Versteckte Juwelen

Wandern auf fürstlichen Spuren an der Hessischen Bergstraße

Die Bergstraße ist für ihr mildes und sonniges Klima bekannt. Als Ausflugsziele locken nicht nur der markante Melibokus, sondern auch Schlösser, Parks und Museen. Ebenso lohnt sich ein Abstecher nach Bensheim zum Einkaufsbummel.
Autorin: Mirjam Ulrich
Prinzessin Wilhelmine von Baden ist bei der Hochzeit mit ihrem Cousin im Juni 1804 erst 15 Jahre alt. Die arrangierte Ehe mit dem elf Jahre älteren Erbprinzen Ludwig von Hessen-Darmstadt verläuft allerdings nicht glücklich. Das Paar lebt sich nach der Geburt des zweiten Sohnes auseinander. 1815 erhält der 21-jährige Offizier August Ludwig Freiherr von Senarclens-Grancy am Darmstädter Hof eine Anstellung als Reisestallmeister und Rittmeister der Leibgarde. Bald darauf wird er der Geliebte von Prinzessin Wilhelmine – er gilt als der Vater ihrer vier jüngeren Kinder, die zwischen 1821 und 1824 zur Welt kommen und von Prinz Ludwig als seine eigenen anerkannt werden. Der Freiherr folgt Wilhelmine auch nach Jugenheim, als sie 1830 auf ihr Gut auf dem Heiligenberg zieht, das sie zum Schloss umbaut. Gut 20 Jahre später brennt Wilhelmines dritter Sohn Alexander mit einer Hofdame seiner Schwester Marie, die mit dem künftigen Zaren verheiratet ist, durch. Die Ehe zwischen Prinz Alexander und der dann zur Gräfin erhobenen Julie von Battenberg gilt als nicht standesgemäß. Zu ihren illustren Nachkommen zählt Prinz Philip, der Ehemann Queen Elizabeth II.
Schloss Heiligenberg und „Annettes Gastronomie“ ebendort sind beliebte Orte für Veranstaltungen und Feiern. Durch den Schlosspark führt ein Geschichtspfad, im „Russenhaus“ ist die Historie der Battenberger und Großherzogin Wilhelmine dokumentiert. Vom Heiligenberg ist es nur ein kurzer Abstecher zum Museum Stangenberg Merck im „Haus am Berg“ inmitten eines Parks mit Ausblick auf die Rheinebene. Das private Museum widmet sich dem Werk der Malerin und Grafikerin Heidy Stangenberg-Merck. In der Villa sind zudem Arbeiten ihrer Mutter, der Malerin Marietta Merck, sowie ihres Ehemannes Kurt Stangenberg ausgestellt. Im „Artificium“ im Souterrain gibt es Kunst zum Anschauen und Kaufen. Außerdem geht es vom Heiligenberg auf einem Abschnitt des Burgensteigs zum Schloss Auerbach. Tatsächlich handelt es sich dabei um eine Burg, die wahrscheinlich ab dem 13. Jahrhundert erbaut, im 30-jährigen Krieg jedoch beschädigt und 1674 zerstört wurde. Dennoch ist die imposante Ruine auf dem Auerberg nordöstlich von Bensheim insgesamt gut erhalten. Auf der Schildmauer wächst seit mehr als 300 Jahren eine etwa sieben Meter hohe Waldkiefer – ohne Erde. Vom Auerbacher Schloss führt der Burgensteig weiter zum Staatspark Fürstenlager, in dem einer der ältesten Riesenmammutbäume Deutschlands steht. Wilhelmines Schwiegervater Ludwig und dessen Frau Luise hielten sich ab 1783 regelmäßig in dem Tal mit Gesundbrunnen auf und ließen sich dort eine Sommerresidenz errichten und den englischen Garten anlegen.
Knapp zwei Kilometer entfernt steht sich das „Hochstädter Haus“. Die alte Kantine des ehemaligen Mamoritwerks wurde mit viel ehrenamtlichem Einsatz zu einem Dorfladen mit Café mit einer Außenterrasse umgebaut. Das Sortiment des Dorfladens umfasst auch 100 regionale Produkte – darunter Backwaren, Quittenlimonade vom Quittenprojekt Bergstraße, Fleisch und Wurst wie auch Seife und Kosmetik. Ferner verkauft der Dorfladen hausgemachte Erzeugnisse wie etwa Aufstriche oder den Hochstädter Hauskäse. Wer vor der Wanderung zum Gipfel des Melibokus, dem höchsten Berg an der südhessischen Bergstraße, noch Proviant braucht oder sich hinterher mit Kuchen stärken möchte, ist dort richtig. Kürzer ist ein Spaziergang über den Weiherweg zum kreisförmigen „Friedensmal“ mit elf großen Steinen, das der Künstler und Autor Thomas Zieringer entworfen hat. Es liegt oberhalb von Hochstädten in einem „Garten der Freiheit“. Außerhalb des Kreises steht der „Stein der Begegnung“: Seine nach Westen weisende Seite ist roh und unbeschriftet und erinnert an die verschleppten Zivilisten aus Griechenland und die KZ-Häftlinge, die in einem Stollen des Marmoritwerks Zwangsarbeit für einen Rüstungsbetrieb leisten mussten.
