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Gut vernetzt und flexibel aufgestellt: Die Photonik-Branche in Thüringen

„Solide wirtschaftliche Verfassung“, „Geschäftsklimaindex zeigt nach oben“, „F&E-Quote auf Rekordniveau“, „Export auf Rekordniveau“, „Beschäftigtenzahl wächst“ – Die Schlagzeilen im aktuellen Branchenreport des Jenaer Netzwerkes OptoNet wirken angesichts der jüngsten Wirtschaftsprognosen wie aus der Zeit gefallen. Doch der traditionelle Photonik-Standort hat einen entscheidenden Vorteil: Er ist gut vernetzt, sowohl regional als auch international. 
„Die Unternehmen sind flexibel aufgestellt und bedienen viele verschiedene und differenzierte Märkte“, erläutert Nora Kirsten, Geschäftsführerin des Branchennetzwerkes. Hinzu käme die traditionell enge Verbindung zur Forschung „Das macht unabhängiger und krisenfester.“ Auch die Krisenerfahrungen aus der turbulenten Wendezeit, in der viele der heute erfolgreichen Unternehmen gegründet wurden, würden für eine gute Resilienz sorgen. 

Regional verwurzelt und auf internationalen Märkten zuhause 

Das Technologiespektrum der Branche ist breit gefächert. Zur Palette der Kompetenzen und Produkte gehören unter anderem: Lichttechnik, optische Komponenten und Materialien, Messtechnik, Sensorik, Optoelektronik, Mechanik. Damit gehören Unternehmen aus der gesamten Wertschöpfungskette zum Netzwerk, was viele Synergien ermöglicht. Alle bewegen sich mit hochinnovativen Produkten und Technologien auf hochinnovativen Märkten – ein weiterer Standortvorteil, der aus einer fast schon als Symbiose zu bezeichneten engen Beziehung von Industrie und Forschung resultiert. „Diese kompakte Vielfalt sichert der Region sowohl deutschlandweit als auch im internationalen Vergleich ein anerkanntes Alleinstellungsmerkmal“, sagt Anke Siegmeier, die sich als zweite Geschäftsführerin für das internationale Standortmarketing engagiert. 
Der Photonics-Report, eine Umfrage des Netzwerkes unter 200 Firmen der Branche zeigt: 72 Prozent des Umsatzes erwirtschafteten die Thüringer Photonikunternehmen im Jahr 2022 im Ausland. Die Exportquote der Thüringer Industrie insgesamt liegt bei 37 Prozent. Die wichtigsten Exportmärkte sind Westeuropa, Nordamerika und China. Die größten Potenziale sehen die Unternehmen derzeit vor allem in den USA. „Wir unterstützen unsere Mitgliedsfirmen bei der Erschließung neuer Märkte sowohl mit einem umfangreichen Beratungsangebot als auch gemeinsam mit unseren Partnern bei der Organisation von Messeauftritten.“ Gleichzeitig unterstreicht sie die Wichtigkeit eines freien internationalen Handels. „Auch bei der sehr diversifizierten Länderstruktur des Auslandsumsatzes sind Handelsbeschränkungen sehr schädlich für die Firmen und den ganzen Photonikstandort.“

Enge Verbundenheit, auch unter Wettbewerbern

Geringe Distanzen, viele Kooperationen und eine „gemeinsame“ Geschichte - viele der Gründer der Wendezeit sind einen ähnlichen Weg gegangen - das verbindet und führt zu einem regen Austausch, der über die Grenzen des Wettbewerbsdenkens hinaus geht. „Diesen Geist auch in die nächste Unternehmergeneration zu tragen ist eine Herausforderung für das Netzwerkmanagement“, sagt Nora Kirsten. „Wir bieten deshalb viele Möglichkeiten zum Austausch zu übergreifenden Themen, wie IT, Qualitätsmanagement, Personalentwicklung oder auch Forschung und Entwicklung.“ Oftmals würden dort Konkurrenten an einem Tisch sitzen, konstruktiv diskutieren und zusammenarbeiten. Die stärkere digitale Orientierung der Nachfolgergeneration sei eine zusätzliche Bereicherung. 

W3+: Leistungsschau der Branche kommt nach Jena

Dass die in Branchenkreisen etablierte Netzwerkmesse W3+ am 29. und 30. November erstmals auch in Jena stattfindet, ist auch ein Ergebnis des Engagements der innovativen Unternehmen und aktiven Branchennetzwerke der Region. Zwei Tage lang dreht sich in der Sparkassenarena Jena alles um Technologien der Zukunft. Große und kleine Unternehmen zeigen vor Ort ihre Produkte und Dienstleistungen. Insgesamt sind über 130 Unternehmen und Partner dabei – aus Thüringen, anderen Bundesländern sowie aus dem Ausland. Auch die kostenfreie Begleitkonferenz en-tech.talks will Impulse setzen. In einer „Innovation Start-up Show“ stellen junge Unternehmen ihre Ideen vor. Renommierte Firmen präsentieren neuste technologische Entwicklungen der Photonik-Region Thüringen. Die nächste W3+-Messe in Jena ist auch schon in Planung: Sie soll im September 2024 stattfinden. 

