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Branchenstudie Kultur- und Kreativwirtschaft 2022

Im Ringen um Fachkräfte ist die Kultur- und Kreativwirtschaft ein wichtiger Standortfaktor. Eine aktualisierte Studie zeigt, welche Weichen der IHK-Bezirk stellen sollte.
Musikclubs, Theater, Kino, Gastronomie, Softwareunternehmen, Architekturbüros und zahlreiche andere: Die Kultur- und Kreativwirtschaft ist bunt, vielseitig und ein wichtiger Wirtschaftsfaktor – in doppelter Hinsicht. “Zum einen stellt die Branche nach wie vor einen umsatzstarken Zweig der hiesigen Wirtschaft dar, und zum anderen spielt sie für die gesamte Standortentwicklung der Region eine bedeutende Rolle”, sagt Dipl.-Ing. Ralf Ebert und erläutert, was er darunter versteht: Städte und Regionen stehen demnach untereinander im Wettbewerb um gut ausgebildete Fachkräfte, daher ist die Attraktivität einer Stadt oder Region bei der Wahl des Arbeitsorts ein ausschlaggebender Faktor. Sein Credo: “Im Ringen um gut ausgebildete Fachkräfte muss der IHK-Bezirk seine Erlebnisqualität steigern. Das gelingt vor allen Dingen mit attraktiven Zentren für die Kultur- und Kreativwirtschaft.”
Ebert ist Stadtplaner und Inhaber des Beratungsbüros STADTart. Gemeinsam mit seinem Team hat er bereits 2013 die Entwicklung der Kreativwirtschaft für den IHK-Bezirk vorgestellt. Jetzt, gut ein Jahrzehnt später, wurde die Studie im Auftrag der Kammer aktualisiert, um die Entwicklung der Region nachzuzeichnen. “Diese Aktualisierung war uns insbesondere vor dem Hintergrund der Covid-19-Pandemie wichtig”, erläutert Ebert. “Wenn man sich erste Prognosen ansah, kam schnell das Gefühl auf, dass alles den Bach heruntergeht. Daher wollten wir prüfen, was an empirisch erfassbaren Daten zur Verfügung steht und wie es tatsächlich um die Region bestellt ist.” Das Fazit: Die Ergebnisse sind nicht so ausgefallen, wie es die Prognosen befürchten ließen. Im Gegenteil, der IHK-Bezirk steht im landesweiten Vergleich überdurchschnittlich gut da.
Zwei Drittel der Unternehmen in Dortmund angesiedelt
Um mit der Studie von 2013 vergleichbar zu sein, fußt die neue Untersuchung auf der Umsatzsteuerstatistik für die Jahre 2012 bis 2019 (letzter aktueller Stand) und betrachtet zudem die Entwicklung der Beschäftigtenzahlen von 2019 bis 2021 für die Städte Dortmund und Hamm sowie den Kreis Unna. Bemerkenswert ist dabei der enorme Zuwachs in der Kultur- und Kreativwirtschaft, der im IHK-Bezirk deutlich höher ausfiel als im übrigen Ruhrgebiet und im Land NRW. Stand Juni 2019 gab es demnach in der Branche 2.647 steuerpflichtige Unternehmen und Selbständige in der Region, was einem Anstieg von elf Prozent gegenüber 2012 entspricht. Zum Vergleich: Im Ruhrgebiet betrug der Zuwachs im selben Zeitraum nur drei Prozent, landesweit waren es vier Prozent.
