08.08.2024
DIHK-Ausbildungsumfrage 2024: Auszubildende dringend gesucht – persönliche Kontakte sind Trumpf
Die Suche nach Auszubildenden bleibt für Unternehmen in Mittel-, Nord- und Westthüringen eine der größten Herausforderungen: Immer mehr Betriebe im Bereich der Industrie- und Handelskammer (IHK) Erfurt finden nicht genügend Auszubildende. Laut aktueller Ausbildungsumfrage 2024 der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) sind 64 Prozent der Ausbildungsbetriebe im Bereich der IHK Erfurt betroffen – rund 10 Prozent mehr als im Vorjahr. Besonders in den Branchen Gastronomie, Industrie und Handel bleibt die Suche oft erfolglos: 41 Prozent der Betriebe erhielten keine einzige Bewerbung.
„Die Zahlen unterstreichen die wachsenden Herausforderungen auf dem Ausbildungsmarkt. Die Lage ist für viele Unternehmen angespannt: Viele Betriebe suchen angesichts des demografischen Wandels händeringend nach Auszubildenden. Aber es fehlt in vielen Branchen an Nachwuchs. Die kleinen Betriebe haben am meisten zu kämpfen“, sagt die Hauptgeschäftsführerin der IHK Erfurt, Dr. Cornelia Haase-Lerch. „Der Fachkräftemangel fängt bereits bei den Auszubildenden an.“
Unternehmen setzen verstärkt auf persönliche Kontakte, um Nachwuchs zu gewinnen. Neben der eigenen Website als wichtigster Plattform (90 Prozent) lernen rund drei Viertel der Betriebe künftige Auszubildende durch Schülerpraktika (76 Prozent) oder Ausbildungsmessen (72 Prozent) kennen. Zudem nutzen 72 Prozent die eigene Belegschaft als authentische Botschafter. Diese analogen Kommunikationskanäle ermöglichen tiefere und persönlichere Beziehungen. Daneben spielt auch die Übernahmequote eine nicht unerhebliche Rolle: 78 Prozent der Betriebe übernehmen nach der Ausbildung ihre Lehrlinge; immerhin 2 Prozentpunkte mehr als noch im vergangenen Jahr.
Die Suche nach Auszubildenden hat sich längst auch in die sozialen Medien verlagert. Rund die Hälfte der Unternehmen betreibt aktives Marketing über diese Plattformen. Moderne Arbeitsbedingungen und attraktive Angebote wie flache Hierarchien, IT-Ausstattung und Auslandsaufenthalte spielen eine wichtige Rolle, um junge Menschen zu gewinnen.
„Die Unternehmen verstärken ihre Anstrengungen für einen interessanten Ausbildungsplatz. Mit einem breiten Mix an Aktivitäten engagieren sie sich für die Ausbildung, ihren Nachwuchs und ihre künftigen Fachkräfte“, ergänzt die IHK-Hauptgeschäftsführerin.
Die Gründe für den Auszubildenden-Mangel insgesamt sind vielfältig. Insbesondere der demografische Wandel macht sich bemerkbar. Zudem fehlt den jungen Menschen eine effiziente und zielgerichtete Lebens- und Karriereplanung. Dabei geht es nicht nur um die Frage, welchen Beruf sie erlernen wollen, sondern um generelle Unsicherheiten, die mit dem neuen Lebensabschnitt zusammenhängen. Dr. Haase-Lerch betont: „Hilfreich wäre es, wenn Wirtschafts-, Finanz- oder MINT-Themen im Unterricht eine größere Rolle spielen.“ Zudem belegen die jüngsten PISA-Studien oder der Nationale Bildungsbericht, dass es den Schulabgängern zunehmend an einer soliden Grundbildung mangelt und sich schulische Leistungen im Schnitt kontinuierlich verschlechtern.
„Solide Basiskompetenzen in Mathematik und Deutsch sowie Lernbereitschaft, gute Umgangsformen und Leistungsbereitschaft sind für eine erfolgreiche Ausbildung unerlässlich. Unser Bildungssystem muss an dieser Stelle besser werden. Die Unternehmen nehmen aus der Not heraus immer mehr selbst in die Hand und unterstützen junge Menschen mit Startschwierigkeiten auf verschiedenste Weise“, ergänzt die IHK-Hauptgeschäftsführerin.
Die IHK-Organisation setzt daher ihre bundesweite Azubikampagne „Ausbildung macht mehr aus uns“ fort, um über die Chancen einer dualen Ausbildung zu informieren. „Wir müssen gemeinsam die Anstrengungen ausbauen und die potenziellen Auszubildenden und die Betriebe besser zusammenbringen. Das geht am besten über praxisnahe und niedrigschwellige Kennenlernangebote“, so die IHK-Hauptgeschäftsführerin. Die IHK Erfurt bietet mittlerweile viele Initiativen zur Berufsorientierung an: Bustouren in die Unternehmen, Praxiskoordinatoren mit der Vermittlung von Praxisplätzen, Ausbildungsbotschafter oder Gamification-Events, um auf diese Weise Kontakte zu Jugendlichen herzustellen sowie Praxiseinblicke auf spielerische Art zu vermitteln.
„Denn eins ist klar: Ohne junge Nachwuchskräfte fehlt uns bald die Basis für unsere Industrie, für den Mittelstand, für die kleinen Betriebe – und damit für den Wohlstand auch der jungen Generationen“, ergänzt Dr. Haase-Lerch.
Schwerpunktthema: Auszubildende aus Drittstaaten
„Immer mehr Unternehmen haben Erfahrung mit der Ausbildung von Menschen aus dem Ausland“, berichtet Haase-Lerch.
Jeder zweite Betrieb hat bereits junge Menschen aus anderen Herkunftsländern ausgebildet oder versucht, diese zu gewinnen (45 Prozent). Besonders in der Gastronomie und den gewerblich-technischen Berufen sind ausländische Auszubildende gefragt. Aktuell sind bei der IHK Erfurt 280 Verträge mit ausländischen Jugendlichen registriert – das entspricht 12,5 Prozent der neuen Auszubildenden. Mithin hat rund jeder achte neu beginnende Auszubildende ausländische Wurzeln. Ausländische Jugendliche sind mittlerweile ein nicht unwesentlicher Faktor, um den demografiebedingten Rückgang der einheimischen Auszubildenden bzw. zukünftigen Fachkräfte ein stückweit zu kompensieren.
Hürden bestehen jedoch weiterhin, insbesondere bei den Deutschkenntnissen (81 Prozent der Betriebe) und bürokratischen Prozessen (33 Prozent). Strukturelle Probleme wie fehlender Wohnraum in Betriebsnähe (20 Prozent) und mangelnde Integrationsunterstützung (16 Prozent) unterstreichen die Notwendigkeit, die Integration ausländischer Auszubildender bundesweit administrativ und systematisch zu unterstützen.