Internationaler Handel

"'Made in Germany' allein ist nicht mehr stark genug"

Dirk Stefan Polte, Geschäftsführer der Fieger Gruppe, erklärt im Interview, ob er mit dem einstigen Gütesiegel bei seinen Kunden noch wirbt – und was das mit einer Politik der angezogenen Handbremse zu tun hat.
Text: Matthias Voigt
Dirk Stefan Polte, Geschäftsführer der Fieger Gruppe
Dirk Stefan Polte, Geschäftsführer der Fieger Gruppe © Fieger Gruppe
IHK: Herr Polte, auf der Homepage Ihres Unternehmens schreiben Sie: Fieger Lamellenfenster sind das, was man sich in der Welt unter deutscher Ingenieurskunst „Made in Germany“ vorstellt. Welche Eigenschaften meinen Sie genau?
Dirk Stefan Polte: Unsere Werte wie Qualität und Zuverlässigkeit sind global anerkannt und fest in unserem Unternehmen verankert. Fieger Fenster stehen für ikonisches Design, Langlebigkeit und Qualität. Selbst nach fast 25 Jahren im Betrieb läuft unser erstes Fieger Lamellenfenster immer noch einwandfrei. Normierte Dauertests bestätigen diese außergewöhnlich langlebige Qualität unserer Produkte. Unsere technischen Ingenieure streben stets nach höchster Präzision, oft weit über geforderte Standards hinaus. Deutsche Pünktlichkeit stärkt das Vertrauen in unsere Liefer- und Produktversprechen. All dies erreicht man durch eine agile Zielsetzung, viel Fleiß und mit einem hohen Engagement.

Unsere Werte wie Qualität und Zuverlässigkeit sind global anerkannt und fest in unserem Unternehmen verankert.

Dirk Stefan Polte, Geschäftsführer der Fieger Gruppe


Zur Person

Dirk Stefan Polte leitet seit 2019 die Fieger Gruppe und treibt mit seinen Teams das Wachstum im Rahmen der Strategie „Fieger – Next Level“ voran. Poltes Laufbahn begann vor über 30 Jahren als Reserveoffizier und führte ihn nach Ausbildung und Studium in alle drei Weltregionen: EMEA, The Americas und Asia Pacific. Er durchlief bei national und global agierenden Firmen und Unternehmensberatungen wie z. B. Steigenberger, Worldhotels und dem Hertz Partner Top-Alliance alle Hierarchiestufen vom einfachen Mitarbeiter bis zum Generalbevollmächtigten.
IHK: Was ist „Made in Germany“ heute noch wert?
Dirk Stefan Polte: Früher wurden uns unsere Fieger Lamellenfenster auf internationalen Messen nahezu aus der Hand gerissen. Heute müssen wir uns mit den Herausforderungen einer neuen VUCA-Welt auseinandersetzen. Geschäftsentwicklung und Verkauf erfordern mehr Administration, europäische und internationale Zertifikate, Kenntnisse der Lieferketten sowie Handelsauflagen im Bereich Zoll und Statistik. Die internationale Konkurrenz schläft nicht, Produkte aus Regionen wie Shenzen bieten oft sogar attraktivere Funktionen zu einem Bruchteil der deutschen Preise. Das erschwert den internationalen Wettbewerb, wo immer noch oft der Einstiegspreis entscheidet. Wir argumentieren mit der Total-Cost-of-Ownership und CO2-reduziertem Aluminium, doch Produktion in Deutschland bedeutet einfach nun mal ständig steigenden administrativen Aufwand und Kosten. Das Label „Made in Germany“ allein reicht oft nicht mehr aus, um diesen Standortnachteil zu kompensieren.
IHK: Werben Sie in der Welt noch mit der deutschen Herkunft Ihrer Produkte?
Dirk Stefan Polte: In Märkten wie der MENA-Region und dem Commonwealth hat das „Made-in-Germany-Label“ noch einen sehr hohen Stellenwert. In Frankreich, Spanien oder Portugal sind wir jedoch schon vorsichtiger, da es hier sogar kontraproduktiv wirken kann. Dennoch bleibt es in vielen Ländern ein Asset, allerdings auch immer abhängig von der Verkaufsregion und dem jeweiligen Kulturkreis.
IHK: Welche Forderungen haben Sie an die Politik, um in Deutschland besser wirtschaften zu können?
Dirk Stefan Polte: Mich stört, dass wir in Deutschland zu oft mit angezogener Handbremse fahren. In jedem Bereich gibt es viel zu komplexe, oft noch unfertige Gesetze, was für Investoren, Unternehmer und Mitarbeiter desorientierend ist. Zum Beispiel beim Datenschutz: Während wir Datenschutz wie Arbeitsschutz seit Jahrzehnten nativ beachten, herrscht bei neuen Technologien in diesem Bereich wie KI eigentlich sofort Datenschutzunsicherheit. Ich fordere von der Politik durchdachte Regelungen und genügend unternehmerische Spielräume, um bewährte Trial-and-Error-Szenarien nicht zu gefährden. In unsicheren Zeiten müssen wir Neues schnell ausprobieren können. Jegliche Überregulierung bremst uns aus. Angesichts der komplexen Weltlage und politischen Spannungen brauchen wir mehr Orientierung von der Politik und keine Einmischung in die Wirtschaft.
Fieger Lamellenfenster

