Mein gutes Recht

Haftungsrecht

Immer dann, wenn mal etwas „schief gelaufen“ und dadurch ein Schaden entstanden ist, stellt sich die Frage nach der Haftung. Und nicht zuletzt, weil Haftungsstreitigkeiten und Haftungsfolgen für Gewerbetreibende oft erhebliche finanzielle Einbußen mit sich bringen, soll in diesem Teil unserer Artikelserie gezeigt werden, wie Haftungsrisiken gemanagt und idealerweise vermieden oder reduziert werden können.
Was bedeutet überhaupt „Haftung“?
Haftung im Rechtssinne ist die Übernahme eines Schadens durch einen anderen als den unmittelbar Betroffenen, also die Verpflichtung zum Schadenersatz, das meint den Ausgleich des entstandenen Schadens. Die relevanten Eckpunkte der Haftung sind das betroffene Rechtsgut, das Fehlverhalten und die Art der Wiedergutmachung. Obwohl diese Problematik der kaufrechtlichen Gewährleistung (vgl. Ruhr Wirtschaft, März 2015) ähnlich ist, muss hier deutlich differenziert werden: Während das Gewährleistungsrecht an die Mangelhaftigkeit einer Sache gebunden ist, knüpft der Schadenersatz an das Fehlverhalten einer Person an.
Für welche Schäden hafte ich?
Ein Schaden im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist jede Einbuße an Rechtsgütern aufgrund eines bestimmten Ereignisses. Eine solche ist gegeben, wenn der tatsächliche negativ vom gewollten Zustand abweicht. Es wird zwischen materiellen und immateriellen Schäden unterschieden. Materielle Schäden (Vermögensschäden) sind u. a. Verletzungen des menschlichen Körpers sowie Beeinträchtigungen des Eigentums. Eine Eigentumsverletzung liegt grundsätzlich auch dann vor, wenn ein fehlerhaftes Produkt eine andere Sache beschädigt. Schadenersatz kann dann der Eigentümer derjenigen Sache verlangen, die durch die defekte Sache beschädigt wurde. Das wäre zum Beispiel der Eigentümer von Bekleidung, die drei Konfektionsgrößen kleiner aus der Reinigung zurückkommt, weil die Temperatursteuerung der Waschmaschinen versagt hat. Ebenso besteht ein solcher Anspruch, wenn der – zunächst begrenzte – Mangel an einer Kaufsache später zu weiteren Schäden an dieser Sache führt, beispielsweise wenn ein defektes Bauteil einer Maschine dazu führt, dass Wasser in stromführende Bereiche eindringt und dort einen Kurzschluss mit Brandfolge auslöst (sogenannter weiterfressender Schaden). Immaterielle Schäden liegen dagegen bei der Verletzung des guten Rufs sowie von Marken-, Urheber- oder Patentrechten vor.
#Umbr
Was ist vertragliche und was deliktische Haftung?
Bei der vertraglichen Haftung muss der Schädiger für die Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme und die Schlecht- oder Nichtleistung vertraglich festgelegter Pflichten einstehen. Dazu zählen die Vornahme der vereinbarten Lieferung, die Fehlerfreiheit der Produkte sowie die rechtzeitige Zahlung. Die deliktische Haftung wird hingegen durch eine „unerlaubte Handlung“ ausgelöst. Hierzu zählen Verstöße gegen gesetzliche Vorschriften (zum Beispiel Straßenverkehrsordnung, Strafgesetzbuch), aber auch die Nichtbeachtung der im Verkehr üblichen Sorgfalt. Jedermann obliegt die Pflicht, Gefahren aus dem eigenen Verantwortungsbereich zu kontrollieren und zu minimieren, unabhängig davon, ob die Gefahr von Sachen oder von menschlichem Verhalten ausgeht. Zu gefahrbringenden Handlungen zählen u. a. Fehler im Rahmen der Konstruktion, Fabrikation von Produkten und deren Beobachtung sowie das Unterlassen von Vorsichtsmaßnahmen (zum Beispiel Schneeräumen im Winter, fehlende Gebrauchshinweise oder Informationen bezüglich der vertriebenen Produkte).
Wie wird gehaftet?
Das Gesetz gibt vor, dass „derjenige, der zum Schadenersatz verpflichtet ist, den Zustand herzustellen hat, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre“. In der Praxis wird dies häufig durch eine Geldzahlung geregelt. Dabei ist der Schadenersatz weiter gefasst, als es die vertraglichen Gewährleistungsrechte sind, da nicht nur für die Schäden an dem fehlerhaften Produkt selbst ein Ersatzanspruch besteht, sondern in erster Linie für eingetretene Folgeschäden. Bei immateriellen Schäden kommt oftmals zusätzlich eine Unterlassungserklärung oder Beseitigungshandlung hinzu.
