrin wirksame Stoffe.
Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie die EU-Kommission (vertreten durch die ECHA) sind aufgrund des Rechtstextes aufgefordert, solche Stoffe zu identifizieren und einen Vorschlag in Form eines Stoffdossiers nach Anhang XV bei der ECHA einzureichen.
2. Aufnahme des Stoffes in die Kandidatenliste: Die von den Mitgliedstaaten und der Kommission vorgeschlagenen Stoffe werden nicht direkt in den Anhang XIV, sondern zunächst in eine sogenannte Kandidatenliste aufgenommen. Das Verfahren zur Aufnahme in die Kandidatenliste ist in Artikel 59 der Verordnung beschrieben:
Nach Eingang der Vorschläge gibt es zunächst ein öffentliches Konsultationsverfahren. Zu diesem Zweck veröffentlicht die Agentur das Dossier zu dem jeweils vorgeschlagenen Stoff auf ihrer Internetseite und fordert interessierte Kreise auf, innerhalb einer gesetzten Frist wissenschaftliche Kommentare zu dem Vorschlag abzugeben. Die öffentliche Kommentierung im Konsultationsverfahren ist jeweils über ein Online-Formular möglich. Parallel dazu haben auch die Mitgliedstaaten die Möglichkeit die Vorschläge zu kommentieren.
Werden für einen Stoff keine Kommentare abgegeben, so wird er ohne ein weiteres Abstimmungsverfahren in die Kandidatenliste aufgenommen. Gehen für einen Stoff Kommentare bei der Agentur ein, so übergibt die Agentur diese zusammen mit dem Dossier an den Ausschuss der Mitgliedstaaten (MSC). Der MSC prüft nun das Dossier und die Kommentare und entscheidet, ob der Stoff in die Kandidatenliste aufgenommen wird oder nicht. Kann der Ausschuss keine Einigung erzielen, wird die Entscheidung zu diesem Stoff im Komitologieverfahren nach Artikel 133 getroffen.
Bereits nach der Aufnahme von Stoffen in die Kandidatenliste ergeben sich verschiedene Konsequenzen, insbesondere sind dies Informations- und Mitteilungspflichten für die Produzenten und Importeure von Erzeugnissen (Artikel 7 Absatz 2 und Artikel 33).
3. Priorisierung der Stoffe der Kandidatenliste: Stoffe der Kandidatenliste können in den Anhang XIV aufgenommen werden. Das Verfahren zur Aufnahme in den Anhang XIV ist in Artikel 58 geregelt. Prioritär zu behandelnde Stoffe sind danach solche mit
a) PBT- oder vPvB-Eigenschaften oder
b) weit verbreiteter Verwendung oder
c) großen Mengen
Die Agentur erstellt unter Mitarbeit des MSC eine Auswahl von Stoffen aus der Kandidatenliste, die prioritär in den Anhang XIV aufgenommen werden sollen, und gibt dies als Empfehlung an die EU-Kommission. Vor der Übermittlung wird diese Empfehlung auf der Internetseite der Agentur veröffentlicht und interessierte Kreise sind wiederum aufgefordert, innerhalb einer Frist von 3 Monaten in einem öffentlichen Konsultationsverfahren Kommentare insbesondere zur Verwendung der Stoffe abzugeben. Unter Berücksichtigung der im Konsultationsverfahren eingegangenen Kommentare aktualisiert die Agentur ggf. ihre Empfehlung.
Die Agentur ist verpflichtet, mindestens alle zwei Jahre eine Empfehlung für in den Anhang XIV aufzunehmende Stoffe abzugeben. Deshalb wird der Priorisierungsprozess einschließlich der öffentlichen Konsultationsverfahren bei jeder neuen Empfehlung von Stoffen für das Zulassungsverfahren durchgeführt.
4. Aufnahme von Stoffen in Anhang XIV: Die Entscheidung über die Aufnahme von Stoffen in den Anhang XIV wird im Komitologieverfahren nach Artikel 133 getroffen.
