Unternehmensporträt

Reparieren statt wegschmeißen

Ein Hidden Champion ist Ikra aus Münster. Seit bald 50 Jahren produziert das Familienunternehmen Gartengeräte vor allem als Eigenmarken für große Baumärkte, die sie unter ihrem Namen verkaufen. Das riesige Ersatzteilangebot, umweltfreundliche Verpackungen und der soziale Umgang mit der Belegschaft zeigen, dass bei Ikra Nachhaltigkeit eine wesentliche Rolle spielt.
Text: Stephan Köhnlein
Porträt: Maria Farruggio-Eiselt
Maria Farruggio-Eiselt, Geschäftsführerin bei Ikra © IHK Darmstadt / Markus Schmidt
Angefangen hat alles im Jahr 1977. Da entdeckte Reinhard H. Jachmann in den USA den Rasentrimmer, brachte das damals in Europa noch weitgehend unbekannte Gerät nach Deutschland und gründete im südhessischen Münster die Ikra GmbH. Fast fünf Jahrzehnte später bietet das Familienunternehmen mit knapp 50 Mitarbeiter*innen eine breite Produktpalette an Gartenwerkzeugen weit über Trimmer hinaus – vom Astschneider über Gras- und Strauchscheren, Kettensägen, Laubsauger, Häcksler, Rasenmäher bis zu Vertikutierern.
Geräte im Wert einer mittleren sechsstelligen Summe setzt Ikra nach eigener Aussage jedes Jahr ab. Die meisten Menschen in Deutschland dürften bei der Gartenarbeit schon einmal ein Ikra- Gerät in der Hand gehabt haben, ohne es zu wissen. Denn das Unternehmen beliefert zahlreiche Baumarktketten, die die Werkzeuge als Eigenmarke unter ihrem Namen verkaufen. Zudem verfügt es über eine eigene Produktlinie, die es online vertreibt.

Erklärvideos geben Hilfe zur Selbsthilfe

Die gebürtige Italienerin Maria Farruggio-Eiselt wuchs in Babenhausen auf. Mit Anfang 20 kam sie zu Ikra, durchlief dort verschiedene Stationen, darunter Sachbearbeitung, Einkauf, Marketing und Produktentwicklung. Sie machte berufsbegleitend ihren Abschluss als Internationale Betriebswirtin und wurde Prokuristin. Nach rund 25 Jahren im Unternehmen stieg sie Anfang 2024 in die Geschäftsführung auf, der auch Erik und Horst Jachmann aus der Gründerfamilie angehören.
Nachhaltigkeitsthemen seien ihre Leidenschaft, sagt die Mutter zweier Mädchen, die sich auch sozial engagiert. Mit ihrem Angelverein sei sie beispielsweise bereits zweimal für ein von ihnen entwickeltes Fischhotel prämiert worden, mit dem in Baggerseen ohne Bodenstruktur Lebensräume für Fische geschaffen werden. Bei Ikra arbeite sie auch, weil sich die Werte der Firma mit ihren eigenen Vorstellungen von Nachhaltigkeit deckten.
Ein Aspekt der Nachhaltigkeit bei Ikra ist der Fokus darauf, Geräte reparieren zu können. Dazu bietet das Unternehmen nach eigener Aussage mehr als 10.000 Ersatz- sowie etwa 3.000 Zubehörteile – und das auch für ältere Modelle. »Alles, was man selbst reparieren oder austauschen kann, halten wir bereit«, sagt Farruggio-Eiselt.
So sei es nicht nötig, einen kleinen Trimmer zu entsorgen, nur weil es keine passenden Spulen mehr gebe. Mit der Weiterbenutzung der Gartengeräte spare man wertvolle Ressourcen. Gut verständliche Bedienungsanleitungen und zahlreiche Erklärvideos auf der Firmen-Homepage sollen die Kunden dabei unterstützen, sich bei vielen Problemen selbst helfen zu können.
Das auf EU-Ebene beschlossene Recht auf Reparatur könnte zumindest theoretisch für einen Wandel sorgen – weg von einer Wegwerfmentalität hin zu einer Weiterbenutzung von Geräten. Doch die Produktgruppe Gartenwerkzeuge falle derzeit nicht unter diese Regelung, wie Farruggio-Eiselt sagt. Die Geschäftsführerin hofft, dass es irgendwann einen Konsens in der Industrie dafür gibt, auch bei Gartengeräten ein derartiges Recht auf Reparatur zu forcieren.

Teurere Verpackungen zahlen sich aus

Nachhaltiges Wirtschaften entlang der gesamten Wertschöpfungskette durchzusetzen, sei durchaus konfliktträchtig. »Bei unseren chinesischen Lieferanten gelten wir als anspruchsvoll und dadurch etwas nervig«, sagt Farruggio-Eiselt augenzwinkernd. »Wir wollen immer Ersatzteile, die dann auch noch umweltfreundlich verpackt sein sollen. Aber mittlerweile haben sie sich daran gewöhnt, weil sie merken, dass wir da nicht nachlassen: Wir wollen reparieren.«
Wir halten alles bereit, was man selbst reparieren oder austauschen kann.

Maria Farruggio-Eiselt

Verpackungen sind ein weiterer wichtiger Punkt beim Thema Nachhaltigkeit. Ikra verzichtet so weit wie möglich auf Plastik und laminierte Kartons. Stattdessen gibt es stabile Verpackungen aus dicker Pappe. Schrauben oder die Gebrauchsanweisungen werden in Papiertüten gepackt. »Das ist alles zunächst etwas teurer«, sagt Farruggio-Eiselt. Doch gerade die stabilen und wiederverwertbaren Kartons hätten die Kosten für Retouren, Garantiefälle und Transportschäden deutlich gesenkt. »Es hat zwar eine Weile gedauert, aber die anfänglichen Mehrkosten zahlen sich mittlerweile aus. Zudem vermeiden wir damit eine Menge Abfall.«
Nachhaltigkeit hört bei Ikra jedoch nicht bei den Produkten und dem Geschäftsmodell auf, sondern betrifft auch soziale Aspekte innerhalb des Unternehmens. »Wir sind für unsere Mitarbeiter auch in solchen Zeiten da, wenn es ihnen einmal über längere Zeit schlecht geht. Das ist in meinen rund 25 Jahren hier schon mehrfach passiert und nicht selbstverständlich«, sagt Farruggio-Eiselt. »Aber wenn ein Mitarbeiter gesund und zufrieden ist und sich wertgeschätzt fühlt, dann kann er auch gut und nachhaltig für die Firma wirken. Deswegen haben wir beim Personal auch eine sehr niedrige Fluktuation.«
Dieser Artikel ist erstmals erschienen im IHK-Magazin “Wirtschaftsdialoge”, Ausgabe 4/2024. Sie möchten das gesamte Heft lesen? Die “Wirtschaftsdialoge” können Sie seit Oktober 2023 auch online als PDF-Datei herunterladen.
Matthias Voigt
Bereich: Kommunikation und Marketing
Themen: IHK-Magazin, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit