Kurzarbeit und Insolvenz von Ausbildungsbetrieben

In wirtschaftlich schweren Zeiten häufen sich Fragen rund um das Thema der Kurzarbeit und Insolvenz von Ausbildungsbetrieben. Die folgenden Informationen bieten einen Überlick über die rechtlichen Handlungsspielräume von Unternehmen und Auszubildenden. Bitte beachten Sie, dass diese Informationen eine persönliche Beratung durch die Ausbildungsbetrater der SIHK nicht ersetzten können.

Kurzarbeit

Die Auswirkungen von Kurzarbeit beeinflussen häufig auch Ausbildungsverhältnisse. Zwar sind Auszubildende beim Thema "Kurzarbeit" zunächst rechtlich ausgenommen. Dennoch lässt sich eine Konfrontation häufig nicht vermeiden. Die folgende Übersicht verdeutlicht die Handlungsspielräume:

Kurzarbeit der Azubis

Auszubildenden gegenüber kann in der Regel keine Kurzarbeit angeordnet werden. Der Ausbildungsbetrieb ist dazu verpflichtet, alle Mittel auszuschöpfen, um die Ausbildung weiter zu gewährleisten. Hierbei hat er z.B. folgende Möglichkeiten:
- Umstellung des Lehrplans durch Vorziehen anderer Lerninhalte
- Versetzung in eine andere Abteilung
- Rückversetzung in die Lehrwerkstatt
- Durchführung besonderer Ausbildungsveranstaltungen
Erst wenn alle Möglichkeiten ausgeschöpft sind, kann Kurzarbeit auch für Auszubildende in Frage kommen. Diese Option ist allerdings restriktiv zu handhaben.

Kurzarbeit der Ausbilder

Auch bei Ausbildern sollte Kurzarbeit nur in Ausnahmefällen angeordnet werden, da der Betrieb gewährleisten muss, dass der Ausbilder seiner Ausbildungspflicht gegenüber dem Auszubildenden nachkommt. Werden die Auszubildenden mangelhaft oder gar nicht ausgebildet, kann ein Schadensersatzanspruch gegenüber dem Ausbildungsbetrieb entstehen.

Vergütungspflicht

Die Vergütung der Auszubildenden ist kein Arbeitslohn, sondern eine finanzielle Hilfe zur Durchführung der Ausbildung. Deshalb bleibt der Ausbildungsbetrieb auch dann zur Zahlung verpflichtet, wenn dem Auszubildenden gegenüber Kurzarbeit angeordnet worden ist.

Kündigung

Kurzarbeit an sich kann keine Kündigung der Auszubildenden durch den betroffenen Ausbildungsbetrieb rechtfertigen, es sei denn der Ausbildungsbetrieb kommt für längere Zeit vollständig zum Erliegen. Entfällt dadurch die Ausbildungseignung des Betriebes, ist eine Kündigung der Auszubildenden möglich, ohne dass ein Schadensersatzanspruch entsteht. Die Ausbilder sind aber dazu verpflichtet, sich mit der zuständigen Agentur für Arbeit rechtzeitig um einen anderen Ausbildungsbetrieb für den Auszubildenden zu bemühen.

Insolvenz

In den Zeiten der aktuellen Wirtschaftskrise häufen sich Fragen rund um das Thema der Insolvenz von Ausbildungsbetrieben. Die folgenden Informationen bieten einen Überblick über die rechtlichen Handlungsspielräume von Unternehmen und Auszubildenden. Bitte beachten Sie, dass diese Informationen eine persönliche Beratung durch die Ausbildungsberater der SIHK nicht ersetzen können. Setzen Sie sich im Fall einer drohenden Insolvenz auch so früh wie möglich mit der zuständigen Agentur für Arbeit in Verbindung.

Auswirkungen auf die Ausbildung


Weder eine drohende Insolvenz noch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens haben direkte Auswirkungen auf den Ausbildungsvertrag. Die aus dem Ausbildungsverhältnis resultierenden Rechte und Pflichten bleiben weiter bestehen. Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens tritt allerdings der Insolvenzverwalter an die Stelle des Ausbildungsbetriebs. Alle aus dem Ausbildungsvertrag bestehenden Ansprüche sind an ihn zu richten.


Pflichten des Ausbildungsbetriebes


Der Ausbildungsbetrieb bzw. der Insolvenzverwalter sind dazu verpflichtet, die aus dem Ausbildungsverhältnis resultierenden Pflichten weiter zu erfüllen. Hierzu zählt insbesondere die Zahlung der vereinbarten Ausbildungsvergütung. Grundsätzlich können sich Ausbildungsbetrieb und Auszubildender auf eine Kürzung der Ausbildungsvergütung einigen. Die Ausbildungsvergütung muss jedoch weiterhin angemessen und höher als die gezahlte Vergütung des vorhergehenden Jahres sein, § 17 Abs. 1 Berufsbildungsgesetz (BBiG). Die Änderung ist in den Ausbildungsvertrag aufzunehmen und der Industrie- und Handelskammer anzuzeigen.
Der Ausbildungsbetrieb muss außerdem gem. § 14 BBiG sicherstellen, dass die Ausbildungsinhalte durch geeignete Ausbilder vermittelt werden. Verletzt der Ausbildungsbetrieb diese oder die anderen Pflichten aus § 14 BBiG, kann er sich schadensersatzpflichtig machen (§§ 278, 823 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.V.m. § 14 BBiG). Außerdem kann die nach Landesrecht zuständige Behörde die weitere Ausbildung untersagen und die Ausbildungseignung aberkennen (§§ 32, 33 BBiG).


