Freistellung zur Prüfung und Berufsschule

Seit dem 1. August 2024 ist die Wegezeit von der Berufsschule zum Betrieb auf die Ausbildungszeit anzurechnen (§ 15 Abs. 2 Nummer 1 BBiG).

Gleiches gilt für Prüfungen: Auch die Fahrtzeit zwischen Prüfungsort und Betrieb muss vom Ausbildungsbetrieb als Ausbildungszeit angerechnet werden.

Freistellung von Azubis für die Abschlussprüfung

An dem Arbeitstag, der der schriftlichen Abschlussprüfung unmittelbar vorangeht, haben Auszubildende einen Anspruch auf einen freien Tag (BBiG § 15 Abs. 1). Die Anrechnung erfolgt mit der durchschnittlichen täglichen Ausbildungszeit. Dieser Anspruch gilt nicht für die Zwischenprüfung.
Wenn sich die Abschlussprüfung nach der Ausbildungsordnung in zwei zeitlich auseinanderfallende Teile gliedert, können Auszubildende einen Anspruch auf insgesamt zwei freie Tage haben, jeweils vor der schriftlichen Prüfung im ersten Teil der Abschlussprüfung und vor der schriftlichen Prüfung im zweiten Teil. Voraussetzung ist jedoch, dass der jeweilige Prüfungsteil eine eigenständige schriftliche Prüfung enthält.
Zum Beispiel: Kaufleute für Büromanagement, Kaufleute im Einzelhandel, IT-Berufe sowie weitere Ausbildungsberufe mit gestreckter Abschlussprüfung.
Wenn der jeweiligen schriftlichen Prüfung kein Arbeitstag unmittelbar vorangeht (z. B. bei Prüfungsbeginn an einem Montag, nach einem Feiertag oder nach einem Berufsschultag), besteht kein Freistellungsanspruch.

Freistellung von Azubis für die Berufsschule

Der Ausbildungsbetrieb ist verpflichtet, schulpflichtige Auszubildende für den Berufsschulunterricht – unter Fortzahlung der Vergütung – freizustellen (§ 15 BBiG, § 9 JArbSchG). Der Ausbildungsbetrieb muss ihnen also die Teilnahme am Unterricht ermöglichen und darf sie während dieser Zeit nicht beschäftigen – egal wie dringlich die Erledigung im Betrieb anfallender Arbeiten auch sein mag.
Zudem dürfen Auszubildende vor einem vor 9 Uhr beginnenden Unterricht nicht beschäftigt werden (§ 9 JArbSchG).
  1. Unterrichtsausfall
    Fällt der Unterricht aus, entfällt auch die Freistellungspflicht, so dass der Auszubildende unverzüglich in den Betrieb zurückkehren muss.
  2. Freistellung für virtuellen Unterricht
    Die Freistellungsverpflichtung gilt auch für virtuellen Unterricht. Maßgeblich für die Freistellungspflicht ist die von der Berufsschule für den virtuellen Unterricht veranschlagte Zeit.
  3. Sanktionen bei Nichtfreistellung
    Stellt der Ausbildungsbetrieb seine Auszubildenden nicht für den Schulbesuch frei, begeht er eine Ordnungswidrigkeit, die mit Geldbuße bis 5.000 Euro (bei Minderjährigen: bis 15.000 Euro) geahndet wird (§ 101 Abs. 1 Nr. 4 BBiG, § 58 Abs. 5 Nr. 6 JArbSchG).

    Im Wiederholungsfall kann dem Ausbildungsbetrieb außerdem die Ausbildungsbefugnis durch die IHK entzogen werden (§ 33 BBiG).

    Auszubildende, die vom Ausbildungsbetrieb nicht für den Berufsschulbesuch freigestellt werden, sind berechtigt, „eigenmächtig“ am Unterricht teilzunehmen. Der Ausbildungsbetrieb darf sie deshalb nicht abmahnen, kündigen oder ihnen hierfür Urlaub abziehen.

