Innovation und Umwelt
Umsetzung Seveso-III-Richtlinie
Mit der Veröffentlichung des entsprechenden Gesetzes im Dezember 2016 und dem Inkrafttreten der Verordnung im Januar 2017 ist die europäische Seveso-III-Richtlinie in deutsches Recht umgesetzt. Dabei sind die Veränderungen in der Störfall-Verordnung (12. BImSchV) und angrenzenden Regelungen nicht nur kosmetischer Art. Die Betriebe sollten sich umgehend systematisch informieren.
Die erste Seveso-Richtlinie (82/501/EWG) hat Brüssel 1982 erlassen. Sie sollte der „Verhütung schwerer Unfälle, die durch bestimmte Industrietätigkeiten verursacht werden könnten, sowie die Begrenzung der Unfallfolgen für Mensch und Umwelt“ dienen und die „diesbezüglichen Bestimmungen der Mitgliedstaaten“ angleichen, wie es in Artikel 1 Abs. 1 hieß. Anlass war die große Umweltkatastrophe in einer chemischen Fabrik im norditalienischen Seveso im Jahr 1976, bei der große Mengen Dioxin freigesetzt worden sind.
Durch dramatische, meistens auf menschliches Versagen und nicht auf technische Defizite zurück zu führende Vorfälle getrieben war auch die Modifizierung dieser Richtlinie, die die EG 1996 erlassen hat. Die sogenannte Seveso-II-Richtlinie (96/82/EG) stellt primär eine Aufarbeitung von folgenschweren Unglücken im indischen Bhopal und in Mexiko City mit zahlreichen Toten dar.
Aarhus, CLP und Mücksch
Anders sieht dies bei der 2012 in Kraft getretenen Seveso-III-Richtlinie (2012/18/EU) aus. Hier war es keine Umweltkatastrophe ursächlich. Gründe für die erneute Novellierung waren
- die Aarhus-Konvention, ein 2001 in Kraft getretenes Übereinkommen der UN-Wirtschaftskommission für Europa (UNECE),
- die 2009 in Kraft getretene europäische CLP-Verordnung (Verordnung (EG) Nr. 1272/2008), und
- das Mücksch-Urteil des Europäischen Gerichtshofs von 2011.
Seveso III hätte bis Juni 2015 in deutsches Recht umgesetzt sein müssen. Dies ist nicht gelungen. Erst im vergangenen November hat der Bundesrat dem Novellierungspaket zugestimmt. Es umfasst neben Änderungen der hier zentralen Störfall-Verordnung Änderungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG), des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG), des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes (UmwRG) und der Verordnung über das Genehmigungsverfahren (9. BImSchV). Inzwischen ist die Veröffentlichung erfolgt.
Was sich für die Betriebe ändert, lässt sich am besten anhand der drei oben genannten Treiber der Novelle darstellen:
Mehr Öffentlichkeit
Die Aarhus-Konvention, die mit der Seveso-III-Umsetzung weiter umgesetzt werden soll, ist der erste völkerrechtliche Vertrag, der jeder Person Rechte im Umweltschutz zuschreibt. Die drei Säulen sind Information, Beteiligung und Klagerecht.
§ 8 a und § 11 der Störfall-Verordnung schreiben für alle Störfall-Betriebe vor, dass die Unternehmen die Öffentlichkeit ständig über das Netz über ihr Tun informieren müssen. Die zu kommunizierenden Inhalte sind in Anhang V aufgeführt.
Zu mehr Öffentlichkeit wird auch der neue § 23 a BImSchG führen, der für nicht genehmigungsbedürftige Störfall-Anlagen ein Genehmigungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung vorsieht, sofern in einer Vorprüfung ergeben hat, dass durch die Errichtung oder Änderung der Sicherheitsabstand unterschritten wird. Dieses entspricht im Wesentlichen dem Verfahren nach § 10 BImSchG.
§ 3 d UVPG führt faktisch die Pflicht zur Umweltverträglichkeitsprüfung (mit Öffentlichkeitsbeteiligung) für alle Vorhaben ein, bei deren Verwirklichung Störfallrisiken eintreten oder sich vergrößern.
§ 1 Abs. 1 Nr. 2 a/b UmwRG nimmt alle Genehmigungen für Anlagen mit störfallrechtlicher Relevanz in den Anwendungsbereich der Umweltverbandsklage auf. Traditionell kann in Deutschland nur derjenige klagen, dessen individuelle Rechte verletzt zu werden drohen, also etwa Nachbarn. Diese Befugnis wird jetzt auf Umweltverbände erweitert.
Veränderte Mengenschwellen
Anlage 1 der Störfall-Verordnung ist nach den Einstufungsregeln der CLP-Verordnung aufgebaut. Dazu musste er komplett neu gestaltet werden. Hier sind die Stoffkategorien und Einzelstoffe sowie deren Gemische samt ihrer Mengenschwellen aufgeführt, die dazu führen, dass Unternehmen als Betriebe unterer Klasse (früher: Grundpflichten) oder oberer Klasse (früher erweiterte Pflichten) unter die Störfall-Verordnung fallen. Hier ergeben sich für viele Betriebe Änderungen. Es ist also in jedem Einzelfall genau zu prüfen, ob ein bislang nicht unter die Störfall-Verordnung fallender Betrieb dies nach neuem Recht nun tut oder anders herum und – wenn ja – zu welcher Klasse er zählt. Hierbei hilft ein Excel-Tool der Bezirksregierung Arnsberg, das über den unten gesetzten Link zu finden ist.
Das Thema Abstand
Das oben erwähnte Urteil des Europäischen Gerichtshofes besagt, dass das Abstandsgebot aus Artikel 12 von Seveso II, das unverändert in Artikel 13 von Seveso III übernommen wurde, nicht nur auf Planungsebene, sondern auch auf der Ebene der Zulassung schutzbedürftiger Einzelvorhaben zu berücksichtigen ist, wenn dies im Vorfeld nicht schon auf Planungsebene erfolgt ist. Um dies klar zu stellen, wurden § 15 Abs. 2 a, § 16 a und § 23 a BImSchG neu gefasst. In § 48 Abs. 1 Nr. 6 BImSchG wird die Ermächtigung zu einer TA Abstand gegeben, die künftig bundeseinheitliche Maßstäbe für das Abstandgebot vorgeben könnte.
Systematische Überwachung
Quasi dem Zeitgeist folgend, werden die Inspektionsfristen für Störfall-Anlagen verkürzt und den Fristen der Industrieemissionsrichtlinie (IED) angepasst, das heißt: obere Klasse ein bis drei Jahre, untere Klasse drei bis fünf Jahre. Der neue § 17 der Störfall-Verordnung schreibt – wie die IED auch – die Erstellung behördlicher Überwachungspläne und -programme vor.
Die Gesetzes- und Verordnungsnovellen zur Umsetzung der Seveso-III-Richtlinie bringen eine Vielzahl von Änderungen mit zum Teil erheblichen Auswirkungen mit sich. Die SIHK bietet deshalb am 14. März eine Veranstaltung an, in der sich betroffene Unternehmen aus erster Hand informieren können.
Dr. Jens Ferber
Hier ist der Link auf die Seite der Bezirksregierung Arnsberg mit Infos, Ansprechparntnern, Tools, Checklisten und Formularen rund um das Thema Störfall zu finden.