ENERGIEWENDE-BAROMETER

Vertrauen in die deutsche Energiepolitik auf einem Tiefpunkt

Das Vertrauen der deutschen Wirtschaft in die Energiepolitik ist auf einem Tiefpunkt. Das zeigt das Energiewende-Barometer 2023 der IHK-Organisation, an dem sich 3.572 Unternehmen aus allen Branchen und Regionen beteiligt haben. Unternehmen sehen deutlich mehr Risiken als Chancen für die eigene Wettbewerbsfähigkeit. Energiepreise auf einem hohen Niveau sowie fehlende Planbarkeit und Verlässlichkeit in der Energiepolitik gehören ebenso zu den Kritikpunkten wie kaum umsetzbare Vorgaben. 
„Nie waren die Sorgen um die eigene Wettbewerbsfähigkeit größer“, sagte Achim Dercks, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), bei der Vorstellung des IHK-Energiewende-Barometers. „Während früher die Unternehmen auch Chancen in der Energiewende gesehen haben, überwiegen nun in der Einschätzung der gesamten Wirtschaft die Risiken“, so Dercks. „Weite Teile unserer Wirtschaft treibt die Sorge um eine auch mittel- und langfristig mangelhafte Energieversorgung stark um. Das ist eine insgesamt besorgniserregende Entwicklung, die wir alle sehr ernst nehmen sollten.“
Das ist eine insgesamt besorgniserregende Entwicklung, die wir alle sehr ernst nehmen sollten.

- Achim Dercks

Mehr Risiken als Chancen 

Insgesamt erwarten die Betriebe in Deutschland deutlich mehr Risiken als Chancen für die eigene Wettbewerbsfähigkeit: Für 52 Prozent der Unternehmen wirkt sich die Energiewende sehr negativ oder negativ auf das eigene Geschäft aus, für nur 13 Prozent sehr positiv oder positiv. In der energieintensiven Industrie sehen sich sogar drei Viertel der Betriebe negativ oder sehr negativ betroffen. 
„Angesichts der hohen Bedeutung der Industrie für den gesamten Wirtschaftsstandort sind diese Werte alarmierend“, warnte Dercks. „Selbst in Branchen, die häufig unmittelbar von Aufträgen im Rahmen der Energiewende profitieren – etwa Bauwirtschaft und Dienstleistung – trübt sich die Stimmung dem Barometer zufolge deutlich ein.“

Energiepolitik wird zum Transformationshemmnis

Ein zentraler Auslöser für die negativen Einschätzungen der Unternehmen sind die energiepolitischen Folgen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine. „Diese Entwicklung erschwert die Umsetzung der Energiewende deutlich“, stellte Dercks klar. „Unsere Umfrage zeigt: Der Politik ist es bislang leider nicht nachhaltig gelungen, erfolgreich gegenzusteuern. Nach dem Energiepreisschock Ende letzten Jahres und dem relativ glimpflich verlaufenen Winter sind die Unternehmen zutiefst in Sorge, was die weitere Entwicklung angeht. Sie sehen ihre Wettbewerbsfähigkeit infrage gestellt.“
Die Energiepreise blieben auf einem hohen Niveau, und es mangle an Perspektiven für die Wirtschaft in Deutschland, so das Resümee des stellvertretenden DIHK-Hauptgeschäftsführers. „Die zentralen Fragen sind nicht beantwortet.“
Die Unternehmen sehen sich zunehmend mit Vorgaben konfrontiert, die in der Praxis kaum umsetzbar sind.

- Achim Dercks

Fehlende Planbarkeit und Verlässlichkeit in der Energiepolitik rücken aus Sicht der Betriebe an die erste Stelle der Transformationshemmnisse. Knapp 60 Prozent der Unternehmen fühlen sich hierdurch ausgebremst. „Die Unternehmen sehen sich zunehmend mit Vorgaben konfrontiert, die in der Praxis kaum umsetzbar sind“, kritisierte Dercks. „Hinzu kommen Einsparziele aus dem Energieeffizienzgesetz, von denen niemand sagen kann, wie sie ohne ein Herunterfahren der Produktion erreicht werden können.“
Die Folge: Drei Viertel der Unternehmen fahren ihre Investitionstätigkeiten zurück. In der energieintensiven Industrie schränkt fast die Hälfte der Firmen ihre Investitionen sogar in den Kernbereichen ein. „Das ist das Gegenteil von dem Investitionsaufschwung, den wir zur Bewältigung der aktuellen Krisen und zur Beschleunigung der Transformation in Richtung Klimaneutralität brauchen“, so Dercks.

Energiewende verstärkt Abwanderung

In der Gesamtheit der Unternehmen überwiegen noch die Stimmen, die in Deutschland die Herausforderungen der Energiepolitik annehmen wollen. Die Standorttreue ist bei vielen Betrieben weiterhin stark ausgeprägt.
In der Industrie und hier besonders bei den großen Unternehmen nehmen jedoch die Pläne deutlich zu, dem Standort Deutschland den Rücken zu kehren. Fast ein Drittel der Industriebetriebe (32 Prozent) plant oder realisiert die Verlagerung von Kapazitäten ins Ausland beziehungsweise die Einschränkung ihrer Produktion im Inland – eine Verdopplung gegenüber dem Vorjahr.
Die Politik muss hier schnellstmöglich gegensteuern, um der Wirtschaft eine Perspektive in Deutschland zu erhalten. Die DIHK hat fünf Punkte erarbeitet, die die Energieversorgung der Unternehmen sichern. Die schnelle Umsetzung ist wichtig für den Standort Deutschland. 

dihk.de
Energiewende-Barometer 2023 der IHK-Organisation
Im jährlichen „Energiewende-Barometer der IHK-Organisation“ sind die Ergebnisse einer Online-Unternehmensbefragung zusammengefasst, an der sich in den IHK-Gremien ehrenamtlich engagierte Unternehmerinnen und Unternehmer sowie weitere Mitgliedsunternehmen der IHK-Organisation beteiligt haben. Ziel des Energiewende-Barometers ist es, eine umfassende Bewertung der Unternehmen bzgl. der Fortschritte der Energiewende und der aktuellen Klima- und Energiewendepolitik zu erhalten.

dihk.de
Energiekosten werden zur Produktionsbremse in Deutschland
Umfrageergebnisse auf den Punkt gebracht

dihk.de

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