Vollmachtsregelungen im Geschäftsverkehr

Grundsätzlich ist nur der Geschäftsinhaber oder gesetzliche Vertreter berechtigt wirksame Verträge für seinen Gewerbebetrieb abzuschließen. Die Durchführung dieser Regelung ist heutzutage jedoch nicht mehr praktikabel, da die zunehmende Komplexität des Wirtschaftslebens es unmöglich macht alle Entscheidungen höchstpersönlich durch den Geschäftsinhaber oder Geschäftsführer zu treffen. Aus diesem Grund ist es notwendig, Verantwortung durch Delegation von Aufgaben an Mitarbeiter abzugeben. Das Gesetz sieht unterschiedliche Arten der Vertretung mit unterschiedlichen Befugnissen vor. Deshalb ist es notwendig, die Art und den Umfang der übertragenen Aufgaben genau zu definieren, um Unklarheiten zu vermeiden.

1. Prokura

1.1 Vertretungsumfang

Der Prokurist ist, mit Ausnahme von Veräußerungen und Belastungen von Grundstücken sowie Grundlagengeschäften (wie etwa der Änderung des Unternehmenszwecks, Entscheidung hinsichtlich der Liquidation eines Unternehmens), zu allen Arten von gerichtlichen und außergerichtlichen Geschäften und Rechtshandlungen, die der Betrieb eines Handelsgewerbes mit sich bringt, berechtigt. Die Prokura kann gegenüber dritten Personen (Kunden, Lieferanten etc.) nicht eingeschränkt werden und berechtigt entsprechend der Formulierung „eines Handelsgewerbes“ nicht nur zur Vornahme von Geschäften eines bestimmten Handelsgewerbes, sonder gilt generell für alle Arten von Handelsgewerbe. Somit ist der Prokurist auch zur Vornahme branchenfremder Geschäfte berechtigt. Wird der Umfang der Vertretungsbefugnis des Prokuristen, entgegen der gesetzlichen Bestimmungen, doch eingeschränkt, so ist die Beschränkung Dritten gegenüber unwirksam und die vom Prokuristen abgeschlossenen Geschäfte sind für das Unternehmen bindend.
Prokura kann sowohl als Einzel- als auch als Gesamtprokura erteilt werden. Bei der Gesamtprokura sind, im Gegensatz zur Einzelprokura, bei der jeder Prokurist alleine vertretungsberechtigt ist, alle Gesamtprokuristen nur gemeinsam vertretungsberechtigt.

1.2 Erteilung und Löschung

Zur Prokuraerteilung ist grundsätzlich nur der Geschäftsinhaber als Kaufmann berechtigt, ein Prokurist kann also keinesfalls selbst Prokura erteilen. Die Prokura muss ausdrücklich erteilt werden und die Erteilung sowie das Erlöschen sind in das Handelsregister einzutragen. Hierbei ist zu beachten, dass der Eintragung im Handelsregister bei der Erteilung der Prokura lediglich deklaratorische Wirkung zuteil wird. Die Prokura wird nicht erst mit Eintragung wirksam, sondern entfaltet ihre Wirksamkeit bereits mit Erteilung. Anders sieht es bei der Beendigung der Vertretungsbefugnis aus. Solange die Prokura im Handelsregister nicht gelöscht ist, ist der Prokurist vertretungsberechtigt, da für Dritte der Inhalt des Handelsgesetzbuches Wahrheitscharakter entfaltet. Gründe für ein Erlöschen der Prokura sind zum Beispiel Widerruf, Geschäftsaufgabe oder Beendigung des zugrunde liegenden Dienstverhältnisses.

1.3 Unterschriftenregelung

Im Schriftverkehr muss der Prokurist seine Vertretungsbefugnis deutlich machen. Dies geschieht üblicherweise indem er bei Unterschriften der Firma seinen Namen mit einem die Prokura andeutenden Zusatz (ppa.) beifügt.
Detaillierte Informationen zur Prokura finden Sie in der IHK-Information „Die Prokura“.

2. Handlungsvollmacht

2.1 Vertretungsumfang

Die Handlungsvollmacht berechtigt zu allen Geschäften und Rechtshandlungen, die der Betrieb des Handelsgewerbes gewöhnlich mit sich bringt. Die Vertretungsbefugnis umfasst dabei nur die Vornahme von Geschäften des Handelsgewerbes, wobei beispielsweise das Eingehen von Wechselverbindlichkeiten, die Aufnahme von Darlehen und die Führung von Prozessen nach § 54 Absatz 2 Handelsgesetzbuch nicht gedeckt sind. Der Umfang einer Handlungsvollmacht wird vom Aussteller festgelegt, allerdings ist die Beschränkung gegenüber Dritten ungültig, wenn diese sie nicht kennen mussten.

2.2 Erteilung und Löschung

Eine Handlungsvollmacht kann sowohl gegenüber dem Bevollmächtigten als auch gegenüber einem Dritten erklärt werden oder durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen. Sie muss nicht in das Handelsregister eingetragen werden und kann ohne Formerfordernisse, also auch mündlich, erteilt werden. Aus Beweisgründen ist eine schriftliche Erteilung jedoch empfehlenswert.
In Ausnahmefällen kann es auch ohne ausdrückliche Vollmachtserteilung zu einer Vertretungsberechtigung kommen.
Duldungsvollmacht: Zu einer Duldungsvollmacht kommt es, wenn ein Unternehmen zulässt, dass ein Mitarbeiter, der keine Vertretungsbefugnis hat, gegenüber Dritten mehrfach als Bevollmächtigter auftritt, ohne diesbezüglich einzuschreiten. Ist dies der Fall, so muss sich das Unternehmen die Handlungen des Mitarbeiters voll zurechnen lassen, weil für einen Dritten nicht erkennbar ist, dass keine Vollmacht vorliegt. Der "gute Glaube" des Geschäftspartners wird hierdurch geschützt.
Anscheinsvollmacht: Tritt ein nicht vertretungsberechtigter Mitarbeiter eines Unternehmens gegenüber Dritten als Bevollmächtigter auf, so kann das vertretene Unternehmen auch dann an seine Erklärungen gebunden sein, wenn das Handeln des Mitarbeiters nicht bekannt war, bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt aber hätte erkannt und verhindert werden können. Die Rechtsprechung nimmt Anscheinsvollmacht z. B. bei vollmachtsloser Verwendung von Firmenstempeln auf Geschäftspapieren an, wenn der Mitarbeiter Zugang zum Firmenstempel hatte. Dem Vertretenen wird in diesem Fall ein Organisationsverschulden zur Last gelegt.
Unterschriftenregelung
Der Handlungsbevollmächtigte zeichnet in der Regel mit dem Zusatz "i. V.".

