23.08.2023
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Die Situation auf dem Ausbildungsmarkt bleibt für Unternehmen angespannt. Immer mehr Betriebe finden nicht genügend Auszubildende. Mit 53 Prozent ist mehr als die Hälfte der Ausbildungsbetriebe im Bereich der Industrie- und Handelskammer (IHK) Erfurt betroffen. Bei 46 Prozent der Betriebe kam noch nicht einmal eine Bewerbung an. Besonders vergeblich suchen Gastronomie, Industrie und Handel nach Auszubildenden. Das sind die Ergebnisse der aktuellen Ausbildungsumfrage 2023 der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) für den Bereich Mittel-, Nord- und Westthüringen, die auf den Erfahrungen des vergangenen Jahres fußen.
DIHK-Ausbildungsumfrage 2023: Immer mehr Betriebe von Azubi-Mangel betroffen, Unternehmen werben so engagiert wie nie um den Nachwuchs
„Doch es gibt auch erfreuliche Entwicklungen: Die aktuellen Zahlen zu Ausbildungsvertragsabschlüssen von Ende Juli bewegt sich auf einem stabilen Vorjahresniveau und befindet sich sogar leicht über der Vor-Corona-Zeit. Es bestehen insgesamt gute Aussichten, dass 2023 mehr Betriebe und Azubis über einen Ausbildungsvertrag zueinander finden als im Vorjahr“, sagt Dr. Cornelia Haase-Lerch, Hauptgeschäftsführerin der Industrie- und Handelskammer Erfurt.
Die Gründe für die insgesamt weiter angespannte Lage am Ausbildungsmarkt sind vielfältig. „Vor allem schlägt der demografische Wandel durch. Die Jahrgänge dünnen immer weiter aus“, so Dr. Haase-Lerch. Heute gibt es rund 20.000 weniger Schulabgängerinnen und Schulabgänger als noch vor zwanzig Jahren. Das führt unter anderem dazu, dass bis 2035 Thüringen mit einem altersbedingten Arbeitskräfteverlust von 385.000 Personen konfrontiert ist. Unter Berücksichtigung des technologischen Transformationsprozesses und dem damit verbundenen Wegfall von rd. 140.000 Arbeitsplätzen, benötigt der Freistaat knapp 250.000 zusätzliche Arbeitskräfte bis 2035. Die Baby-Boomer-Generation geht in Rente, die Generation Z kann dies nicht ausgleichen.
Wichtig sei, die berufliche Orientierung frühzeitig zu stärken. Acht von zehn Unternehmen wollen ihr Engagement auf diesem Gebiet weiter intensivieren. Konkret wollen 53 Prozent der Unternehmen mehr Praktikumsplätze und damit praktische Einblicke in den Betriebsalltag anbieten. Auch das Angebot an Veranstaltungen (43 Prozent) und digitalen Möglichkeiten (32 Prozent) steigt. Mehr Ausbildungsbotschafter wollen 16 Prozent der Betriebe nutzen, um zielgruppengerecht für die beruflichen Perspektiven einer dualen Berufsausbildung zu werben.
„Unternehmen investieren heute so viele Ressourcen in die Nachwuchsrekrutierung wie noch nie“, so die IHK-Hauptgeschäftsführerin. „Die Bedürfnisse der Azubis stehen dabei immer häufiger im Vordergrund.“ Arbeiten in flachen Hierarchien (47 Prozent) und mit moderner IT-Technik (51 Prozent) sind Maßnahmen, mit denen die Betriebe auf die Wünsche der Generation Z eingehen. Finanzielle Anreize, beispielsweise durch Zuschüsse zur Mobilität oder zum Wohnen, wollen immerhin 59 Prozent der Unternehmen anbieten. Die IHK-Ausbildungsbetriebe stellen sich auch immer mehr auf junge Menschen mit Startschwierigkeiten ein. Vier von fünf Betrieben gaben an, sich auf diesem Gebiet stärker zu engagieren und setzen oft auf mehrere Maßnahmen gleichzeitig. So haben 39 Prozent ein eigenes Nachhilfeangebot im Unternehmen. Fast jedes zweite Unternehmen nimmt die zusätzlichen Unterstützungsangebote der Bundesagentur für Arbeit in Anspruch.
„Das große Engagement der Unternehmen trägt erste Früchte“, statiert Haase-Lerch. Aktuell hat die IHK Erfurt 2.200 neue Ausbildungsverträge registriert. „Damit liegen wir auf einem konstanten Niveau im Vergleich zum Vorjahr. Bereits im letzten Jahr konnten die coronabedingten Rückgänge komplett kompensiert werden. Die aktuelle Stabilität auf dem Ausbildungsmarkt ist aber lediglich eine Momentaufnahme, sozusagen ein Silberstreif am Horizont, aber noch lange keine Entspannung“, erklärt die IHK-Chefin.
Eine Prognose für das gesamte Jahr könne aufgrund der Zahlen noch nicht abgeben werden. „Wichtig ist, dass wir uns weiter gemeinsam engagieren, damit das Interesse an einer Berufsausbildung wieder steigt“, so Haase-Lerch. Die IHKs haben auch deshalb im Frühjahr die erste große deutschlandweite Ausbildungs-Kampagne gestartet. Mit der Offensive „Jetzt #könnenlernen – Ausbildung macht mehr aus uns“ werben IHKs und die DIHK für die duale Ausbildung.
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Jetzt sei die Politik gefordert, dieses Engagement der Unternehmen zu unterstützen. „In den Jahren vor dem Schulabschluss müssen etwa die berufliche Orientierung und der Praxisbezug noch stärker in den Fokus der Schulen gerückt werden. Thüringen ist hier bereits auf einem guten Weg“, stellt Haase-Lerch fest. Gerade die Möglichkeit zu mehr Praxiserfahrungen sei ein probates Mittel, den Schülerinnen und Schülern Einblicke in die Arbeitswelt zu gewähren – für mehr als jeden zweiten Schüler sind dabei Praxiserfahrungen das entscheidende Kriterium bei der Wahl des Wunschberufes. Darüber hinaus müssen Wirtschafts-, Finanz- oder MINT-Themen aber eine noch größere Rolle an den Schulen spielen.
Maßnahmen wie die gesetzliche Ausbildungsgarantie, die unlängst beschlossen wurde, sehen die Unternehmen nach wie vor kritisch. „Es gibt viel mehr offene Stellen als Bewerberinnen und Bewerber. Da sollte für jeden etwas dabei sein“, so Haase-Lerch. Weit sinnvoller wäre es gewesen, die Chancengarantie im Rahmen der Allianz für Aus- und Weiterbildung weiterzuentwickeln: Jeder ausbildungsinteressierte Jugendliche, der bis Ende September ohne Ausbildungsplatz ist, erhält drei Angebote für eine betriebliche Ausbildung – wenn auch nicht immer im Wunschberuf.
Fest steht: „Die duale Ausbildung ist der Motor der Fachkräftesicherung in Thüringen und ist nach wie vor weltweit hoch angesehen. Wir müssen uns gemeinsam anstrengen, dass die duale Ausbildung unter den jungen Menschen an Beliebtheit gewinnt und die Betriebe wieder genügend Auszubildende finden“, so Haase-Lerch abschließend.