17.03.2021
Wirtschaft benötigt endlich Perspektive
Präsidium der IHK Erfurt fordert Einstieg in den Ausstieg
Nach einem Jahr Coronapandemie ist eine zunehmende Erschöpfung der Bevölkerung und eine immer größere Verzweiflung zahlreicher Betriebe spürbar. Die Unternehmer des Präsidiums der Industrie- und Handelskammer (IHK) Erfurt fordern nach einem Gespräch mit Ministerpräsident Bodo Ramelow und Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee verlässliche Perspektiven für eine Rückkehr zum normalen Wirtschaftsleben.
Die nicht nachvollziehbaren und sich nicht am Infektionsgeschehen orientierenden Entscheidungen über Öffnungen, insbesondere die Ungleichbehandlung im Einzelhandel, die nur schleppend voranschreitenden Impfungen sowie das starre Festhalten an der Inzidenz als alleinigem Indikator der Corona-Verordnungen führen inzwischen zu einem immensen Vertrauensverlust gegenüber der Politik. Und obwohl selbst das Thüringer Gesundheitsministerium öffentlich eingeräumt hat, dass sich das Infektionsgeschehen vordergründig im familiären und privaten Bereich abspielt, sind dennoch einige ausgewählte Branchen dazu verurteilt, die Hauptlast der Pandemie zu tragen. Die Gefahr, dass die Unternehmen langfristig ihre Kunden, aber auch ihre Mitarbeiter verlieren, wächst von Tag zu Tag. Damit einhergehend werden die Innenstädte zunehmend veröden.
Die eigene unternehmerische Betroffenheit aber auch die gesamtwirtschaftlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen schilderten die Branchenvertreter des Präsidiums der IHK Erfurt im Austausch mit dem Ministerpräsidenten und dem Wirtschaftsminister.
Daraus ableitend werden folgende Forderungen aufgemacht:
- Nach einem Jahr muss endlich ein verlässlicher Einstieg in den Ausstieg aufgezeigt werden. Es müssen Wege gefunden werden, mit der Pandemie zu leben. Der Bevölkerung muss vermittelt werden, dass es sich nach wie vor um eine ernst zu nehmende Krankheit handelt, es aber inzwischen vielfältige Möglichkeiten gibt, mit denen man sich gut schützen kann.
- Es bedarf einer Abkehr von der Inzidenz als alleinigem Gradmesser für das Infektionsgeschehen - Indikator für die Bewertung des Infektionsgeschehens muss nun die Zahl der belegten Intensivbetten bzw. der invasiv beatmeten Patienten sein. Und die positiv Getesteten müssen in Relation zu allen Getesteten stehen, um eine Verhältnismäßigkeit herzustellen.
- Es braucht echte Offenheit gegenüber Modellversuchen in Regionen mit geringem Infektionsgeschehen. Wenn das Land signalisiert, dass es solche Versuche zulassen möchte, müssen die Auflagen praktikabel und zeitnah verlässlich umsetzbar sein.
- Für die Veranstaltungsbranche ist es notwendig, dass Voraussetzungen festgelegt werden (Negativtest bzw. Impfnachweis + digitale Kontaktnachverfolgung), unter denen Veranstaltungen wieder stattfinden können. Nur so ist eine zuverlässige Planung möglich.
- Unter diesen Voraussetzungen dürften dann auch wieder Kinos, Theater, Fitnessstudios u.ä. öffnen.
- Da in Handel und Gastronomie/Hotellerie eine Kontrolle von getesteten bzw. geimpften Personen durch die Unternehmer nicht praktikabel ist, sollte hier unter der Voraussetzung der erprobten Hygienekonzepte dieser Branchen und einer geeigneten Kontaktnachverfolgung geöffnet werden.
- Jegliche Anstrengung muss auf eine schnellstmögliche Durchimpfung gerichtet werden. Auch wenn das Land nicht für die Anzahl der zur Verfügung stehenden Impfdosen verantwortlich zeichnet: Es kann Einfluss auf das Impfgeschehen genommen werden. Dazu gehört die Einbeziehung von Haus- und Betriebsärzten, das Impfen auch an Wochenenden, die Streckung des Zeitraums zwischen erster und zweiter Impfdose, um schneller eine Teilimmunität der Bevölkerung zu erreichen, und die Lockerung der Impfreihenfolge, damit die Bürokratie nicht das schnelle Impfen verhindert (z.B. in Betrieben oder bei Hausärzten).
- Nach wie vor stehen vielfach Mitarbeiter in den Betrieben nicht zur Verfügung, weil sie sich 14 Tage in Quarantäne befinden. Thüringen sollte sich der Vorgehensweise anderer Bundesländer anschließen und dann die Quarantänezeit verringern, wenn vorzeitig ein negativer PCR-Test vorliegt.