Dienstleistungsverkehr und Einreisebestimmungen
Mit dem Ausscheiden des Vereinigten Königreichs aus dem EU-Binnenmarkt endete die Dienstleistungsfreiheit. Das Handels- und Kooperationsabkommen zwischen Europäischer Union (EU) und Vereinigtem Königreich (VK) trifft daher neue Regelungen für die grenzüberschreitende Erbringung von Dienstleistungen.
Das Abkommen sieht gewisse Erleichterungen für den Handel mit Dienstleistungen und Investitionen vor. Allerdings gibt es Dienstleistungsbereiche, für welche die vorgesehenen Erleichterungen nicht gelten, dazu zählen diverse Verkehrsdienstleistungen und audiovisuelle Dienstleistungen.
Für gewisse Dienstleistungen gibt es Beschränkungen. Zum Beispiel können vorherige Genehmigungen oder Lizenzen erforderlich sein.
Lizenzfinder
Die britische Regierung hat das Tool “Licence finder” eingerichtet, das Auskunft über die zur Dienstleistungserbringung potenziell notwendigen Lizenzen gibt.
Die britische Regierung hat das Tool “Licence finder” eingerichtet, das Auskunft über die zur Dienstleistungserbringung potenziell notwendigen Lizenzen gibt.
Dienstreisen und Entsendungen
Vom Wegfall der Dienstleistungsfreiheit mit dem Vereinigten Königreich (VK) sind vor allem Unternehmen betroffen, die ihre Mitarbeiter regelmäßig zur Erbringung von Dienstleistungen ins VK schicken, zum Beispiel zur Montage oder Inbetriebnahme von Maschinen und Anlagen.
Grundsätzlich ist zu beachten, dass die einschlägigen EU-Verordnungen (z.B. die Entsenderichtlinie) und Regeln im Verhältnis zum VK nicht mehr anwendbar sind.
Im Grundsatz benötigen Unternehmen und Selbständige nun eine vorherige Genehmigung zur Erbringung von Dienstleistungen im Vereinigten Königreich. Dazu sind u.U. bestimmte Qualifikationen nachzuweisen.
Es gibt allerdings eine “Positivliste”, die diejenigen Tätigkeiten beziehungsweise vertraglichen Dienstleistungen listet, die ausdrücklich erlaubt sind, darunter Dienstleistungen in den Bereichen Buchhaltung und Rechnungswesen, Steuerberatung, Architektur-, Bau- und Ingenieursleistungen, technische Beratungsleistungen, Computerdienstleistungen, Wartung und Instandsetzung bestimmter Produkte, Werbung und Marktforschung, etc. Eine ähnliche Liste existiert für freiberufliche Tätigkeiten. Allerdings gibt es auf diesen Listen sogenannte “Vorbehalte (reservations)” für einen freien Marktzugang.
Aufenthalts- und Immigrationsrecht
Die im Vereinigten Königreich geltenden Einreiseregelungen sind in dem britischen “Immigration Rules” verankert. Sie gelten sowohl für Privat- als auch Geschäftsreisende.
Einreise ohne Visum
Für einfache Geschäftsreisen ohne “öffentliche Leistungserbringung” ist die Einreise als “Standard Visitor” über die sogenannte Besucher-Route erlaubt. Hierfür ist für Arbeitnehmer mit deutscher Nationalität grundsätzlich kein gesondertes Einreisevisum erforderlich. Ein Aufenthalt bis zu 6 Monaten ist möglich, der “Visitor” kann innerhalb dieses Zeitraums auch mehrfach in das VK einreisen.
Allerdings dürfen hier in der Regel nur bestimmte Aktivitäten (permitted activities) im Vereinigten Königreich ausgeübt werden, u.a.
- Teilnahme an Sitzungen, Konferenzen, Seminaren, Interviews, Schulungsangeboten
- Verhandlungen mit Geschäftspartnern und Vertragsunterzeichnung
- Teilnahme an Messen oder Ausstellungen zum Zweck der Öffentlichkeitsarbeit (kein Direktverkauf)
- Besuche innerhalb der Unternehmensgruppe*
- Montage und Demontage, Instandsetzung bzw. Reparatur, Wartung oder Beratung und Schulung im Zusammenhang mit dem Verkauf, der Lieferung oder der Vermietung gewerblicher oder industrieller Ausrüstung oder Maschinen, einschließlich Computersoftware (“after-sales” oder “after-lease services”)**
- Seit Februar 2024: Mobilarbeit (remote working) für den deutschen Arbeitgeber (unter bestimmten Voraussetzungen***)
- Marktrecherche und -analyse
- Übersetzungs- und Dolmetschertätigkeiten
- Reiseführertätigkeit
* Seit Februar 2024 dürfen auch Tätigkeiten bei Kunden der britischen Konzerngesellschaft durchgeführt werden, vorausgesetzt, diese sind gelegentlich und nicht der eigentliche Zweck der Entsendung. Zudem müssen sie im Zusammenhang mit einem Projekt oder einer Dienstleistung stehen, die von der britischen Gesellschaft an den Kunden erbracht wird und nicht direkt vom deutschen Arbeitgeber des Entsandten an den Kunden.
** Die Möglichkeit zur visumsfreien Einreise zur Erbringung verkaufsnaher Dienstleistungen greift nicht nur für Mitarbeiter des Herstellers oder Lieferanten sondern auch für Mitarbeiter ausländischer Gesellschaften, die zwar weder Hersteller noch Lieferanten gleichwohl aber Teil einer vertraglichen Vereinbarung über Kundendienstleistungen sind. Das gilt z.B. für Dienstleistungen im Rahmen von Garantie- oder Reparaturleistungen. Die Vereinbarung muss jedoch bereits im Zeitpunkt des Verkaufs oder der Vermietung getroffen worden sein.
***Voraussetzung ist, dass die Mobilarbeit nicht der Hauptzweck des Aufenthalts ist.
Die britische Regierung veröffentlicht auf ihrer Internetseite eine Liste der im Rahmen der britischen Immigration Rules erlaubten Tätigkeiten (permitted activities).
Bei der Einreise sollten entsandte Arbeitskräfte bzw. Dienstreisende Dokumente vorlegen können, die den Zweck der Reise belegen. Das könnten sein: Verträge, Eintrittskarten für Messen, Einladungen zu Geschäftstreffen, Geschäftskorrespondenz, etc. Eine Anleitung der britischen Regierung führt aus, welche Art von Begleitpapieren bei der Einreise mitgeführt werden sollten.
Für Grenzgänger besteht die Möglichkeit, eine Grenzgänger-Erlaubnis (Frontier Worker Permit) zu beantragen. Der Antragsteller muss bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Zum Beispiel muss er mindestens einmal in einem 12-Monats-Zeitraum im Vereinigten Königreich aktiv gewesen sein und bereits vor dem 1. Januar 2021 regelmäßig im VK gearbeitet haben. Der Antrag muss online eingereicht werden.
Ab April 2025 soll für EU-Bürger, die ohne Visum in das VK einreisen wollen, die Teilnahme am digitalen Einreise-Verfahren “Electronic Travel Authorisation” (ETA) verpflichtend werden. Für die Teilnahme an dem Verfahren wird eine Bearbeitungsgebühr in Höhe von 10 Pfund erhoben, die Dauer der Bearbeitung soll nicht länger als drei Tage betragen. Das System wird ab 5. März 2025 für Anträge von EU-Bürgern geöffnet. Personen, die bereits im Besitz eines Visums oder eines anderen Aufenthaltstitels sind, müssen nicht an dem Verfahren teilnehmen.
Einreise mit Visum
Für alle übrigen Geschäftsreisen und für solche von über 6 Monaten Dauer ist in der Regel ein Visum erforderlich. Basierend auf einem punktebasierten System wird anhand von Faktoren wie Fähigkeiten, Sprachkenntnisse, Höhe des Einkommens, etc. über ein Visum entschieden. Weitere Details dazu finden Sie hier.
Ist ein Visum erforderlich und sind alle notwendigen Voraussetzungen dafür erfüllt, kann kostenpflichtig ein Visum für die Einreise beantragt werden und zwar frühestens drei Monate vor Arbeitsbeginn.
Seit April 2022 gibt es hierfür das “Global Business Mobility Visa”, das 5 sogenannte Einreiserouten vorsieht:
- Service Supplier
- Secondment Worker
- Senior or Specialist Worker
- Graduate Trainee
- UK Expansion Worker
Die oben genannten Routen basieren auf einer Liste von Tätigkeiten, die im Rahmen des “Global Business Mobility Visa” erlaubt sind.