Die historische Altstadt von Bensheim mit ihren zahlreichen Fachwerkhäusern lädt zum Bummeln ein. Bereits im Jahr 956 erhielt Bensheim das Marktrecht, die älteste erhaltene Wochenmarktsordnung ist fast 500 Jahre alt. Als einer der wenigen Wochenmärkte in der Region wird er montags bis samstags abgehalten, das regionale Warenangebot wechselt. Nahe dem Marktbrunnen verlief einst die römische Pflasterstraße, die später „platea montium“ und „bergstrasen“ genannt wurde. Im Museum Bensheim am Marktplatz befindet sich eine der größten archäologischen Sammlungen in Südhessen. 2020 ist die Dauerausstellung zur Archäologie neu konzipiert worden, um Kindern und Erwachsenen Geschichte von der Altsteinzeit bis zum Hochmittelalter näher zu bringen. Die Kunstsammlung des Museums umfasst mehrere Hundert Gemälde und rund 2000 Grafiken regionaler Künstler, zum Beispiel vom Bauhausschüler Leo Grewenig oder von Paul Kleinschmidt. Er war in den 1920er und 1930er Jahren national und international erfolgreich, bis er von den Nationalsozialisten diffamiert und mit einem Malverbot belegt wurde. Er starb 1949 verarmt in Bensheim.
Wenige Gehminuten vom Marktplatz entfernt liegt die Sektkellerei „Griesel & Compagnie“ an der Grieselstraße. Der mehr als hundert Jahre alte Kreuzgewölbekeller reicht tief in den Berg hinein, seit 2013 erzeugt Winzer Nico Brandner dort Sekt in traditioneller Flaschengärung. Inzwischen zählt der Betrieb zu Deutschlands besten Sektkellereien. Vis-a-vis hat 2020 die Ledermanufaktur „Griesela“ eröffnet. Frank Meckel fertigt dort Taschen, Brillenetuis, Hüllen fürs Smartphone und andere Lederwaren individuell und von Hand an und bietet in seiner Werkstatt zudem Reparaturen an. Saisonal wechselnde Lebens- und Genussmittel aus der Region Bergstraße gibt es im „Jahreszeiten regional erleben“ an der Friedhofstraße zu kaufen.
Genießer zählen „Käse-Mühlum“ an der Gerbergasse deutschlandweit zu den ersten Adressen. Das inhabergeführte Fachgeschäft existiert seit mehr als 60 Jahren und hat sich auf internationale Rohmilchkäse aus kleineren Käsereien und Molkereien spezialisiert. Zwei bis drei Mal die Woche liefern sie frische Produkte, darunter auch ausgefallene, jahreszeitlich begrenzte und sehr seltene Kuhrohmilchkäse. Ziegen- und Schafskäse finden sich ebenso in der Käsetheke wie Büffelkäse und laktose- und glutenfreie Käse. Zum Käse passt Wein – die Weinabteilung führt 100 ausgesuchte Sorten aus Frankreich, Deutschland und Italien sowie aus der Region und bietet auch kompetente Beratung an. Schokolade, Pralinen, Feinkost und Pasteten gehören ebenfalls zum Sortiment.
„Krämer reloaded“ heißt die Galerie für Kunst, Handwerk und Regionales im ehemaligen Kaufhaus Krämer an der Hauptstraße. Es besteht auch die Möglichkeit, für eigene Ausstellungen im ersten Obergeschoss ein 65 Quadratmeter große Fläche für vier bis zwölf Monate anzumieten. An der Bahnhofstraße gibt es während der Saison im „Coccola“ an der Bahnhofstraße hausgemachtes Eis aus natürlichen Zutaten. Die Auswahl reicht von klassischen Sorten wie etwa Schokolade oder Erdbeer bis zu außergewöhnlichen Geschmacksrichtungen wie zum Beispiel Joghurteis mit Wasabi. Das Eiscafé stellt auch Sorbets und veganes Eis her. Eine weitere Filiale befindet sich am Großen Markt in Heppenheim.
Kino im Kulturdenkmal lässt sich in Heppenheim erleben. Seit bald 60 Jahren zeigen die „Saalbau Lichtspiele“ an der Wilhelmstraße ein ausgewähltes Programm im Ambiente der 1950er Jahre. Das Interieur des großen Kinosaals mit Platz für 300 Zuschauer ist original erhalten geblieben, die Technik jedoch modern und auf dem aktuellen Stand. Die Karten können ebenfalls online reserviert werden. Filmfreunde schätzen zudem, dass es im Kino nicht nach Popcorn riecht und die Werbung vor dem Hauptfilm kurz ausfällt. 2018 eröffneten die Kinobetreiber in vierter Generation einen zweiten Vorführsaal, das „Petite Cinéma“ mit 18 Plätzen. Die Saalbau Lichtspiele bieten auch der Kleinkunst und dem Kindertheater eine Bühne.
Versteckte Juwelen
Die Artikelserie „Versteckte Juwelen“ ist ein Gemeinschaftsprojekt der IHK Darmstadt und der touristischen Partner der Region. Während wir mit unseren touristischen Highlights den Blick auf eher bekannte Reiseziele der Region legen, stellen wir Ihnen hier auch Attraktionen vor, die Sie vielleicht noch nicht kennen, die aber in jedem Fall einen Ausflug wert sind. Lust, die Region Bergstraße-Odenwald zu entdecken? Noch mehr Tipps gibt es unter www.bergstrasse-odenwald.de und www.diebergstrasse.de.
Nele Freund
Bereich: Unternehmen und Standort
Themen: Handel, Standortmarketing, Stadtmarketing
Jessica Schmitt
Bereich: Unternehmen und Standort
Themen: Tourismus, Standortmarketing, Stadtmarketing