Pflichten der Auszubildenden


Solange das Ausbildungsverhältnis besteht, müssen auch die Auszubildenden ihre Verpflichtungen aus dem Ausbildungsverhältnis erfüllen. Dazu gehört auch das Anbieten ihrer Arbeitskraft, unabhängig davon, ob der Betrieb ihnen eine Beschäftigungsmöglichkeit bieten kann. Der Auszubildende kann von dem Unternehmen bzw. dem Insolvenzverwalter erst dann freigestellt werden, wenn der Betrieb stillgelegt ist. Solange das Ausbildungsverhältnis besteht, muss der Auszubildende weiter die Berufsschule besuchen, wenn die Auszubildenden berufsschulpflichtig sind oder der Berufsschulbesuch im Ausbildungsvertrag vereinbart worden ist. Ist das Ausbildungsverhältnis beendet, hängt es von den länderspezifischen Regelungen ab, ob die Teilnahme am Unterricht auf Wusch des Auszubildenden weiter möglich ist. Durch den Berufsschulbesuch allein kann die Ausbildung allerdings nicht ordnungsgemäß fortgesetzt werden.


Kündigung des Ausbildungsvertrages


Weder eine drohende Insolvenz noch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellen einen wichtigen Kündigungsgrund nach § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG dar. Vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens berechtigt allein die Betriebsstilllegung zur Kündigung. Diese kann gem. § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG fristlos erfolgen. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist eine Kündigung mit einer dreimonatigen Kündigungsfrist bereits dann möglich, wenn keine Ausbildungsmöglichkeiten mehr bestehen.
Die Auszubildenden müssen sich drei Monate vor Ende des Ausbildungsverhältnisses bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend melden. Erfahren sie erst zu einem späteren Zeitpunkt von der Beendigung des Ausbildungsverhältnisses, sollten sie die Meldung innerhalb von drei Tagen nachholen. Andernfalls kann eine Sperrung des Arbeitslosengeldes bis zu drei Monaten erfolgen.
Der Ausbildungsbetrieb und die Auszubildenden können grundsätzlich jederzeit schriftlich die Auflösung des Ausbildungsvertrages vereinbaren. Zu beachten ist allerdings, dass dies eine bis zu dreimonatige Sperrfrist des Arbeitslosengeldes für den Auszubildenden zur Folge haben kann. Zudem sollte der Ausschluss von Schadensersatzansprüchen explizit im Auflösungsvertrag vereinbart werden, damit etwaige gegenseitige Ansprüche nach § 23 Abs. 1 Satz 1 BBiG ausgeschlossen sind.


Insolvenzgeld für Auszubildende


Kann der Ausbildungsbetrieb die Ausbildungsvergütung nicht zahlen, können die Auszubildenden einen Anspruch auf Insolvenzgeld haben (§§ 183 ff. SGB III). Voraussetzung ist das Vorliegen eines sog. Insolvenzereignisses. Als Insolvenzereignis gelten:
1. die Eröffnung des Insolvenzverfahrens
2. die Abweisung des Antrages auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse
3. die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und mangels Masse auch nicht in Betracht kommt.
Insolvenzgeld wird grundsätzlich für die drei Monate, die vor dem Insolvenzereignis liegen, gezahlt. Hat der Auszubildende in Unkenntnis des Insolvenzereignisses gearbeitet, gilt der Tag der Kenntnisnahme als der Zeitpunkt, an dem die drei Monate rückwirkend ausgerichtet werden. Hat vor dem Insolvenzereignis ein Betriebsübergang nach § 613a BGB stattgefunden, endet der Insolvenzgeldzeitraum mit dem Tag vor der Betriebsübernahme. Ist das Ausbildungsverhältnis vor dem Insolvenzereignis geendet, umfasst der Insolvenzgeldzeitraum die letzten drei Monate des Ausbildungsverhältnisses.
Das Insolvenzgeld umfasst in der Regel die Höhe der Nettoausbildungsvergütung und wird dem Auszubildenden direkt ausgezahlt. Erhält der Auszubildende im Insolvenzgeldzeitraum Arbeitslosengeld, wird dies auf das Insolvenzgeld angerechnet. Gleiches gilt, wenn eine neue Ausbildung begonnen wird. Auf Antrag der Einzugstelle (Krankenkasse) werden von der Agentur für Arbeit für den Insolvenzgeldzeitraum die rückständigen Sozialversicherungsbeiträge des Ausbildungsbetriebes gezahlt.
Der Antrag auf Insolvenzgeld ist innerhalb von zwei Monaten nach dem Insolvenzereignis zu stellen. Die Antragsunterlagen sind bei den Agenturen für Arbeit bzw. im Internet erhältlich.


Fördermöglichkeiten für Ausbildungsbetriebe


Übernimmt ein Unternehmen einen Auszubildenden, dessen Ausbildung wegen einer Insolvenz, Stilllegung oder Schließung des ausbildenden Betriebes vorzeitig beendet worden ist, kann der Ausbildungsbetrieb einen Zuschuss in Form des Ausbildungsbonus nach § 421r SGB III beantragen. Die Höhe des Zuschusses richtet sich nach tariflich vereinbarten bzw. ortsüblichen Beträgen und kann bis zu 6.000 Euro betragen. Über den Antrag entscheidet die zuständige Agentur für Arbeit. Bitte wenden Sie sich für weitere Informationen an den Arbeitgeberservice der örtlichen Arbeitsagentur. Die Hotline des Arbeitgeberservice ist unter 01801-664466 zu erreichen. In einigen Bundesländern stehen verschiedene weitere Förderprogramme zur Verfügung. Informationen hierzu erhalten Sie bei der SIHK.
Für die Vollständigkeit der Ausführungen
wird keine Gewähr übernommen.
Diese Informationen ersetzen keine persönliche Beratung.
Dr. Esther Hartwich, DIHK
Juli 2009