3. Abschlussvollmacht

Bei der Abschlussvollmacht handelt es sich um einen Unterfall der Handlungsvollmacht. Sie spielt vor allem bei Handelsvertretern oder Handlungsgehilfen im Außendienst eine Rolle. Diese sind im Rahmen ihrer Tätigkeit aufgrund der Abschlussvollmacht nur dazu berechtigt, Verträge abzuschließen. Zur Änderung von bereits abgeschlossenen Verträgen, also zum Beispiel zur Gewährung längerer Zahlungsfristen, ermächtigt eine Abschlussvollmacht grundsätzlich nicht.

4. Generalvollmacht

Der Inhaber einer Generalvollmacht ist zur Vertretung in allen Geschäften des Vollmachtgebers berechtigt und kann grundsätzlich nicht eingeschränkt werden. Zwar ist die Erteilung formfrei möglich, das heißt auch mündlich, eine notarielle Beurkundung ist aufgrund des weiten Vertretungsumfangs aber empfehlenswert. Eine Generalvollmacht sollte nur sehr vertrauenswürdigen Personen erteilt werden.

5. Spezialvollmacht / Vollmacht für einzelne Rechtsgeschäfte

Die Spezialvollmacht berechtigt den Bevollmächtigten nur zur Vornahme eines bestimmten Geschäftes oder einer bestimmten Art von Geschäften wie zum Beispiel Kündigungen. Diese Vollmachtseinschränkung muss klar zum Ausdruck kommen, auf eine präzise Formulierung des Vollmachtzwecks ist deshalb zu achten. Wurde die Vollmacht nur zur Erledigung eines bestimmten Geschäfts erteilt, so erlischt sie automatisch mit Abschluss dieses Geschäfts.

6. Ladenvollmacht

Wer in einem Laden oder in einem offenen Warenlager angestellt ist, gilt als ermächtigt zu Verkäufen und Empfangnahmen, die in einem derartigen Laden oder Lager gewöhnlich abgewickelt werden. Ankäufe und Umtauschzusagen fallen jedoch nicht unter die gewöhnlichen Tätigkeiten. Die Erteilung der Vollmacht geschieht automatisch mit der Einstellung des Mitarbeiters und endet bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Sinn der Ladenvollmacht ist, den Kunden Rechtssicherheit zu geben, indem sie sich nicht damit auseinandersetzen müssen, ob der Verkäufer tatsächlich zum Verkauf berechtigt ist.

7. Einräumung einer typischerweise mit Vollmacht verbundenen Stellung

Im Geschäftsverkehr gibt es Aufgaben, die zu ihrer ordnungsgemäßen Erfüllung eine bestimmte Vollmacht voraussetzen. Typische Tätigkeiten hierfür sind zum Beispiel die eines Anwalts oder Architekten. Werden solche Personen beauftragt, so gilt eine Vollmacht als erteilt.

8. Erlöschensgründe

Neben den bei den einzelnen Vollmachtsarten genannten Gründen, können Vollmachten auch durch Widerruf oder Beendigung des zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses erlöschen. Ein Widerruf ist grundsätzlich möglich, es ist allerdings darauf zu achten, dass immer gegenüber der Person widerrufen werden muss, welcher die Bevollmächtigung mitgeteilt wurde. Wurde die Vollmacht zum Beispiel durch Bekanntgabe gegenüber einem Dritten erteilt, so ist sie gegenüber diesem Dritten so lange wirksam, bis dieser vom Widerruf unterrichtet wird, er also Kenntnis vom Erlöschen hat bzw. haben müsste.
Auch die Beendigung des zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses, also zum Beispiel des Arbeitsverhältnisses, führt regelmäßig zum Erlöschen der erteilten Vollmacht.

9. Vertretung ohne Vertretungsmacht

Überschreitet ein Bevollmächtigter seine Vertretungsmacht oder war er überhaupt nicht bevollmächtigt und kannte der Vertragspartner den Mangel der Vertretungsmacht nicht, so liegt eine Vertretung ohne Vertretungsmacht vor. In diesen Fällen wird das abgeschlossene Geschäft für den Vertretenen nur wirksam, wenn er es genehmigt, es ist „schwebend unwirksam“. Verweigert der Vertretene diese Genehmigung, so haftet der vollmachtlos handelnde Vertreter selbst, er ist für den entstandenen Schaden persönlich verantwortlich.


Die Erstellung und Veröffentlichung von Merkblättern ist ein Service der IHK Südlicher Oberrhein für ihre Mitgliedsunternehmen. Dabei handelt es sich um eine zusammenfassende Darstellung der rechtlichen Grundlagen, die nur erste Hinweise enthält und keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Obwohl sie mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt wurden, kann eine Haftung für die inhaltliche Richtigkeit nicht übernommen werden.
Stand: Mai 2021