Das für sogenannte “Contractual Service Suppliers” (Angestellte sowie Selbständige) relevante Visum ist das “Service Supplier” Visum. Es kann zum Beispiel für Arbeitnehmer deutscher Unternehmen (ohne britische Betriebsstätte), die Dienstleistungen im VK erbringen, beantragt werden. Erlaubt sind Aktivitäten, die im Anhang des EU-VK-Handels- und Kooperationabkommens gelistet sind und nicht unter die britischen Vorbehalte fallen. Voraussetzung zum Erhalt dieses Visums ist eine mindestens einjährige Beschäftigung in der aktuellen Firma. Zudem braucht es ein “certificate of sponsorship” ausgestellt durch einen “licenced sponsor”, zum Beispiel den britischen Geschäftspartner. Nähere Informationen finden Sie im Leitfaden der britischen Regierung.
Ebenso zur Verfügung steht hier die “Secondment Worker” Route. Sie gilt allerdings nur bei einem “high-value contract” mit einem britischen Sponsor mit einem Wert von mindestens 50 Millionen GBP. Die geplante Tätigkeit im VK muss unter den “Skilled Occupations” gelistet sein. Auch hier ist ein “certificate of sponsorship” gefordert.
Für konzerninterne Entsendungen ins Vereinigte Königreich kämen die Routen “Senior or Specialist Worker” bzw. “Graduate Trainee” infrage. Der “senior or specialist worker” muss zuvor mindestens ein Jahr bei dem Konzernunternehmen im Herkunftsland beschäftigt gewesen sein. Auch bei diesen beiden Routen gilt das “sponsorship” Prinzip. In diesem Falle wäre dann die britische Konzerngesellschaft der “licenced sponsor”. Zudem ist ein Mindestjahresgehalt gefordert.
Schließlich gibt es noch die “Expansion Worker” Route. Diese Route bietet sich an, wenn Sie eine Niederlassung oder Tochtergesellschaft im Vereinigten Königreich aufbauen wollen und hierfür Personal entsenden möchten.
Darüberhinaus besteht noch die Möglichkeit über ein “Intra-company Transfer visa” bzw. ein “Intra-company Graduate Trainee visa” ins Vereinigte Königreich einzureisen.
Um schneller eine Entscheidung über den gestellten Visumantrag zu erhalten, bietet das Vereinigte Königreich zwei alternative Dienste an: den “priority service” (innerhalb von fünf Arbeitstagen) und den “super priority service” (bis zum Ende des nächsten Arbeitstages). Beide Dienste können gegen eine Zusatzgebühr in Anspruch genommen werden. Weitere Details finden Sie auf der Homepage der britischen Regierung.
Einreise mit Reisepass
Im Übrigen benötigen EU-Bürger seit Oktober 2021 generell – mit nur wenigen Ausnahmen – einen Reisepass für die Einreise ins Vereinigte Königreich. Der Personalausweis ist nicht mehr ausreichend. Diese Regelung gilt auch für Dienstreisende und LKW-Fahrer. Ausnahmen gibt es für Personen, die aufgrund eines zu EU-Zeiten erworbenen Rechts in das VK einreisen dürfen: Inhaber einer Grenzgänger-Erlaubnis („Frontier Worker Permit“) und des so genannten „Settled Status“. Allerdings ist diese Ausnahmeregel befristet und wird voraussichtlich zum Ende des Jahres 2025 auslaufen.
Die derzeit im Vereinigten Königreich geltenden “Immigration Rules” finden Sie hier.
Sozialversicherungspflicht
Die im Rahmen eines Protokolls zum oben genannten Abkommen getroffenen Regelungen im Bereich der Sozialversicherungspflicht bei vorübergehender Entsendung besagen, dass der entsandte Arbeitnehmer weiterhin im Heimatland sozialversichert bleibt, vorausgesetzt,
- die Dauer der Auslandsbeschäftigung überschreitet nicht 24 Monate und
- der entsandte Mitarbeiter löst nicht einen anderen entsandten Mitarbeiter ab.
Ähnliches gilt auch für selbständig Tätige.
Für die Bescheinigung A1 wie auch für die Europäische Krankenversicherungskarte regelt das Protokoll, dass diese weiterverwendet werden sollen.
Lohnsteuer
Die lohnsteuerliche Behandlung entsandter Arbeitnehmer richtet sich nach dem „Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen“ (DBA Großbritannien) vom 30.3.2010 (in Kraft seit 30. Dezember 2010). Seit dem 1. Januar 2016 findet das Protokoll vom 17. März 2014 zur Änderung des Deutsch-Britischen Doppelbesteuerungsabkommens Anwendung. Demnach ist die Vergütung von Ortskräften, die im Vereinigten Königreich tätig sind und die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, ausschließlich in Deutschland zu versteuern. Das DBA ist auf der Webseite des Bundesministeriums der Finanzen abrufbar.