17.12.2021

IHK-Jahresrückblick: Nüchterne Bilanz für 2021 und verhaltener Blick auf 2022

Haase-Lerch: „Die Pandemie und deren Nachwirkungen werden uns länger beschäftigen, als wir das noch vor wenigen Wochen angenommen haben“.


Steigende Preise für Energie und Rohstoffe, eine niedrige Impfquote, ein wegbrechendes Weihnachtsgeschäft und dramatische Engpässe bei Material und Fachkräften: Corona hat die Wirtschaft weiter fest im Griff. Während das Jahr 2021 aus Sicht der Industrie- und Handelskammer (IHK) Erfurt viel Ernüchterung brachte, ist das Erreichen des Vorkrisenniveaus die Zielmarke für die zweite Jahreshälfte 2022.
„Die 4. Welle hat den einsetzenden Erholungseffekt der Unternehmen in der zweiten Jahreshälfte mit voller Wucht zerschossen. Nach einem weiteren, sehr schwierigen Jahr ist jedoch keine Besserung in Sicht, im Gegenteil. Jede Branche ist mittlerweile betroffen – die Industrie durch Lieferengpässe und steigende Energie- und Rohstoffpreise, Handel, Gastronomie und Veranstaltungsbranche aufgrund der Zugangsbeschränkungen und der ausbleibenden Kundschaft. Alle spüren die Folgen der Pandemie, mittelbar und unmittelbar“, resümiert IHK-Hauptgeschäftsführerin Dr. Cornelia Haase-Lerch.

Fachkräftesituation dramatisch

Zum Ende des Jahres beläuft sich die Arbeitslosenquote in Thüringen auf 4,8 Prozent und ist damit zum Vorjahr weiter gesunken. Das ist einerseits erfreulich, zeigt jedoch auch eine dramatische Lage auf dem Fachkräftemarkt. Bereits während der Erholungsphase im Sommer dieses Jahres hatte sich etwa in der Gastronomie gezeigt, dass Mitarbeiter den beruflichen Neustart wagen und dann im einsetzenden Aufschwung fehlten. So konnten laut einer IHK-Umfrage 60 Prozent der Unternehmen offene Stellen nicht besetzen. Im Jahr 2020 seien dies nur 39 Prozent gewesen. Die Lage hat sich im Jahresverlauf im Zuge einer zunehmenden Infektionslage und der 3G-Regelung am Arbeitsplatz immer weiter zugespitzt. Die Fachkräftedecke ist inzwischen teils so dünn, dass jeder personelle Ausfall ein Risiko für das gesamte Unternehmen bedeutet. Eine positive Entwicklung zeigte sich 2021 auf dem Ausbildungsmarkt. Kurz vor Jahresende registriert die IHK Erfurt in Nord-, Mittel- und Westthüringen insgesamt 3.100 neue Auszubildende. Damit bewegen sich die eingetragenen Ausbildungsverträge wieder auf Vorkrisenniveau.

Niedrige Impfquote ist Standortnachteil

Die niedrige Impfquote in Thüringen wirkt sich in verschiedener Hinsicht als Standortnachteil aus. Das bestätigt ein Großteil der Unternehmen in einer aktuellen IHK-Umfrage und fordert eine allgemeine Impfpflicht (60%). Niedrige Impfquoten zehren nicht nur weiter an der Fachkräftesituation, sondern befeuern auch das Infektionsgeschehen, was dann wiederum strengere Regelungen für die Unternehmen bedeuten. „Das ist ein Teufelskreis, den wir nur mit einer deutlich höheren Impfquote nachhaltig durchbrechen werden. Aus Sicht der Wirtschaft gibt es zum Jahreswechsel für einige Branchen aktuell weder greifbare Lichtblicke noch eine dringend benötigte Planbarkeit. Ebenso kritisch bleibt die Entwicklung der Kaufkraft bei zunehmender Inflationsrate. Mit der Angst immer wieder neuer Virusvarianten und fehlender Planungsmöglichkeiten aufgrund dynamischer Entscheidungen der Politik ist eine verlässliche Prognose zur wirtschaftlichen Entwicklung im kommenden Jahr kaum möglich. Klar ist nur, dass die Pandemie und deren Nachwirkungen uns länger beschäftigen werden, als wir das noch vor wenigen Wochen angenommen haben. Eine ambitionierte, aber schaffbare Zielmarke ist das Erreichen des Vorkrisenniveaus in der zweiten Jahreshälfte 2022“, betont Haase-Lerch.
Die 2G-Zugangsbeschränkungen treffen viele Unternehmen hart. In der umsatzstärksten Zeit des Jahres leiden vor allem der stationäre Handel und die Gastronomie unter den Beschränkungen. So ist es ein entscheidender Unterschied, ob ein Gastronom aus Bremen aufgrund der deutlich höheren Impfquote bei der 2 G-Regel nur auf 20 Prozent seiner Kunden verzichten muss oder ein Thüringer Gastronom auf 40 Prozent. Durch die Einhaltung der Zugangsbeschränkungen haben die Unternehmen zusätzliche Kosten und personelle Aufwendungen. Einige Unternehmen können zum Jahresende die Wirtschaftlichkeit nicht mehr aufrechterhalten, schließen ihre Betriebe und senden ihre Mitarbeiter erneut in die Kurzarbeit. Dabei ist die Gefahr groß, weitere Mitarbeiter zu verlieren. Die Liste der Risikofaktoren für die Unternehmensentwicklung sei auch ohne Pandemie lang und mit einer Reihe von Unwägbarkeiten für die Firmen bestückt. Zu nennen wären hier die Herausforderungen im Zusammenhang mit der Erreichung der Klimaschutzziele, der zu langsam fortschreitende Digitalisierungsprozess oder Hemmnisse durch die zunehmende Bürokratisierung.
„Wichtig ist, dass wir in Deutschland die Probleme schneller anpacken. Die Firmen geraten am Standort Deutschland wegen der Belastung mit Steuern und Bürokratie immer mehr unter Druck. Die Politik muss wieder näher an den Unternehmen sein und mit praxistauglichen Umsetzungen das Vertrauen der Unternehmer wiederherstellen. Ganz oben auf der politischen Agenda sollten deshalb der Stopp weiterer finanzieller Belastungen für die Betriebe, Bürokratieabbau, Beschleunigung und investitionsfördernde Maßnahmen stehen“, fordert die IHK-Hauptgeschäftsführerin abschließend.