Innovation und Umwelt

Wirtschaft kann auf REACH Einfluss nehmen

Aus Sicht vieler Betriebe ist die Chemikalienverordnung REACh ein monumentales, telefonbuchdickes, kaum zu durchschauendes EU-Mammut­projekt, das ihnen finanziell, zeitlich, fachlich und organisatorisch Riesenbelastungen zumutet. An dieser Einschätzung mag vielleicht auch etwas dran sein, aber sie überdeckt zuweilen die Möglichkeiten, hier und da Einfluss zu nehmen auf den Regelungskoloss und eigene Interessen einzubringen.
1) Evaluierung der Kommission
Zunächst sieht Artikel 117 Abs. 4 vor, dass die Kommission die REACh-Verordnung alle fünf Jahre evaluiert. Der erste Bericht war im Juli 2012 fällig, die nächsten somit 2022 und 2027. Ziel ist es, die Ansichten der Betroffenen über die Stärken und Schwächen der Regelungen zu sammeln und die Verordnung gegebenenfalls nachzujustieren. Die Kommission misst dieser Überprüfung großes Gewicht bei und forciert sie im Rahmen ihrer REFIT-Initiative zum Abbau unnötiger Bürokratie. Hier haben sich zahlreiche Betriebe über den DIHK in Berlin und Brüssel kritisch eingebracht und werden dies auch künftig tun. Dabei sind die Kammern auf die Unterstützung der Betriebe angewiesen.
2) Politikern Auswirkungen auf Betriebe deutlich machen
Ein wichtiges Instrument, um REACh positiv weiterzuentwickeln, können auch Gespräche mit Politikern sein. Gerade Politiker mit lokalem Bezug und auch Mitglieder des Europaparlaments erfahren im direkten Gespräch mit betroffenen Unternehmen ganz unmittelbar die realen Auswirkungen der Entscheidungen, die in Brüssel am grünen Tisch getroffen werden.
3) RMOA konsequent nutzen
Sobald ein unverzichtbarer Stoff erst einmal auf der Kandidatenliste und im Anhang XIV gelandet ist, bleibt nur der Weg der Autorisierung. Ist er in Anhang XVII gelistet, so müssen die dort aufgeführten Beschränkungen ohne Wenn und Aber in Kauf genommen werden.
Es gibt aber auch eine Möglichkeit, Einfluss zu nehmen, bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist. Sie heißt Risk Management Options Analysis, kurz RMOA. RMOA ist nicht in REACh festgeschrieben, stellt aber ein Verfahren dar, dass die EU offiziell eingeführt hat, um den Weg der Stoffe in die genannten Anhänge durchsichtiger zu machen.
Dieses Verfahren, das Stoffe durchlaufen können, für die Regulierungsbedarf gesehen wird, hat das Ziel, unter Öffentlichkeitsbeteiligung zu ermitteln, ob Stoffe zulassungspflichtig (Anhang XIV) oder beschränkt (Anhang XVII) werden sollen, ob eine andere Maßnahme außerhalb von REACh angebracht ist oder ob sie überhaupt nicht reguliert werden sollen.
Es lohnt sich also, die Liste der zur Analyse anstehenden Stoffe regelmäßig durch zu gehen. Wird hier ein Stoff eingestellt, der für ein Unternehmen wichtig ist, hat dieses die Möglichkeit, innerhalb von zwei Monaten seine Sichtweise einzubringen. Auf diesem Weg können Fakten aus der betrieblichen Wirklichkeit – zum Beispiel Messdaten und Zahl der betroffenen Personen – transportiert werden. Auch kann ein Problem, das eine bestimmte Art der Regulierung nach sich zöge, aufgezeigt und für Alternativen argumentiert werden, etwa für die Festlegung von Arbeitsplatzgrenzwerten, die aus Sicht vieler auch für Chrom VI besser gewesen wäre. Dieser Input kann dafür sorgen, dass die Behörden ein Gefühl für die Stoffe, ihre Anwendungen und ihre Risiken bekommen. Laut Bundesstelle für Chemikalien, Dortmund, werden die Analysen „immer ergebnisoffen durchgeführt“.
RMOA ermöglicht den Betrieben allerdings nur das Monitoring neuer Stoffe. Die Beobachtung von und Einflussnahme auf geplante Verschärfungen von Schutzbestimmungen bereits in Anhang XVII aufgeführter Stoffe sind bislang leider kaum möglich. Dass dies sich ändert, ist eine weitere Forderung in der Stellungnahme des DIHKs. Man wird sehen.
Dr. Jens Ferber