Eigenkapital im Mittelstand stärken

Die von der Corona-Pandemie direkt oder indirekt betroffenen Unternehmen haben ab Mitte März 2020 deutliche Umsatzeinbrüche in Kauf nehmen müssen. Mit der zweiten Infektionswelle ab Oktober 2020 haben sich wiederholt Geschäftsrückgänge verstärkt. In zahlreichen Fällen hat dies zu Verlusten und bei rund 40 % der Unternehmen zu Rückgängen des Eigenkapitals geführt.
Entsprechend haben Bund und Freistaat Thüringen Stützungsmaßnahmen für Unternehmen, deren Bestandsgefährdung erhebliche Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort oder den Arbeitsmarkt in Deutschland hätte, in Form von Bürgschaften, Rekapitalisierungen und Beteiligungen vorgesehen. Sie bieten jedoch nur einer begrenzten Zahl an Betrieben Lösungen. Der Mittelstand benötigt allerdings in seiner Breite die Unterstützung bei der Eigenkapitalstärkung. Denn mit der zweiten Coronawelle wird die Belastungsfähigkeit (Resilienz) innerhalb kürzester Zeit erneut gefordert.
Die bereits aufgelaufenen und nun erneut entstehenden Verluste müssen durch Eigenkapital kompensiert werden. Bisher gesunde mittelständische Unternehmen geraten damit absehbar in eine Überschuldungssituation. Außerdem werden KMU nur mit einem ausreichenden Kapitalpuffer (und entsprechenden Ratings) künftig neues (nicht staatlich garantiertes) Fremdkapital akquirieren können.
Mehrere Maßnahmen zur Stärkung der Eigenkapital-Situation im Mittelstand bieten sich an. Unter Berücksichtigung von diversen Faktoren, wie Umsetzungsgeschwindigkeit, die Möglichkeit zu kriteriengestützter Einzelfallprüfung, der Zielgenauigkeit, Exitmöglichkeiten, aufsichtsrechtlichen Aspekten und ordnungspolitischen Erwägungen, sollten folgende Maßnahmen priorisiert umgesetzt werden:

I. Steuerliche Verlustberücksichtigung verbessern und weitere steuerliche Maßnahmen zur Eigenkapitalstärkung umsetzen:
Der wichtigste Baustein ist die Ausweitung der Möglichkeit zum Verlustrücktrag mindestens in die letzten drei Jahre. Daraus resultierende Steuerrückerstattungen werden sofort eigenkapitalwirksam und können helfen, noch in diesem Jahr die Verluste auszugleichen.
II. Regulatorische Vorgaben bei den Eigenkapitalanforderungen in Bezug auf Unternehmen
praxisgerecht ausgestalten:
Hier gilt es, auf EU-Ebene bei der Definition „Unternehmen in Schwierigkeiten“ nachzusteuern. Außerdem sollten die Regelungen im EU-Beihilferecht angepasst werden. Insbesondere sollten auch Gesellschafterdarlehen oder eigenkapitalähnliche Nachrangdarlehen mit qualifiziertem Rangrücktritt als Eigenkapital bewertet werden.
III. Kreditnahe Produkte mit Nachrang- bzw. Eigenkapitalcharakter stärken:
Generell sollten die Zugangskriterien für das KfW-Programm „ERP-Mezzanine für Innovation“, das KfW-Programm „ERP-Kapital für Gründer“ erweitert sowie praxisnah ausgestaltet und der „TAB Corona 800-Kredit für kleine und mittlere Unternehmen“ mit einer Nachrangabrede versehen werden. Ergänzend wäre auch auf Bundesebene eine Nachrangabrede für die KfW-Instrumente anzustreben.

IV. Unterstützung mit Beratungsangeboten zu betriebswirtschaftlichen Themen, welche auch Unternehmen in Schwierigkeiten zugänglich sind. Es müssen das BAFA-Förderprogramm „zur Förderung unternehmerischen Know-hows“ und die Beratungsrichtlinie des Freistaats Thüringen angepasst werden.
Die Industrie- und Handelskammern sowie die regionalen Verbände der Kreditwirtschaft in Thüringen haben daher vorgenannte Positionen, gemeinsame Einschätzungen und detaillierte Handlungsempfehlungen in einem Forderungspapier zusammengefasst.