Unternehmen beachten Nachhaltigkeitsziele

In einer Umfrage untersuchte die IHK, welche Bedeutung die Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen für südhessische Unternehmen auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit haben. Das Ergebnis: Mehr als die Hälfte der Betriebe richtet ihre Aktivitäten an diesem freiwilligen Orientierungsrahmen aus. Besonders hohe Einflussmöglichkeiten sehen die Unternehmen in den Bereichen menschenwürdige Arbeit und nachhaltiges Wirtschaftswachstum, Klimaschutz sowie Geschlechtergleichheit.
Kaum ein Thema hat in den vergangenen Jahren so stark an gesellschaftlicher Relevanz gewonnen wie Nachhaltigkeit. Einen Fahrplan für die Zukunft hat die Weltgemeinschaft bereits im Jahr 2015 mit der Agenda 2030 verabschiedet und sich in diesem Rahmen 17 Ziele für eine wirtschaftlich, ökologisch und sozial nachhaltige Entwicklung gesetzt, um die natürlichen Lebensgrundlagen dauerhaft zu bewahren. Diese Sustainable Development Goals (kurz: SDGs) nutzt die Politik auf europäischer, auf Bundes- und auch auf hessischer Landesebene als Richtschnur für ihr Handeln, um den Wandel von Gesellschaft und Wirtschaft zu mehr Nachhaltigkeit zu gestalten. Und auch immer mehr Unternehmen orientieren sich an den SDGs, um sich zukunftsfähig aufzustellen und aktiv zu einer nachhaltigen Entwicklung beizutragen.
Die Halbzeit zur Umsetzung der Agenda 2030 ist erreicht. Unter Südhessens Betrieben genießen die globalen Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen inzwischen einen hohen Bekanntheitsgrad, wie eine aktuelle Umfrage der IHK Darmstadt zeigt: Rund 70 Prozent der Umfrageteilnehmer haben bereits von den SDGs gehört. Mehr als die Hälfte (52 Prozent) der Betriebe, die an der Umfrage teilgenommen haben, nutzt diese bereits als freiwilligen Orientierungsrahmen, um ihre Aktivitäten nachhaltiger zu gestalten. Von den rund 40 Prozent, die dies noch nicht tun, plant rund ein Viertel (26 Prozent), seine Aktivitäten zukünftig an den SDGs auszurichten.

Gutes Verständnis über die Einflussmöglichkeiten unternehmerischen Handelns

„Die SDGs wurden ursprünglich als Orientierungsrahmen für Staaten entwickelt. Nicht in allen Bereichen können Betriebe daher gleichermaßen dazu beitragen, die dort formulierten Ziele zu erreichen. Die Einflussmöglichkeiten unterscheiden sich darüber hinaus je nach Branche und Betriebsgröße“, sagt Robert Lippmann, Hauptgeschäftsführer der IHK Darmstadt. „Erfreulich ist, dass die Betriebe in Südhessen allgemein ein gutes Verständnis über ihre Einflussmöglichkeiten in den Bereichen der ökonomischen, ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit haben. Das zeigt unsere Umfrage deutlich.“
So ist die Mehrheit der Betriebe (62 Prozent) davon überzeugt, in hohem Maße zur Erreichung des SDG 8 „Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum“ beitragen zu können. Den zweiten Platz teilen sich mit jeweils 59 Prozent das SDG 13 „Maßnahmen zum Klimaschutz“ und das SDG 5 „Geschlechtergleichheit“, gefolgt vom SDG 10 „Weniger Ungleichheit“ (53 Prozent). Darüber hinaus werden die Einflussmöglichkeiten hinsichtlich des SDG 4 „Hochwertige Bildung“ und SDG 17 „Partnerschaften zur Erreichung der Ziele“ (jeweils 50 Prozent) als besonders hoch eingestuft. Ebenfalls unter den Top Five: das SDG 12 „Nachhaltige/r Konsum und Produktion“ mit 49 Prozent.

