DATENSTAPEL STATT EINSPARPOTENZIALE

Gibt das Energieeffizienzgesetz dem Wirtschaftsstandort Deutschland einen Impuls in die richtige Richtung?

Gastbeitrag von Dr. Sebastian Bolay, Bereichsleiter Energie, Umwelt, Industrie bei der DIHK.
Die Steigerung der Energieeffizienz ist eine viel zu wenig erzählte Erfolgsgeschichte der deutschen Wirtschaft: Während die Wirtschaftsleistung seit 1990 um mehr als 50 Prozent zugenommen hat, ging der Endenergieverbrauch um neun Prozent zurück. Die vielfach geforderte Entkoppelung zwischen Energieeinsatz und Wachstum hat durch die Steigerung der Energieeffizienz im Unternehmensalltag schon lange stattgefunden.
Nun legt das gerade verabschiedete Energieeffizienzgesetz (EnEfG) erstmals ein verbindliches Energieeinsparziel fest. Deutschland soll seinen Energieverbrauch bis 2030 gegenüber 2008 um 26,5 Prozent senken. Bis Ende 2021 wurden aber erst vier Prozentpunkte eingespart. Aus heutiger Sicht ist es nur möglich, dieses Ziel zu erreichen, wenn es gesetzliche Vorgaben gibt, wann beispielsweise kein Auto mehr fahren darf oder wann Industrieproduktion stillzulegen ist. Für den Wirtschaftsstandort Deutschland sind das düstere Aussichten.
Für die Unternehmen bringt das Effizienzgesetz vor allem neue Pflichten und Auflagen. Die umfangreichen Nachweis- und Offenlegungspflichten für betriebliche Maßnahmenpläne und Abwärmepotenziale sowie Informationspflichten über Energieverbrauchsdaten von Rechenzentren bedeuten unnötige Bürokratie. Statt die Kapazitäten bei Auditoren, Zertifizieren und betrieblichen Energiemanagern prioritär für die Erschließung relevanter Einsparpotenziale einzusetzen, produziert das Gesetz Datenstapel. Es ist daher nicht auszuschließen, dass die Umsetzung von Effizienzmaßnahmen auf der Strecke bleibt. Wer dagegen Leidenschaft für den betrieblichen Klimaschutz weckt und Freiräume für kreative Effizienzlösungen schafft, der bekommt Energieeinsparung quasi umsonst.
Die EnEfG-Vorgaben zur Nutzung von Abwärme, für Rechenzentren ab 300 kW oder die Umsetzungspläne für nach dem Gesetz als wirtschaftlich deklarierte Einsparmaßnahmen werden dagegen kaum zusätzliche Wirkung entfalten. Schließlich sorgen hohe Energiepreise gepaart mit steigenden CO2-Kosten und den in vielen Betrieben vorhandenen Energiemanagementsystemen automatisch dafür, dass sich Unternehmen um ihre Energiebilanzen kümmern. Ein hohes ökologisches Verantwortungsbewusstsein und die Erwartungen der Kunden tun ihr Übriges. Es verwundert, dass ein Gesetz, das das Wort Energieeffizienz trägt, keine Maßnahmen zur Stärkung des Energiedienstleistungsmarkts vorsieht. Eine massive Steigerung der Energieproduktivität lässt sich nur erreichen, wenn Unternehmen entsprechende Hilfe von professionellen Dienstleistern erhalten können. Wir denken zum Beispiel an Verbesserungen für Contracting-Maßnahmen. Diese sollten direkten Unternehmenstätigkeiten überall gleichgestellt werden. Des Weiteren empfehlen wir, die Förderprogramme für Energieeffizienz deutlich zu entschlacken, indem etwa auf eine steuerliche Förderung über Sonderabschreibungen oder direkte Investitionszuschüsse umgestellt wird. Ein zweiter Aspekt bei der Förderung ist das „Was“. In vielen Fällen sind die Quick-wins geerntet, Quer- schnittstechnologien optimiert. Darum rücken vermehrt Kernprozesse in den Fokus, die mit erheblichen unternehmerischen Risiken und Investitionssummen weit über das normale Maß hinaus verbunden sind. Hier könnte die Bundesregierung beispielsweises mit gekoppelter zusätzlicher Forschungsförderung unterstützen. Auch das Erfolgsmodell der Effizienznetzwerke mit ihrem partnerschaftlichen Ansatz zeigt, wie es ohne staatliche Vorgaben funktionieren kann. 
Der Artikel erschien zuerst im Sonderheft e|m|w 2|23! von: „e|m|w · Das ener|gate-Magazin“
emw-online.com
 
Immer aktuell über Neues im Onlinemagazin informiert sein? Abonnieren Sie unseren Newsletter „News Ostthüringer Wirtschaft“
Jetzt hier anmelden
Sie haben Fragen, kritische Hinweise, Verbesserungsvorschläge oder eine Idee für einen Artikel? Schreiben Sie uns: magazin@gera.ihk.de.
Mit Namen oder Initialen gezeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der IHK wider.
Zur besseren Lesbarkeit verwenden wir Status-  und Funktionsbezeichnungen in der Regel in der männlichen Form. Sie gelten jedoch für alle Geschlechter gleichermaßen.