Ohne gute MINT-Bildung und Zuwanderung kein Hightech

Wie wichtig multikulturelle und internationale Offenheit ist, zeigen die Reaktionen der Unternehmen auf die größte Bedrohung für das Wirtschaftswachstum der Branche: Fachkräftemangel. Die Besetzung offener Stellen gestaltet sich immer aufwändiger und wird zunehmend zu einer langwierigen Herausforderung. Knapp zwei Drittel der für den aktuellen Branchenreport befragten Unternehmen bewerten diese Situation mittlerweile als ernste Gefahr, vor allem weil sie für die nahe Zukunft zur Umsetzung ihrer Ziele mit „deutlich mehr“ (17 Prozent) oder „mehr“ (52 Prozent) Beschäftigten planen. „Damit der Mangel an Fachkräften nicht zum Verlust von Wettbewerbsfähigkeit und Marktanteilen führt, müssen wichtige Hebel im Bildungsbereich und bei der Gewinnung ausländischer Fachkräfte in Bewegung gesetzt werden“, fordert deshalb Anke Siegmeier.
„Vor diesem Hintergrund fordern wir von der Thüringer Landesregierung deutlich größere Anstrengungen zur Sicherung eines qualitativ hochwertigen naturwissenschaftlichen Unterrichts an allen Schulformen, eine Strategie zur Bekämpfung des Lehrermangels und eine gezielte Berufsorientierung“, sagte Anke Siegmeier. „Die Unternehmen sind bereit, ihren Beitrag zu leisten und investieren schon jetzt viel Zeit und Geld in Aktivitäten zur Unterstützung von Schulen. Das hilft aber alles nichts, wenn wertvolle Unterrichtszeit nicht genutzt wird.“
Die Photonikbranche ist auch aufgeschlossen gegenüber ausländischen Fachkräften. In vielen Unternehmen (80 Prozent) seien schon Mitarbeiter mit internationalem Hintergrund beschäftigt. „Wir haben in Jena einen großen Anteil Internationaler Studierender, die auch in den Unternehmen gern gesehen werden, ob nun für Praktika oder Bachelor- bzw. Masterarbeiten. Wir brauchen bessere Rahmenbedingungen damit es gelingt, sie dauerhaft für uns zu gewinnen“, so Anke Siegmeier. Derzeit seien die Hürden noch zu hoch. „Wir konkurrieren hier mit der ganzen Welt – nicht nur in Punkto Löhne, auch beim Lebensumfeld.“ Auch an die Unternehmen appelliert sie, einen Schritt aus der Komfortzone hinauszugehen und sich weiter zu öffnen – zum Beispiel nicht allein auf perfekte Deutschkenntnisse zu sehen.

Über OptoNet e.V.
OptoNet bündelt die Interessen von aktuell 120 Unternehmen, Forschungs- und Bildungseinrichtungen der Photonik und fördert Vernetzung und Kooperation mit dem Ziel die Entwicklung der Optischen Technologien in der Region voranzubringen, die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen und die nationale und internationale Sichtbarkeit des Clusters zu steigern. OptoNet versteht sich dabei als Dienstleister seiner Mitglieder, schafft eine gemeinsame Kommunikations- und Kooperationsplattform und engagiert sich aktiv für Fachkräftesicherung, Nachwuchsförderung und Standortmarketing. Seit dem Frühjahr 2023 ist das Clustermanagement mit dem ECEI GOLD-Label „Cluster Management Excellence“ zertifiziert.

optonet-jena.de
Der PHOTONICS Report 2023
Der Bericht zu den aktuellen Geschäftszahlen, Umsatz- und Beschäftigungsprognosen wird seit 2001 im Zweijahresrhythmus veröffentlicht. Die Befragungen wurden im Auftrag von OptoNet vom CATI Labor des Instituts für Soziologie der Universität Jena durchgeführt.

photonicsreport.optonet.info
W3+ Fair
Die Veranstaltung geht auf eine Industrieinitiative in Wetzlar und Mittelhessen zurück, die die Vernetzung der vier Branchen Optik, Photonik, Elektronik und Mechanik vorantreiben will. Durch neue Schnittstellen sollen zukunftsweisende Technologien gefördert werden. Die Messe fand erstmals im Februar 2014 in Wetzlar statt. Ausgerichtet wird die W3+ Fair vom Hamburger Messeveranstalter Fleet Events (fleet-events.de). Im September 2019 feierte auch die die W3+ Fair Rheintal in der Vierländer Hightech-Region Premiere. 2023 erweitert der Veranstalter sein Portfolio um die W3+ Fair Jena.

Fachliche Unterstützung bekommt die W3+ Fair in Jena von den beiden Goldpartnern OptoNet Jena e.V. sowie dem europäischen Photonik-Netzwerk EPIC. Neu in der Riege der Kompetenzpartner – neben langjährigen Wegbegleitern wie Spectaris, OptecNet Deutschland, Photonics Germany oder IVAM – sind Tridelta Campus Hermsdorf, Thüringer Zentrum für Maschinenbau, Medizintechniknetzwerk medways, Metropolregion Mitteldeutschland, EEN enterprise europe network sowie die IHK Ostthüringen zu Gera.

w3-fair.com/jena
 

 
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