Rund zwei Drittel dieser Unternehmen und Selbständigen sind in der Stadt Dortmund angesiedelt, allerdings war der Zuwachs innerhalb des IHK-Bezirks in der Stadt Hamm mit plus 18 Prozent am höchsten. Im Kreis Unna, der weniger städtisch geprägt ist, stieg die Anzahl der entsprechenden Unternehmen zwar nur um fünf Prozent, damit jedoch immer noch stärker als im gesamten Ruhrgebiet oder NRW-weit. Darüber hinaus stellt Ebert fest, dass auch die Umsätze in der Kultur- und Kreativwirtschaft im beobachteten Zeitraum deutlich gestiegen sind: Sie belaufen sich auf 1,3 Milliarden Euro im Jahr 2019 – ein Anstieg von 19 Prozent gegenüber 2012. Damit liegt der Zuwachs etwas höher als im gesamten Ruhrgebiet (plus 16 Prozent) und entspricht in etwa dem Niveau in ganz NRW.
Als einen wesentlichen Grund für die gute Entwicklung in Dortmund macht die aktualisierte Studie vor allem die Softwareindustrie aus, die hier eine größere Rolle spielt als in den beiden anderen IHK-Teilgebieten. Vor allem vor dem Hintergrund der Pandemie habe die IT-Branche digitale Lösungen geliefert, “die zur Überwindung der räumlichen Trennung notwendig waren oder sind”, so Ebert. Auch mit Blick auf die Entwicklung der Anzahl an sozialversicherungspflichtig Beschäftigten zwischen Juni 2019 und Juni 2021 nennt der Forscher die Stadt Dortmund eine “Kraftzentrale” der Kreativwirtschaft: Auf 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner kamen im Juni 2021 in Dortmund 1.334 Kreative, womit der Stadt sowohl im Ruhrgebiet als auch NRW-weit eine besondere Rolle zukommt. Zum Vergleich: 486 Kreative pro 100.000 sind es in Hamm gewesen und 426 im Kreis Unna.
Immenser Bedarf am Beratungsangeboten
Die staatlichen Einschränkungen im Zuge der Covid-19-Pandemie haben die Branche jüngst schwer getroffen, insbesondere die besucherbezogenen Betriebe. Allerdings gibt es noch zu wenig empirische Daten, wie sich dies auf die Anzahl der Beschäftigten ausgewirkt hat. Ebert verweist darauf, dass Unternehmen und/oder Selbständige mit einem Umsatz von weniger als 17.500 Euro aus methodischen Gründen bei der Studie nicht berücksichtigt werden konnten.
Patrick Voss, bei der IHK zu Dortmund Leiter des Referats Handel, Stadtentwicklung und Dienstleistungen, betont in diesem Zusammenhang die IHK-Unterstützung, die zu Beginn der Pandemie von vielen Unternehmen und Selbständigen genutzt wurde, um sich über Hilfsangebote zu informieren: “Die Branche, über die wir hier sprechen, ist ausgesprochen heterogen. Daher gab es viel Beratungsbedarf zu diversen Programmen zur Soforthilfe, Überbrückungshilfen sowie separate Programme von Bund und Ländern.”
Um konkurrenzfähig zu bleiben und Fachkräfte in die Region zu locken oder hier zu halten, hält Ralf Ebert es für unabdingbar, attraktive Kultur- und Kreativstandorte zu schaffen oder auszubauen. Eine Schwäche des Ruhrgebiets im Vergleich zu anderen Großregionen wie Berlin, Hamburg und München sieht er in einer gewissen Dezentralität der Angebote – es fehle mitunter an Dichte. Seine Empfehlung: eine stärkere Kooperation und Abstimmung innerhalb des Ruhrgebiets dahingehend, unterschiedliche Standorte mit variierenden Konzepten zu entwickeln, um so insgesamt in größerer Dimension ein schlagkräftiges Gesamtangebot machen zu können. Neben dem Unionsviertel mit einem kleinteiligen Gastro- und Kulturangebot sowie dem Phoenixpark West für IT-Unternehmen sieht er vor allem im Hafenviertel Potenzial für mehr Strahlkraft. Wichtig sei es generell, diese Gebiete so zu planen, dass sie keine Konflikte mit der Anwohnerschaft hervorrufen, etwa wegen Lärmentwicklung. Denn: “Solche Konflikte wurden in der Vergangenheit immer zulasten der Kultur gelöst”.