Brexit

Einschätzung zum Zolltarif des Vereinigten Königreichs

Der UK-Zolltarif gilt nur für Waren, die gemäß den Ursprungsregeln des Freihandelsabkommens keinen Ursprung in der EU bzw. im Vereinigten Königreich haben. Informationen zur Bestimmung dieses Ursprungs finden Sie hier. Für diese Waren mit Ursprung in der EU bzw. im Vereinigten Königreich gilt ein Zollsatz von Null.
Am 19. Mai 2020 haben die britischen Behörden den Zolltarif für die Zeit ab dem 1. Januar 2021 bekanntgegeben. Er kann auf dieser Internetseite abgerufen und anhand der Eingabe von Warentarifnummern oder englischen Warenbezeichnungen durchsucht werden. Dieser Zolltarif ist auch Grundlage für Importe von Waren aus der EU.

Interpretation

Im Februar 2020 startete die britische Regierung einen landesinternen Konsultationsprozess, um einen neuen Zolltarif zu entwickeln und dabei die vielfältigen Interessen der britischen Wirtschaft zu berücksichtigen.

Änderungen im Vergleich zum EU-Zolltarif

Von insgesamt 11.828 Warentarifgruppen sind im neuen Zolltarif etwa 39 Prozent zollbefreit. Der EU-Zolltarif sieht für EU-Unternehmen – und nur bis zum Ende des Übergangszeitraumes auch für Unternehmen im Vereinigten Königreich – nur für etwa 22 Prozent eine Zollbefreiung für Importe aus Drittstaaten (wie dem Vereinigten Königreich) vor. Die im Vergleich zum EU-Zolltarif zusätzlichen Befreiungen beinhalten explizit Produkte, in denen Unternehmen aus dem Vereinigten Königreich kaum oder gar nicht produzierend tätig sind oder die positive Effekte auf das Klima vermuten lassen.
Zusätzlich werden für fast 50 Prozent aller Warentarifgruppen die Zölle reduziert bzw. vereinfacht. Davon sind vor allem Vorprodukte für die industrielle Produktion, aber auch landwirtschaftliche Produkte betroffen.
Nur in sehr wenigen Fällen, wie beim Import von landwirtschaftlichen Produkten in geringen Mengen oder aufgrund einer entsprechenden Veränderung der Wechselkurse, die bei einigen Produkten eine Rolle spielen, wird der neue Zolltarif höhere Importzölle für Drittlandwaren als für Importe in die EU vorsehen.

Durchschnittliche EU-Importzölle
Durchschnittliche Importzölle des Vereinigten Königreichs nach dem Ende des Übergangszeitraumes
Industrieprodukte
3,7 %
2,5 %
Landwirtschaftliche Produkte
18,3 %
16,1 %
Landwirtschaftliche Produkte (verarbeitet)
15,9 %
10,6 %
Fisch
11,7 %
11,0 %
Eine Übersicht, in welchen Kapiteln des Warentarifs welche Veränderungen im Vergleich zu den EU-Importzöllen vorgenommen wurden, findet sich in dieser Datei des britischen Ministeriums für internationalen Handel ab Seite 25.
Das britische Ministerium für internationalen Handel weist darauf hin, dass der neue Zolltarif bedeute, dass etwa 60 Prozent des internationalen Handels künftig zollbefreit abgewickelt würden. Bei einem Freihandelsabkommen mit der EU wären aus Sicht des Vereinigten Königreiches sogar 87 Prozent der Waren zollbefreit.

Auswirkungen für Unternehmen aus der Region

Im Umkehrschluss bedeutet der neue Zolltarif, dass über 60 Prozent aller Warentarifgruppen künftig bei Exporten in das Vereinigte Königreich mit Zollabgaben behaftet sind, was aufgrund der bisherigen EU-Zugehörigkeit eine gravierende Umstellung für viele im Westfälischen Ruhrgebiet bzw. in Deutschland ansässige Unternehmen mit sich zieht: Einerseits werden Exporte in das Vereinigte Königreich teurer, etwa für Lieferungen an britische Kunden oder bei Lieferketten für Produktionsstandorte im Vereinigten Königreich. Andererseits werden künftig auch EU-Zölle beim Import von britischen Waren erhoben. In beiden Fällen werden viele Unternehmen erstmals mit Zollformalitäten konfrontiert. Hinzu kommen Verzögerungen im Warenverkehr, da ab dem Ende des Übergangszeitraumes eine bedeutend größere Menge an Waren an den Grenzen durch die Zollbehörden überprüft werden müssen.
Die große Anzahl künftig zollbefreiter bzw. zollreduzierter Importe in das Vereinigte Königreich hat aber auch Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaftsräume: Unternehmen im Vereinigten Königreich kommen mit dem Zollvorteil günstiger an bestimmte Waren, um diese weiterzuverarbeiten. Unternehmen in Drittländern könnten sich daher eher für britische Produzenten entscheiden, da im Vergleich Importe in die EU und Produktionsaufträge in der EU mit anschließendem Export in das Vereinigte Königreich allein aufgrund der Zölle teurer sind und unattraktiver werden. Damit EU-Unternehmen tatsächlich einen Wettbewerbsnachteil erfahren, müssen im Vereinigten Königreich jedoch auch entsprechend konkurrenzfähige Produzenten sitzen, die die Zollvorteile preislich ausnutzen können.