US-WAHLEN

Project 2025 zur Handelspolitik

Wie werden bei einer Wiederwahl von Trump die Rahmenbedingungen für das US-Geschäft aussehen? Das Drehbuch “Project 2025” liefert unter anderem wesentliche Anhaltspunkte zur voraussichtlichen Handelspolitik.

Drehbuch “Project 2025”

“Project 2025” zeigt mit einiger Wahrscheinlichkeit die Richtung und Kernelemente der Handelspolitik einer Trump-II-Administration auf. Das Projekt von mehr als einhundert republikanischen Think-Tanks und Organisationen hat ein klares Ziel: Als republikanisch erachtete Politik soll möglichst schnell nach Beginn einer zweiten Amtszeit von Donald Trump umgesetzt werden und greifen.
Ein Baustein des “Project 2025” ist ein Masterplan für die künftige Aufstellung des Weißen Hauses, der Ministerien und der Bundesbehörden und ihre politische Ausrichtung. Im Kern sollen alle auf eine Person ausgerichtet sein, den Präsidenten und seine Meinungen und Vorgaben.

Trump-II will “fairen” statt “freien” Handel

Die dreißig von Peter Navarro geschriebenen Seiten dürften der aussagekräftigste Teil zur voraussichtlichen U.S. Handelspolitik einer künftigen republikanischen Präsidentschaft im Masterplan sein. Peter Navarro hingegen war bereits in der ersten Trump-Administration unter anderem als “White House Director of Trade and Manufacturing Policy” wesentlich an der damaligen Handelspolitik beteiligt. Ende Mai erklärte Trump, den inzwischen 74-jährigen Navarro auf jeden Fall wieder anzustellen, wenn er erneut ins Weiße Haus einziehen würde. Navarros handelspolitischer Ansatz hat ein Kernziel: Den Erhalt der nationalen Sicherheit der USA. Er nimmt das Streben der kommunistischen Partei Chinas nach Weltdominanz als größte Gefahr für diese wahr. Zudem sei die nationale Sicherheit der USA bedroht, weil es den USA an ausreichend ökonomischer, insbesondere industrieller Stärke fehle, um ihre militärische Unabhängigkeit zu gewährleisten. Seismograph der zu schwachen industriellen Basis der USA sei das Handelsbilanzdefizit der USA, es zeige die Abhängigkeit von Warenbezügen aus anderen Ländern. Besonders risikoreich sei die Abhängigkeit von dem nach Weltdominanz strebenden kommunistischen China, aber auch die Abhängigkeit von Zulieferungen aus anderen Ländern, da Lieferketten gerade in Krisenzeiten gestört werden können. Das Handelsbilanzdefizit resultiere zu einem Gutteil auf unfairen Handelspraktiken anderer Länder. Diese nutzten aus, dass sie mit höheren Zollsätzen als die USA US-Waren aus ihren Märkten fernhalten und die gleichen Waren aus eigener Produktion vergleichsweise leicht in die USA einführen könnten. Als Beispiel führt Navarro die Einfuhrzölle der USA an, welche für ausländische Autos aus WTO-Mitgliedsstaaten unter der Most-Favored-Nation-Klausel 2,5 Prozent betrügen, die der Europäischen Union (EU) hingegen 10 Prozent, die der Volksrepublik Chinas 15 Prozent und die Brasiliens 35 Prozent. Auch bei nicht-tarifären Handelshemmnissen setzten andere Länder höhere Handelshemmnisse ein, um US-Waren von ihren Märkten fernzuhalten. Gleichzeitig würden Exporteure aus diesen Ländern vom niedrigeren Niveau in den USA profitieren. Eine weitere unfaire Praxis sei Währungsmanipulation, indem der Wert der eigenen Währung künstlich gegenüber dem US-Dollar (US$) gesenkt würde.