Viele Betriebe sehen einen Nutzen darin, sich an den SDGs zu orientieren

Der Großteil der Umfrageteilnehmer sieht einen Nutzen darin, Unternehmensaktivitäten an den SDGs auszurichten – selbst wenn das eigene Unternehmen dies noch nicht macht. Demnach erleichtert es eine Orientierung an den SDGs, Unternehmensaktivitäten in Einklang sowohl mit Umwelt- und Klimaschutz als auch mit den Bedürfnissen der Gesellschaft zu bringen (jeweils 55 Prozent). Ebenfalls 55 Prozent glauben zudem, dass so die Glaubwürdigkeit nach innen und außen gestärkt wird, als Betrieb systematisch auf mehr Nachhaltigkeit hinzuwirken. Fast die Hälfte (47 Prozent) ist überzeugt, dass eine Orientierung an den SDGs Innovationsfelder und Marktpotenziale aufzeigt. Bestehende oder kommende Regulierungen umzusetzen, wird hierdurch nach Auffassung von 42 Prozent der antwortenden Betriebe erleichtert.
Auf der Gegenseite werden aktuell noch fehlendes oder geringes öffentliches Bewusstsein oder Interesse für die SDGs (58 Prozent) sowie der Mangel an personellen und/oder finanziellen Ressourcen im Betrieb (57 Prozent) als wesentliche Hindernisse für eine noch stärkere SDG-Orientierung der Wirtschaft genannt. 47 Prozent halten fehlendes Know-how für eine weitere Herausforderung, sich mit den SDGs auseinanderzusetzen. Es gibt nur unzureichende Hilfestellungen bei der Implementierung, bemängeln 37 Prozent. Für etwas mehr als ein Viertel (26 Prozent) ist die Relevanz der SDGs für ihren Betrieb unklar.
Trotz dieser Herausforderungen lohne es sich für Betriebe zu prüfen, inwieweit die SDGs eine gute Orientierungshilfe für mehr Nachhaltigkeit bieten können, meint Robert Lippmann. Dabei gehe es nicht nur darum, Verantwortung für die Auswirkungen des eigenen Handelns auf Umwelt und Gesellschaft zu tragen. „Wir befinden uns in einem umfassenden gesellschaftlichen Veränderungsprozess, Nachhaltigkeit ist bereits heute ein wichtiger wirtschaftlicher Wettbewerbsfaktor. Auf Dauer werden sich vor allem die Produkte und Dienstleistungen am Markt durchsetzen, die dieses Thema in besonderem Maße berücksichtigen. Die SDGs etablieren sich dabei immer stärker als Standard-Bezugsrahmen.“
Um kleinen und mittleren Unternehmen einen einfachen Einstieg in die Arbeit mit den SDGs zu ermöglichen, stellt die IHK Darmstadt umfangreiche Informationen auf ihrer Website bereit. Dazu gehört eine Hilfestellung, wie Betriebe aus den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen individuell die Aspekte herausfiltern, die für sie eine hohe Relevanz haben und auf die sie einen besonders hohen Einfluss nehmen können. Die richtigen Prioritäten zu setzen, sei gerade mit Blick auf die oft begrenzten personellen und finanziellen Ressourcen der Betriebe wichtig, betont Robert Lippmann.

Auch wer sich nicht an den SDGs orientiert, engagiert sich im Bereich Nachhaltigkeit

Unabhängig davon, ob Betriebe ihre Aktivitäten an den SDGs ausrichten oder nicht, setzen sie zahlreiche Maßnahmen zu ökonomischer, ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit um, wie die Umfrage zeigt. Das Engagement der Betriebe deckt von der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben über Spendenaktivitäten und Sponsoring für lokale Vereine bis hin zur Steigerung der Ressourceneffizienz und Investitionen in erneuerbare Energien ein breites Spektrum ab. Im Ergebnis besonders auffällig sei das insgesamt hohe Engagement für die eigenen Mitarbeitenden: „Die Unternehmen sind sich neben ihrer Verantwortung gegenüber ihren Mitarbeitenden sehr bewusst, dass sie beim anhaltenden Fachkräftemangel einiges dafür tun müssen, um gutes Personal zu gewinnen und zu halten. Corporate-Responsibility-Maßnahmen tragen zur Arbeitgeberattraktivität bei“, sagt Robert Lippmann.
Die Auswertung des allgemeinen Nachhaltigkeitsengagements zeigt jedoch auch, dass dieses noch wenig systematisch ausgeprägt ist: Nur rund ein Drittel (31 Prozent) der Betriebe, die sich an der Umfrage beteiligt haben, gibt an, Nachhaltigkeitsziele systematisch in die Unternehmensstrategie zu integrieren. Nur rund ein Viertel (26 Prozent) haben ein Nachhaltigkeits- oder CSR-Management im Betrieb eingeführt oder bauen dieses gerade auf. Und während sich zwar 35 Prozent öffentlich zu Nachhaltigkeitszielen bekennen, messen nur 11 Prozent den direkten oder indirekten Beitrag, den ihr Unternehmen zur Erreichung der eigenen Nachhaltigkeitsziele leistet. „Damit vergeben Betriebe wertvolle Wettbewerbschancen“, sagt der IHK-Hauptgeschäftsführer. „Nur wer sich systematisch mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigt und prüft, ob umgesetzte Maßnahmen dazu beigetragen haben, die selbst gesteckten Ziele zu erreichen, kann Chancen für sich nutzen und sich zukunftsfähig aufstellen.“

Gute Umfragebeteiligung trotz Energiekrise und drohender Rezession

Für die Umfrage „Die Bedeutung der SDGs für Südhessens Wirtschaft auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit“ hatte die IHK Darmstadt zwischen September und Oktober 2022 rund 750 Unternehmen angeschrieben, von denen sich 114 Betriebe beteiligt haben. Gemessen an der hohen Komplexität der Umfrage und der Tatsache, dass viele Unternehmen aufgrund der Energiekrise und einer drohenden Rezession aktuell große Sorgen haben und andere Themen in den Fokus setzen, wertet die IHK die Umfragebeteiligung als positiv.
Die komplette Umfrageauswertung finden Sie unter weitere Informationen als PDF (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 3166 KB).