Die Aufnahme eines Stoffes in den Anhang XIV der REACH-Verordnung als zulassungspflichtiger Stoff hat Auswirkungen auf die Verwendung des Stoffes. Ein im Anhang XIV der REACH-Verordnung gelisteter Stoff darf nach dem Ablauftermin nur noch verwendet oder zur Verwendung in Verkehr gebracht werden, wenn eine Zulassung dafür erteilt wurde (Artikel 56). Für die Verwendung / Vermarktung müssen die Bedingungen eingehalten werden, die in der Zulassungsentscheidung festgelegt sind.
Ein in den Anhang XIV aufgenommener Stoff soll nachfolgend nicht zusätzlich Beschränkungen (Verfahren nach Titel VIII, siehe Beitrag "Beschränkung / Anhang XVII") unterworfen werden, es sei denn es ergeben sich Risiken für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt, die sich aus dem Vorhandensein des Stoffes in Erzeugnissen ergeben.
Zulassungverfahren
Betroffen sind Hersteller und Importeure, aber auch nachgeschaltete Anwender als mögliche Antragsteller auf eine Zulassung. Der Antrag ist direkt an die ECHA zu richten.
Nachgeschaltete Anwender dürfen zugelassene Stoffe nur für Verwendungen nutzen, für die eine Zulassung erteilt wurde. Dazu müssen sie den Stoff von einem Unternehmen erhalten, das für diese Verwendung eine Zulassung erteilt wurde, und die in der Zulassung festgelegten Bedingungen einhalten. In diesem Fall müssen die nachgeschalteten Anwender der ECHA melden, dass sie einen zugelassenen Stoff verwenden. Oder sie müssen selbst die Zulassung bei der Agentur beantragen.
Die EU-Kommission entscheidet auf Grund der Stellungnahmen der Ausschüsse für Risikobeurteilung und Sozioökonomischer Analyse über den Zulassungsantrag (Artikel 64). Der Antragsteller hat die Möglichkeit, sich zu den Entwürfen der Stellungnahmen zu äußern.
In der Zulassungsentscheidung wird festgehalten, unter welchen Bedingungen und bis zu welchem Zeitpunkt der Stoff weiter verwendet werden darf. In einer erteilten Zulassung wird festgelegt, wann die Zulassung wieder überprüft wird (befristeter Überprüfungszeitraum). Vom Antragsteller ist bis 18 Monate vor Ablauf des Überprüfungszeitraums ein Überprüfungsbericht vorzulegen.
Eine Zusammenfassung der Zulassungsentscheidung wird im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht. Ist die Zulassungsentscheidung negativ, ist eine Verwendung ab den folgenden Zeitpunkten nicht mehr möglich.
Zulassungen werden von der EU-Kommission erteilt, wenn der Antragsteller belegen kann, dass Risiken, die durch die Verwendung des Stoffes entstehen, angemessen beherrscht werden („adequate control route“).
Allerdings ist der Nachweis für eine angemessene Beherrschung von Risiken für folgende SVHC nach Artikel 60 Absatz 3 nicht möglich:
a) CMR Stoffe der Kategorie 1A oder 1B, für deren Wirkung kein Schwellenwert festgelegt werden kann
b) PBT und vPvB Stoffe
c) Stoffe nach Artikel 57 Buchstabe f mit PBT oder vPvB Eigenschaften, die ebenso besorgniserregend sind
Wenn nicht belegt werden kann, dass die Risiken angemessen beherrscht werden, kann eine Zulassung nur erteilt werden, wenn nachgewiesen wird, dass die sozioökonomische Bedeutung des Stoffes die Risiken überwiegt und dass keine geeigneten Alternativstoffe oder Alternativtechnologien existieren (Artikel 60 Absatz 4).  Dieser Ansatz wird als „socio-economic route“ bezeichnet und erfordert die Durchführung einer Sozioökonomischen Analyse.
(Quelle: baua, Dortmund)
7-6-2022