Kommt es für die Haftung auf Verschulden an?
Hier kann es nur die „klassische“ Juristen-Antwort geben: Es kommt drauf an! Denn es bestehen drei unterschiedliche Haftungsarten: die Gefährdungshaftung, die Haftung für vermutetes Verschulden und die verschuldensabhängige Haftung. Nur in der ersten Konstellation spielt das Verschulden keine Rolle: Gefährdungshaftung ist verschuldensunabhängig. Bekanntestes Beispiel für diese Kategorie ist die Haftung des Fahrzeughalters bei Unfällen im Straßenverkehr. Bei der verschuldensabhängigen Haftung muss das Verschulden positiv nachgewiesen werden, bei der Haftung für vermutetes Verschulden verhält es sich hingegen umgekehrt: Es müssen Entschuldigungsgründe vorgetragen werden, welche die Vermutungswirkung entfallen lassen. Ein Verschulden liegt vor, wenn willentlich bzw. sogar absichtlich gehandelt wurde (Vorsatz) oder zumindest Fahrlässigkeit – also die Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt – attestiert werden kann. Relevante Beispiele der Haftung für vermutetes Verschulden sind die Konstruktions-, Fabrikations- und Produktbeobachtungsfehler. In diesen Fällen entfällt die Haftung, wenn Entlastungsgründe vorgetragen und bewiesen werden können. Verschuldensabhängige Haftungsfälle sind beinahe alle übrigen in der Praxis denkbaren Fälle.
#Umbr
Kann die Haftung ausgeschlossen werden?
Durch vertragliche Vereinbarung kann die vertragliche Haftung ausgeschlossen werden. Allerdings werden an die Zulässigkeit dieser Vereinbarungen sehr hohe Anforderungen gestellt, sodass sich ein Haftungsausschuss nur in seltenen Fällen realisieren lässt. Gegenüber Verbrauchern ist ein Ausschluss sogar stets unzulässig. Zudem kommt ein Haftungsausschluss dann nicht in Betracht, wenn der Veräußernde die Mangelhaftigkeit des Produkts kennt und arglistig verschweigt oder eine Beschaffenheitszusage ausdrücklich übernommen hat. Ein handelsrechtlich normierter Haftungsausschluss liegt im Rahmen eines Vertragsverhältnisses zwischen Kaufleuten im Sinne des Handelsgesetzbuchs vor, wenn der Käufer die Ware bei Erhalt nicht ordnungsgemäß untersucht und eine eventuelle Mangelhaftigkeit nicht unverzüglich gegenüber dem Verkäufer gerügt hat. Die gesetzliche Haftung kann hingegen nicht ausgeschlossen werden.
Hafte ich immer allein?
Nein! Haben auch Dritte an der Verursachung des Schadens mitgewirkt, haften sie ebenfalls. Sogar der eigentlich Geschädigte kann als Mithaftender in Betracht kommen, wenn ihn ein Mitverschuldensvorwurf trifft. Der Schadenersatzanspruch wird in diesem Fall anteilig gekürzt. Bei mehreren Verursachern haften diese als Gesamtschuldner. Das bedeutet, es wird nach erfolgter Zahlung an den Geschädigten durch einen der Schädiger, eine Quote – abhängig vom jeweiligen Verschuldensgrad – gebildet. Der Schädiger, der zuvor den gesamten Betrag an den Geschädigten gezahlt hat, kann anschließend von den übrigen Schädigern anteilig Ersatz dafür verlangen.
Haftet nur das Unternehmen oder auch der Inhaber bzw. Gesellschafter?
Eine Beschränkung der Haftung auf das Gesellschaftsvermögen ist grundsätzlich möglich und hängt von der gewählten Rechtsform des Unternehmens ab. Die bekanntesten haftungsbeschränkten Rechtsformen sind die GmbH, AG und die UG (haftungsbeschränkt). Haftet nur das Unternehmen, besteht kein Anspruch gegen den Inhaber oder die Gesellschafter. Ist die Haftung jedoch nicht auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt – etwa bei der OHG sowie der GbR –, haften neben dem Unternehmen auch alle Gesellschafter mit ihrem Privatvermögen. Bei der KG gibt es dagegen sowohl „Vollhafter“ (Komplementäre), die auch mit ihrem Privatvermögen für Verbindlichkeiten der Gesellschaft haften, als auch „Teilhafter“ (Kommanditisten), bei denen die Haftung auf die jeweilige Kapitaleinlage beschränkt ist. Dies erklärt auch die Beliebtheit der GmbH & Co.KG in der unternehmerischen Praxis. Denn hierbei übernimmt gerade die (ihrerseits haftungsbeschränkte) GmbH die Rolle des Komplementärs in der KG. In der Konsequenz entsteht so eine haftungsbeschränkte Personenhandelsgesellschaft.