EU-LIEFERKETTENGESETZ

DIHK und IHK warnen vor Überforderung der Unternehmen

Mit der offiziellen Zustimmung der 27 Mitgliedstaaten ist das EU-Lieferkettengesetz nun endgültig Fakt. Nach Auffassung der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) ein Grund mehr, die deutsche Wirtschaft nicht länger mit einem nationalen Regelwerk einseitig zu belasten. 
Eine nationale Gesetzgebung aufrechtzuerhalten, während in fast allen anderen EU-Mitgliedstaaten eine derartige Regelung noch gar nicht existiert, schafft eindeutig Wettbewerbsnachteile für die deutsche Wirtschaft.

DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben


"Damit den deutschen Unternehmen im Binnenmarkt kein Wettbewerbsnachteil entsteht, muss die Bundesregierung das deutsche Lieferkettengesetz bis zur Umsetzung der EU-Regelung in nationales Recht umgehend aussetzen", fordert vor diesem Hintergrund DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben. "Eine nationale Gesetzgebung aufrechtzuerhalten, während in fast allen anderen EU-Mitgliedstaaten eine derartige Regelung noch gar nicht existiert, schafft eindeutig Wettbewerbsnachteile für die deutsche Wirtschaft." 

Umsetzung der EU-Regeln so schlank wie möglich halten

Die nächste Herausforderung sei dann, „eine Flut von neuer Bürokratie sowie ein Umsetzungschaos zu vermeiden“, warnt der DIHK-Hauptgeschäftsführer. „Die Umsetzung der Richtlinie muss eins zu eins und so schlank wie möglich erfolgen, um deutsche Unternehmen nicht schlechter zu stellen. Gleichzeitig muss eine möglichst bürokratiearme und praxistaugliche Ausgestaltung der Regelungen bei der Umsetzung in nationales Recht im Vordergrund stehen, um Unternehmen nicht komplett zu überfordern.“
Die tatsächlichen Kontroll- und Einflussmöglichkeiten einzelner deutscher KMU, die zum Teil gar nicht auf dem betroffenen Markt selbst agieren, werden deutlich überschätzt.

Almut Weinert, Bereichsleiterin Wirtschaft und Technologie der IHK Ostthüringen


Almut Weinert, Bereichsleiterin Wirtschaft und Technologie bei der IHK Ostthüringen macht deutlich, dass auch Zulieferer größerer Unternehmen betroffen sind, die zunächst vom Gesetz nicht ausdrücklich zur Lieferkettenkontrolle verpflichtet werden. „Was für große Firmen mit gut funktionierenden Compliance-Abteilungen schon eine große Herausforderung ist, können KMU und Kleinstunternehmen überhaupt nicht bewältigen“, unterstreicht sie. „Menschenrechte und Umweltschutz im eigenen Betrieb zu garantieren ist ein völlig gerechtfertigter Anspruch, dem sich jeder Unternehmer stellen muss. Lieferketten sorgfältig zu prüfen, auch“, räumt sie ein. „Die tatsächlichen Kontroll- und Einflussmöglichkeiten einzelner deutscher KMU, die zum Teil gar nicht auf dem betroffenen Markt selbst agieren, werden aber deutlich überschätzt.“
Zum Lieferkettengesetz
Die europäische Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit (Corporate Sustainability Due Diligence Directive, CSDDD/CS3D) verpflichtet Unternehmen so weit wie möglich sicherzustellen, dass in ihren Wertschöpfungsketten keine Verletzungen von Menschenrechten oder Umweltpflichten stattfinden. Dabei müssen sie sowohl direkte als auch indirekte Geschäftspartner im Blick haben. 

Die Richtlinie wird 20 Tage nach Veröffentlichung im EU-Amtsblatt in Kraft treten. Dann haben die Mitgliedsstaaten zwei Jahre Zeit, die Regeln in nationales Recht umzusetzen. Obwohl sich das europäische Gesetz in wichtigen Punkten eng an das seit 1. Januar 2023 in Deutschland geltende Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) anlehnt, geht es in bestimmten Aspekten darüber hinaus. Das deutsche LkSG wird also an die neuen Vorgaben angepasst werden müssen. 

Nach einer Übergangsfrist von fünf Jahren nach Inkrafttreten fallen alle europäischen Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern und mehr als 450 Mio. Euro weltweitem Nettoumsatz in den Anwendungsbereich. Dies gilt unabhängig von der Beschäftigtenanzahl auch für nicht EU-ansässige Unternehmen, die mehr als 450 Millionen Euro Nettoumsatz in der Union generieren. Zum Vergleich: Das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) erfasst derzeit alle deutschen Unternehmen mit mindestens 1.000 Beschäftigten ohne Umsatzschwelle. 

Zum Schutz indirekt betroffener KMU verpflichtet die EU die unmittelbar erfassten Unternehmen, ihre KMU-Geschäftspartner, soweit erforderlich, zur Einhaltung von Menschenrechts- und Umweltstandards zu befähigen. So sollen sie ihnen den „Zugang zu Kapazitätsaufbau, Schulungen oder die Modernisierung von Managementsystemen“ bereitstellen bzw. ermöglichen. Zudem müssen sie „gezielte und angemessene finanzielle Unterstützung“ leisten, wenn andernfalls „die Tragfähigkeit des KMU gefährdet würde“. 

Darüber hinaus plant die Kommission, Mustervertragsklauseln zu veröffentlichen, um Unternehmen bei der Einhaltung ihrer geschäftspartnerbezogenen Pflichten zu unterstützen. 

Einer der größten Unterschiede zwischen dem LkSG und der CSDD besteht darin, dass sich die EU-Variante bei Verstößen nicht auf die Verhängung von Bußgeldern beschränkt, sondern bei vorsätzlicher oder fahrlässiger Verletzung der Sorgfaltspflichten auch eine zivilrechtliche Haftung für dadurch entstandene Schäden vorsieht. 

Die konsolidierte Textfassung der europäischen Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit kann auf der Internetseite des Europäischen Parlaments eingesehen werden. 

Download 
europarl.europa.eu
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