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Wirtschaftsbeziehungen mit den EU-Nachbarn in den Fokus rücken
Der russische Angriffskrieg in der Ukraine hat Deutschland und der EU einmal mehr die Bedeutung stabiler wirtschaftlicher Beziehungen mit den Nachbarländern verdeutlicht. Bereits in der Corona-Krise waren Verletzlichkeiten globaler Lieferketten sichtbar geworden. Umso wichtiger sind in einer zunehmend entkoppelten Weltwirtschaft die unmittelbaren Nachbarländer der Europäischen Union. Immerhin entfallen fast 40 Prozent des europäischen Außenhandels auf diese Staaten – 2022 waren es über zwei Billionen Euro.
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Die EU sollte sich daher für möglichst enge institutionelle Beziehungen mit ihrer Nachbarschaft einsetzen, um die Resilienz, Souveränität und Attraktivität des europäischen Binnenmarktes zu stärken. In unmittelbarer Nähe liegen hier wirtschaftliche Potenziale etwa für Nearshoring und Lieferkettendiversifizierung. Das Thema sollte aus Sicht der deutschen Unternehmen eine Priorität nach der Europawahl werden.
Verhältnis zu UK und Schweiz ordnen
Es ist wichtig, gerade mit dem Vereinigten Königreich (UK) und der Schweiz wieder engere Beziehungen zu verankern und weitere regulatorische Divergenz zu verhindern. Der Brexit bleibt ein wirtschaftliches Desaster für beide Seiten des Kanals und hat auch den Warenaustausch mit Deutschland erschwert: 2017 war UK noch fünftwichtigster deutscher Handelspartner, mittlerweile rangieren die Briten nur noch auf Platz neun. Die 2026 anstehende Überprüfung des EU-UK-Handelsabkommens sollte die Vertiefung der institutionellen Beziehungen in den Bereichen Außenpolitik und Dienstleistungen anstreben, um Handel und Investitionen zu erleichtern. Die institutionelle Wiederanbindung des Vereinigten Königreichs beim Datenschutz sowie an das EU-Emissionshandelssystem sollte zudem den freien Datentransfer gewährleisten und die Einführung von Klimazöllen verhindern. Beides ist für deutsche Unternehmen sehr wichtig.
Auch die Beziehungen zur Schweiz gehören auf Agenda: Seit die Eidgenossen im Jahr 2021 die Verhandlungen über ein Rahmenabkommen mit der EU überraschend abbrachen, sind Unternehmen auf beiden Seiten zunehmend mit Rechtsunsicherheit und neuen Hürden konfrontiert. Den privilegierten Handelsbeziehungen droht eine schrittweise Verschlechterung. In den 2024 gestarteten Neuverhandlungen gilt es nun, eine engere institutionelle Kooperation voranzutreiben.
Für die deutsche Wirtschaft wäre dabei insbesondere wichtig, das EU-Schweiz-Handelsabkommen zu modernisieren. Die Schweiz sollte dem europäischen Programmen Horizon Europe sowie Erasmus+ wieder beitreten und bei der Mitarbeiterentsendung das Erfordernis einer Anmeldung acht Tage im Voraus abbauen. Erforderlich ist auch eine neue institutionelle Einigung zwischen der EU und der Schweiz, in deren Zentrum verbindliche Streitbeilegung und eine dynamische Rechtsanpassung an EU-Regelungen stehen sollten – letztere sichert die gegenseitige Anerkennung in den relevanten Wirtschaftsbereichen.
Wirtschaftsprioritäten zur EU-Erweiterung
Grundsätzlich sollten so viele Staaten wie möglich eng an den europäischen Binnenmarkt herangeführt werden. Hierbei geht aus Sicht der deutschen Unternehmen Qualität vor Geschwindigkeit. Wichtig ist dabei eine enge Einbindung der Wirtschaft im Zuge der Beitrittsverhandlungen. Frühzeitig kann die EU die Wirtschaftsbeziehungen mit Beitrittskandidaten stärken, indem sie den Europäischen Wirtschaftsraum EWR mehr in den Fokus zu rückt. Auch könnte Beitrittskandidaten in Aussicht gestellt werden, dass sie nach erfolgter Übernahme von EU-Recht bereits partiellen Zugang zum Binnenmarkt und zu einigen EU-Programmen erhalten.
Aus Unternehmenssicht ist das umfassende Erfüllen aller Beitrittskriterien – insbesondere des Rechtsstaatsprinzips – unerlässlich, um Rechtssicherheit bei Handel und Investitionen zu garantieren. Gleichzeitig sind Reformen innerhalb der EU mit Blick auf deren Politik, Institutionen und den Haushalt nötig, um als vergrößerte EU wirtschaftlich stabil und handlungsfähig zu bleiben.
Chancen in weiteren Nachbarmärkten ergreifen
Auch die erheblichen wirtschaftlichen Potenziale im Austausch mit weiteren Nachbarländern sollte die EU erschließen. So ist etwa der Industriestandort Türkei für deutsche Unternehmen ein interessanter Nearshoring-Markt. Die überfällige Modernisierung der EU-Türkei-Zollunion aus dem Jahr 1996 kann Handel und Investitionen erleichtern. Im Mittelmeerraum sollte die EU ihre Handelsbeziehungen ebenfalls verstärken. Wichtig sind hierfür insbesondere Aktualisierungen der EU-Abkommen mit Marokko, Tunesien und Algerien.
Weitere bedeutende Chancen für die deutsche Wirtschaft liegen im Kaukasus und in Zentralasien. Als wichtigster Handelspartner und Investor sollte die EU dazu beitragen, die Infrastruktur in der Region zu stärken, um insbesondere einen wettbewerbsfähigen Landkorridor durch Zentralasien nach Ostasien zu schaffen. Auch der Rohstoff- und Energie-Handel sollte durch EU-Abkommen abgesichert werden, die den freien Warenaustausch und nachhaltige Investitionen ermöglichen. Wenn es der EU gelingt, ihre Nachbarn in die grüne und digitale Transformation einzubinden, kann sie ihre Rolle als attraktiver Handelspartner stärken sowie die Wettbewerbsfähigkeit des Kontinents sichern.
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