“Reziproker Ansatz” bei Handelshemmnissen

Um die eigene industrielle Basis zu stärken, sollten sich die USA deshalb reziprok zu ihren Handelspartnern verhalten. Er schlägt dazu die Verabschiedung des schon 2019 vorgelegten United States Reciprocal Trade Act (USRTA) vor. Auf Basis des USRTA sollten die USA drohen, die eigenen Zölle und nicht-tarifären Handelshemmnisse auf das höhere Niveau des jeweiligen Handelspartners zu erhöhen. Ziel solle dabei sein, das andere Land dazu zu bringen, seine Beschränkungen auf das US-Niveau zu bewegen.

Im Fokus: China, EU27, Mexiko und Vietnam

Die neue Administration solle die Verhandlungen um Handelshemmnisse nach Prioritäten führen. Ganz oben sollten jene Länder stehen, mit denen die USA ein vergleichsweise großes Handelsbilanzdefizit aufweisen und die höhere Zölle auf US-Waren erheben, als die USA umgekehrt. Nach den Berechnungen des White House Office of Trade and Manufacturing Policy aus dem Jahr 2019 stünden oben auf der Prioritätenliste die Volksrepublik China und Indien, gefolgt von einer zweiten Prioritätengruppe gebildet aus Thailand, Taiwan, der EU und Vietnam. Ebenfalls auf dem Radar folgen Malaysia und Japan. Indien wiese im Durchschnitt fast um zehn Prozentpunkte höhere Zölle auf US-Waren auf als die Höhe der Einfuhrzölle der USA auf indische Waren. Bei der Volksrepublik China, Thailand und Taiwan betrüge die Differenz zwischen 6 bis 8 Prozentpunkten, bei Vietnam zwischen 4 bis 6 Prozentpunkten und bei der EU, Malaysia und Japan zwischen 0 bis 2 Prozentpunkten. Die EU wird von Navarro trotzdem in der zweiten Prioritätengruppe für Gespräche auf Basis eines “reziproken Handelsansatzes” nach USRTA gesehen, weil Europa deutlich hinter der Volksrepublik China und deutlich vor allen anderen Handelspartnern den größten Handelsbilanzüberschuss mit den USA aufwiese.

Handelsbilanzdefizite im Blick

Da Navarros Ansatz gute Aussichten darauf hat Basis der Handelspolitik einer Trump-II-Administration zu werden, haben wir die aktuellen Volljahreszahlen der US-Handelsbilanz beleuchtet. Danach schrumpfte das US-Handelsbilanzdefizit mit China in 2023 gegenüber 2022 deutlich um 103 Milliarden US$ auf noch knapp 280 Milliarden US$. Das US-Handelsbilanzdefizit mit der Europäischen Union blieb mit 208 Milliarden US$ fast unverändert und ist damit deutlich näher an das Niveau des US-Handelsbilanzdefizit mit China herangerückt. Ob die EU deshalb stärker ins Fadenkreuz der Handelspolitik eines künftigen Präsidenten Trump geraten wird, ist offen. Im Vergleich: Mit Mexiko und Vietnam weisen die USA ein sehr schnell wachsendes Handelsbilanzdefizit auf und das gerade im Fall Vietnam bei einem deutlich kleineren Handelsvolumen. Bei einem Handelsvolumen mit Vietnam von 124,2 Milliarden US$ beträgt das US-Handelsbilanzdefizit 104,6 Milliarden US$. US-Exporte nach Vietnam machen nicht einmal 9 Prozent der US-Importe aus dem Land aus. Die US-Exporte in die EU27 betragen dagegen immerhin 64 Prozent der US-Importe aus der Europäischen Union. Gleichzeitig steigt unter Republikanern der Argwohn, dass sich hinter den schnell wachsenden Importen aus Vietnam und Mexiko verkappte chinesische Lieferungen verbergen. Bei seinem Wahlkampfauftritt am 15. Juni in Detroit rief Donald Trump seinen Zuhörern zu: “Right now Mexico is building the biggest car plants anywhere in the world and they want to sell the cars back into the United States. They are stealing your jobs. Who would allow that to happen? And you know who owns the car plants being built in Mexico? China!” Auch wenn nach dem bisherigen Trumpschen Narrativ dank seines Einsatzes das “worst treaty ever”, das Freihandelsabkommen Nafta, durch das “best treaty ever”, das USMCA, ersetzt wurde, ist es durchaus möglich, dass Trump die im Juli 2026 anstehende Novellierung des USMCA nutzt, um aus seiner Sicht bessere Konditionen für die USA herauszuholen. Nicht ausgeschlossen ist auch, dass er die vertraglich zulässige Möglichkeit forciert, mit einer halbjährigen Kündigungsfrist aus dem USMCA-Abkommen auszusteigen. Wer für sein US-Geschäft oder Planungen zum US-Geschäft die aktuell besseren Zugänge per USMCA aus Mexiko oder Kanada nutzt oder zugrundelegt, sollte dies bei seinen Plänen berücksichtigen. Auch, weil sich das US-Handelsbilanzdefizit gegenüber Kanada zwischen 2020, dem Jahr des USMCA-Inkrafttretens, und 2023 von knapp 14 Milliarden US$ auf knapp 68 Milliarden US$ nahezu verfünffacht hat.

