GENEHMIGUNGSPROZESSE BESCHLEUNIGEN

Spagat: Dynamisches Umweltrecht und Planungssicherheit

Zu lang, zu kompliziert, zu aufwändig: umweltrechtliche Genehmigungsprozesse stehen bei den Unternehmen immer wieder in der Kritik. Einerseits ist da das sehr dynamische Umweltrecht mit immer wieder neuen Anforderungen und Regelungen. Andererseits der behördliche Genehmigungsprozess, von dem viele Unternehmer den Eindruck haben, er sei eher darauf angelegt, Projekte zu verhindern statt zu ermöglichen. Beides geht zu Lasten der Planungssicherheit. Es schränkt unternehmerische Handlungsfreiheit und am Ende auch wirtschaftliche Entwicklung ein.
„Das Umweltrecht ist so dynamisch und komplex, dass sich noch während eines laufenden Genehmigungsprozesses die betreffenden Vorschriften der rechtliche Rahmen grundlegend ändern können“, schildert Marcel Michele-Naussed seine Erfahrungen als Umweltverantwortlicher des Stahlwerkes Thüringen. Und das, wo sowieso schon zu viele Einflussfaktoren die Planung und Umsetzung von Investitionen erschweren und zu erheblichen Planungsunsicherheiten führen. Als stellvertretender Vorsitzender des Ostthüringer Ausschusses für Energie und Umwelt setzt er sich deshalb nicht nur für verlässliche gesetzliche Rahmenbedingungen ein, sondern auch für die Optimierung von Prozessen in allen Verwaltungsebenen, zum Beispiel mit einheitlichen Standards und einer effektiveren digitalen Bearbeitung der Genehmigungen. Auch mehr Sensibilität auf beiden Seiten – „Wenn Behörden die Entscheidungsprozesse der Unternehmen verstehen und Unternehmen die Zwänge der Behörden kennen“ – könnten die Prozesse beschleunigen.
Die Unternehmer der Ausschüsse für Industrie und Umwelt der IHK haben sich deshalb Ende Februar über die aktuelle Rechtslage sowie Lösungsansätze informiert und diskutiert. Dazu hatten sie sowohl Mario Suckert, Präsident des Thüringer Landesamtes für Umwelt, Bergbau und Naturschutz, als auch Dr. Daniela Schäfrich und Dr. Helmar Hentschke, beide Anwälte für Umweltrecht, eingeladen.

Beschleunigungspakt: Es müssen Taten folgen!

Bund und Länder haben sich mit einem Beschleunigungspakt Anfang November 2023 verpflichtet, Blockaden aufzulösen. „Der Ankündigung müssten nun gesetzgeberische Taten folgen“, sagt Steffi Keil, Sachgebietsleiterin Innovation und Umwelt der IHK Ostthüringen. „Unternehmen brauchen Erleichterungen wie bspw. mehr Anzeige- statt Genehmigungspflichten, verbindliche Fristen- und Stichtagsregelung für alle Beteiligten sowie Stichprobenkontrollen statt flächendeckender zeitintensiver Überwachung.“ Notwendig sei ein Kulturwandel in den Behörden. Deren Maxime müsse sein, Projekte zu ermöglichen, statt sie durch Risikominimierung und kleinteilige Vorgaben zu beeinträchtigen.
Die wichtigsten Impulse aus dem Beschleunigungspakt stellten Dr. Daniela Schäfrich und Dr. Helmar Hentschke vor. Sie gaben auch einige Hinweise, wie Unternehmen und Behörden ihre Zusammenarbeit bereits jetzt optimieren könnten. So könnte parallel zum Bauantrag bereits der Genehmigungsprozess laut Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSch) angeschoben werden. In einer frühen Planungsphase mit den Behörden in Kontakt zu treten, ermögliche im Dialog, die gesetzlichen Anforderungen bereits im Planungsprozess zu berücksichtigen. Außerdem halten sie bei komplexeren Projekten die Zusammenarbeit mit einem externen Projektmanager für sinnvoll. Der könnte die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Genehmigungsbehörde koordinieren und bei Problemen vermitteln. Ein ähnliches Ziel verfolgen sogenannte „Antragskonferenzen“, die auch im Thüringer Umweltrecht verankert sind: Eine Projektpräsentation vor allen Beteiligten, die dann gemeinsam festlegen, welche Unterlagen zur Beurteilung des Vorhabens notwendig sind.

Prozesse optimieren und digitalisieren

Alle Partner rechtzeitig einzubeziehen und für einen ständigen Austausch sprach sich auch Mario Suckert aus. So könne nicht nur das jeweilige Projekt profitieren. Mit Mario Suckert, dem Thüringer Umweltministerium sowie den Umweltbehörden führen die Thüringer IHKs und Unternehmen seit 2023 regelmäßige Arbeitsgespräche, um Genehmigungsprozesse und die Zusammenarbeit zu optimieren.
Die wichtigsten Gesprächsthemen:
  • Erleichterungen für alle BImSch-Anlagen (nicht nur Fokus auf Windkraftanlagen)
  • frühzeitige Kommunikation aller Beteiligten, schon weit vor dem eigentlichen Projektstart
  • Optimierung von Prozessen in allen Verwaltungsebenen inkl. effizienter digitaler Bearbeitung
  • Ausbau der Fachkompetenz in der Verwaltung sichern (Weiterbildung und Standardisierung von Anforderungen)
  • bestehende Instrumente richtig nutzen und bspw. parallele Verfahren (z.B. Bauleitplanung und BImSch-Verfahren) ermöglichen und damit insgesamt das Verfahren beschleunigen (schon jetzt möglich)
IHK-Ausschuss für Industrie und Forschung
Der Ausschuss befasst sich mit den Rahmenbedingungen eines modernen Industrie- und Forschungsstandortes.
Technologieoffenheit, eine optimale Versorgung mit Infrastruktur und der sichere Zugang zum Welthandel sind Basis für erfolgreiche Industrieunternehmen. Dazu gehören die Gestaltung von Transformationsprozessen in einzelnen Branchen, die Förderung des Technologietransfers und die Steigerung der Industrieakzeptanz ebenso wie die Strategien zur Implementierung von Industrie 4.0-Technologien und digitalen Lösungen.

ihk.de/gera/ausschuesse
IHK-Ausschuss für Energie und Umwelt
Die Sicherheit der Energie- und Rohstoffversorgung sowie die Kosten für Energie und Rohstoffe sind wichtige Standortfaktoren und Mittelpunkt der Ausschussarbeit. Es sind verlässliche politische Rahmenbedingungen nötig, damit Unternehmen wirtschaftlich erfolgreich und zugleich verantwortlich handeln können. Im Brennpunkt stehen daher die sichere, wettbewerbsfähige und umweltfreundliche Versorgung sowie die marktwirtschaftliche Gestaltung von Klimaschutz und Energiewende.

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