Versteckte Juwelen

Geschichte und Genuss im Mümlingtal

Auf den Spuren der Römer gibt es im Mümlingtal einiges zu entdecken. Sie brachten seinerzeit auch den Apfel nach Germanien, dessen Vielfalt im Odenwald zum regionalen Kulturgut gehört. Auf den Streuobstwiesen und Weiden wächst die Grundlage für mancherlei Gaumenfreuden.
Autorin: Mirjam Ulrich, 31. August 2020
Die Römer, so heißt es, nannten diesen Ort im Mümlingtal „Quintiacum“. Als „Quinticha“ wird er erstmals im Jahr 820 in Urkunden erwähnt, was frei übersetzt „sprudelndes Wasser“ oder „eilendes Wasser“ bedeutet. Eine Stahl- und eine Thermalquelle machen die kleine Stadt Bad König zum Heilbad – dem einzigen im Odenwald. Im Ortsteil Kimbach steht zudem ein bekanntes Naturdenkmal: der „Odenwaldbaum“. Die ungefähr 300 Jahre alte Stieleiche soll die Inspiration für das romantische Volkslied „Es steht ein Baum im Odenwald“ gewesen sein. Den Text hat die Dichterin und Sagensammlerin Auguste Pattberg verfasst, er handelt von einer zerbrochenen Liebe.
Noch älter als der Baum ist der Bauernhof „Weiße Hube“ im benachbarten Höhendorf Momart. Seit 1650 in Familienbesitz, bewirtschaften Hans und Sabine Trumpfheller ihn inzwischen in der zwölften Generation.
Eine weitere Besonderheit ist, dass sie ökologische und soziale Landwirtschaft betreiben: Acht Menschen mit Beeinträchtigungen arbeiten auf dem Hof mit den Tieren zusammen. Neben Fränkischem Gelbvieh und fast 200 Hühnern mit fahrbarem Stall leben dort 200 Thüringer Waldziegen mit Zicklein und zwei Ziegenböcken. Diese hellbraunen bis schokoladenfarbenen Ziegen mit den weißen Gesichtsmasken gelten als robust und widerstandsfähig. Die Rasse entstand Anfang des 20. Jahrhunderts im namensgebenden Thüringen, ist jedoch inzwischen so selten, dass sie auf der Roten Liste der gefährdeten Nutztierrassen steht. Aus ihrer Milch stellt die hofeigene Käserei 13 Sorten Bio-Ziegenkäse her, der im Hofladen und online verkauft wird.
Nicht nur der Käse wurde prämiert – im Jahr 2017 erhielt die „Weiße Hube“ als erstes landwirtschaftliches Unternehmen den Hessischen Landespreis für beispielhafte Beschäftigung und Integration schwerbehinderter Menschen.
Schon die Römer betrieben im Mümlingtal Landwirtschaft, davon zeugen die Reste der Villa rustica „Haselburg“ in der Nähe des Höchster Stadtteils Hummetroth. Das repräsentative Landgut im Hinterland des Odenwald-Limes bestand aus einem Herrenhaus, einem Wirtschaftstrakt und einem großen Badehaus inklusive Warmbad sowie einem Jupiterheiligtum. Außerdem gab es einige Nebengebäude, in denen Wohnungen für das Gesinde und Tierställe waren.
Das Anwesen wurde zur Zeit Kaiser Hadrians um das Jahr 120 erbaut und mehr als 100 Jahre bewohnt. Doch spätestens als die römischen Truppen im Jahr 260 den Limes und die Provinz aufgaben, verließen die Bewohner die römische Villa und sie verfiel. Noch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ragten Mauerreste aus dem Boden, auf denen Haselsträucher wuchsen. Daher rührt auch der Name „Haselburg“. Sie ist von mehreren hundert römischen Gutshöfen in Hessen die einzige in dieser Form und Größe ausgegrabene Anlage.
Das Freilichtmuseum ist das ganze Jahr kostenfrei zugänglich, die aktuellen Öffnungszeiten des Informationszentrums stehen auf der Website des Archäologieparks. Am Wochenende ist die Haselburg auch mit dem „Burgen-Bus“ von Höchst aus erreichbar, für den Rufbus ist eine Anmeldung erforderlich.
Die Römer brachten die zuvor unbekannten Äpfel, Walnüsse und Kirschen nach Germanien. Mehr als 2.600 Streuobstwiesen in den Landkreisen Bergstraße und Odenwald prägen nicht nur das Landschaftsbild, sondern bieten Lebensraum für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten. Zu denen, die im Odenwald Streuobstwiesen hegen und pflegen, gehört der Apfelwinzer Peter Merkel in Annelsbach. 30 alte Apfelsorten wachsen auf seinen Streuobstwiesen, darunter „Der Odenwälder“, „Gewürzluiken“, „Riesenboiken“ und der „Reichelsheimer Weinapfel“. Der auch als „Apfelweinprofessor“ bekannte Koch keltert daraus Apfelweine und Zider, zudem stellt er Obstbrände her. Er wurde bereits mehrfach mit dem „Pomme d’Or“ ausgezeichnet – quasi dem internationalen „Oscar“ für Gourmet-Apfelweine.
Einblicke in die Herstellung gibt Peter Merkel bei Kellerführungen mit Probe in seinem Gasthaus und Hotel Dorn’röschen. In der hauseigenen Apfelwein-Boutique sind seine wie auch die Produkte anderer Erzeuger aus der Region erhältlich.
Ein kleines Dornröschenschloss steht in der Obrunnschlucht zwischen Höchst und Rimhorn. In der etwa drei Kilometer langen Schlucht verläuft entlang des Bachs ein Märchenpfad. Miniaturmodelle von Mühlen, Burgen und andere Bauten sowie einige Figuren aus Märchen und Sagen wie etwa der Rübezahl säumen den Weg.
Ein beliebtes Fotomotiv ist die „Schwanenburg“, die an das Grimm’sche Märchen „Die sechs Schwäne“ von sechs verzauberten Prinzen erinnern mag. Es gibt eine hölzerne Lok namens „Emma“ und ein Floß zum Spielen, außerdem Bänke mit Tischen, um zu rasten. Der knapp fünf Kilometer lange Rundwanderweg führt über kleine Holzbrücken mehrmals über den Bach sowie über einige Treppen und ist für Radfahrer gesperrt.
Versteckte Juwelen
Die Artikelserie „Versteckte Juwelen“ ist ein Gemeinschaftsprojekt der IHK Darmstadt und der touristischen Partner der Region. Während wir mit unseren touristischen Highlights den Blick auf den Blick auf eher bekannte Reiseziele der Region legen, stellen wir Ihnen hier auch Attraktionen vor, die Sie vielleicht noch nicht kennen, die aber in jedem Fall einen Ausflug wert sind. Lust, die Region Bergstraße-Odenwald zu entdecken? Noch mehr Tipps gibt es unter www.bergstrasse-odenwald.de und www.geo-naturpark.net.

Nele Freund
Bereich: Unternehmen und Standort
Themen: Handel, Standortmarketing, Stadtmarketing
Jessica Schmitt
Bereich: Unternehmen und Standort
Themen: Tourismus, Standortmarketing, Stadtmarketing