Anrechnung der Berufsschulzeit

Von der Freistellung zu unterscheiden ist die Frage der Anrechnung der Berufsschulzeit. Die Anrechnung regelt, in wie weit die Berufsschulzeit als Arbeitszeit gilt, also die betriebliche Ausbildungszeit ersetzt.
Die Anrechnung der Berufsschulzeit ist seit dem 1.1.2020 für jugendliche und erwachsene Auszubildende gleich geregelt:
Grundsätzliche Anrechnungsregel
Berufsschulunterricht wird grundsätzlich mit der tatsächlichen Unterrichtszeit plus Pausen auf die Ausbildungszeit angerechnet (§ 9 Abs. 2 Nr. 3 JArbSchG, § 15 Abs. 2 Nr. 1 BBiG).
Teilzeitunterricht
  • An einem Berufsschultag mit mehr als 5 Unterrichtsstunden ist der Auszubildende für den gesamten Tag freizustellen. Dieser Berufsschultag ist mit der durchschnittlichen täglichen Ausbildungszeit anzurechnen. (§ 9 Abs. 2 Nr. 1 JArbSchG; § 15 Abs. 2 Nr. 2 BBiG). Die Anrechnungspflicht gilt auch, wenn der Berufsschultag außerhalb der betrieblichen Ausbildungszeit liegt.
    Beispiel 1:
    Die betriebliche Ausbildungszeit beträgt Montag bis Donnerstag jeweils 7,5, freitags nur 6 Stunden. Die durchschnittliche tägliche Ausbildungszeit beträgt daher 7 Stunden und 12 Min. Der Azubi muss freitags zur Berufsschule, diese dauert sechs Unterrichtsstunden à 45 Minuten. Der Berufsschulbesuch ist also mit 7:12 Stunden anzurechnen, auch wenn die freitägliche betriebliche Ausbildungszeit nur 6 Stunden beträgt. Der Auszubildende hat also einen “überschießenden” Freistellungsanspruch an den anderen Tagen von insgesamt 1:12 Stunde.

    Beispiel 2:
    Der über fünfstündige Berufsschultag ist montags. Montags wird im Ausbildungsbetrieb nicht gearbeitet. Die wöchentliche Ausbildungszeit beträgt 40 Stunden (dienstags bis samstags, jeweils 8 Stunden). Der Berufsschulbesuch ist also mit acht Stunden anzurechnen, auch wenn der Berufsschultag außerhalb der Ausbildungszeit liegt. Der Auszubildende kann also nur noch 32 Stunden im Betrieb ausgebildet werden.
  • Ein zweiter Berufsschultag in der Woche (mit mehr als 5 Unterrichtsstunden) wird mit der tatsächlichen Unterrichtszeit angerechnet. Pausenzeiten gelten hier als Unterrichtszeit und damit als Arbeitszeit.

    Beispiel:
    Der Berufsschulbesuch dauert 5 Unterrichtsstunden à 45 Minuten. Er beginnt um 8 Uhr und endet um 12:25 (= 4:25 h). Die Berufsschulzeit ist damit mit 4:25 Stunden auf die Ausbildungszeit anzurechnen.
  • Sind in einer Woche zwei Berufsschultage mit jeweils mehr als 5 Unterrichtsstunden, ist der Auszubildende verpflichtet, an einem der beiden Tage wieder in den Betrieb zurückzukehren. An welchem der beiden Tage, bestimmt der Ausbildungsbetrieb.
Blockunterricht
  • Blockunterricht von planmäßig mindestens 25 Unterrichtsstunden à 45 Minuten (an mindestens 5 Tagen) mit der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit anzurechnen, das heißt in dieser Woche ist die Ausbildungszeit durch den Berufsschulbesuch erfüllt.
  • Die Anrechnungsregel gilt nur, wenn der Unterricht auch stattfindet, also nicht, wenn der Unterricht beispielsweise an einem Tag ausfällt. Dann erfolgt die Anrechnung der Berufsschulzeit nach der Grundregel (= tatsächliche Unterrichtszeit + Pausen mit Wegezeiten zwischen Teilnahmeort und Ausbildungsstätte).
Unzumutbarkeit
Als unzumutbar ist die Rückkehr in den Betrieb nach der Berufsschule dann zu betrachten, wenn die im Rahmen der betriebsüblichen beziehungsweise gesetzlich höchstens zugelassenen Restausbildungszeit in keinem Verhältnis zu der dafür aufzuwendenden Wegezeit steht und für eine sinnvolle Ausbildung zu kurz wäre.