Entkopplung der USA von China

Geht es nach “Project 2025” und dem Navarro-Vorschlag, sollten sich die USA zudem von der Volksrepublik China wirtschaftlich zu ihrer eigenen nationalen Sicherheit entkoppeln. Navarro empfiehlt dem nächsten US-Präsidenten diverse Maßnahmen vollständig und in Form von Executive Orders umzusetzen. Dies würde bedeuten, dass die Maßnahmen sehr schnell und auch bei einem demokratisch dominierten Kongress umgesetzt werden können:
  • Strategisches Ausweiten oder Anheben von Zollsätzen auf alle chinesischen Produkte mit dem Ziel “Made in China”-Produkte vom US-Markt fernzuhalten. Dies sollte in einem Tempo und auf eine Art passieren, dass die USA nicht von existentiellen Waren wie ausgewählten Arzneimitteln abgeschnitten werden. Trump nannte in einem Fox-News-Interview im Februar bereits 60 Prozent oder noch höhere Zölle auf chinesische Waren.
  • Finanzielle und steuerlicher Anreize für US-Unternehmen, die ihre Fertigungen aus China zurück in die USA verlagern wollen
  • Aufheben der Geringfügigkeitsschwelle von 800 US$ für chinesische Waren bei der Einfuhr, um Zollumgehungen durch chinesische Unternehmen zu bekämpfen
  • Ausschluss staatlicher chinesischer Unternehmen von öffentlichen Ausschreibungen in den USA
  • Verbot aller chinesischer Social-Media-Apps wie TikTok und WeChat, da sie ein hohes Risiko für die nationale Sicherheit der USA wegen des Abflusses von Daten amerikanischer Bürger bergen
  • Verbot chinesischer Investitionen in Hochtechnologie in den USA
  • Verbot für US-Pensionsfonds in chinesische Aktien zu investieren
  • Systematisches Verringern und dauerhaftes Beseitigen jedweder Abhängigkeit der USA von chinesischen Lieferungen, die eine Bedrohung für die nationale Sicherheit der USA darstellen können, wie etwa Medikamente, Halbleiter, Seltene Erden, Hauptplatinen, Flachbildschirme oder militärische Bauteile
  • Reduktion oder Aussetzen der Visa-Vergabe an chinesische Studenten und Forscher, um Spionage und Informationsgewinnung vorzubeugen
Es ist denkbar, dass bei einer derartigen wirtschaftlichen Entkopplung der USA von China eine Trump-II Administration analoge Schritte von anderen Partnern, etwa der Europäischen Union, einfordert. Diese Forderung könnte untermauert werden mit der Drohung, andernfalls den Zugang zum US-Markt für Unternehmen aus den jeweiligen Partnerländern einzuschränken.
Hinweis: Der gesamte Originaltext zu Project 2025 (“Mandate for Leadership”) ist online als Download verfügbar.
Quelle: IHK Rhein-Neckar