Im Jahr 2000 erfand, patentierte und zertifizierte Thomas Fieger das Fieger Lamellenfenster, welches im Markt direkt gefragt war. Dieser Erfolg bildete das Fundament für die weitere nationale und internationale Unternehmensentwicklung. Heute bieten Kernbereiche wie „SmoTec by Fieger“ und „AirTec by Fieger“ Architekten und Planern weltweit Lösungen für Entrauchung und Belüftung nach den neuesten nationalen Normen. Alle Fieger Produkte zeichnen sich durch ein ikonisches Design, Präzision, Vielseitigkeit und eine besonders hohe Zuverlässigkeit aus. Das maßgeschneiderte Portfolio ermöglicht Lösungen für selbst anspruchsvollste Bauprojekte und Gebäudetypen weltweit.
www.fieger-lamellenfenster.de
IHK: Wie machen sich die weltweiten Krisen und Veränderungen für Ihr Geschäft bemerkbar?
Dirk Stefan Polte: Nehmen wir das Beispiel Brexit. Früher hatte ich im Export eine Direktverbindung von meiner Versandabteilung in Deutschland zu unserer Tochterfirma in Großbritannien. Heute habe ich einen Exportagenten, der nimmt aber für jede Einheit 50 bis 100 Euro extra und andersherum beauftrage ich einen Importagenten, der nimmt ebenfalls 50 bis 100 Pfund. Viel besser kann man Hürden nicht beschreiben. Der Brexit ebenso wie viele schnelle, weltweite Veränderungen haben schon erhebliche Auswirkungen auf unser Geschäft.
IHK: Wo sind die Hürden noch sichtbar?
Dirk Stefan Polte: Gerade im Bereich der Produktlizenzen und Zertifikate spielen diese eine wichtige Rolle. Trotz europäischer Zertifizierung mussten unsere Produkte zum Beispiel bei einem Großprojekt für die Harvard University in Boston zusätzlich nach amerikanischem Standard zertifiziert werden, was zu Mehraufwänden führte. Hier war der Abgasskandal der deutschen Autoindustrie sicherlich auch nicht vertrauensfördernd. Weltweit variiert die tatsächliche Einhaltung von Regularien doch noch sehr stark. Vielleicht sollte Deutschland auch nicht immer an vorderster Front stehen, bis denn mal gleiche Regeln für alle gelten.
„Made in Germany“ – vom Warnzeichen zum Gütesiegel

Als Geburtsstunde von „Made in Germany“ gilt der 23. August 1887. An diesem Tag wurde das britische Handelsmarkengesetz beschlossen. Produkte aus Deutschland, die gemeinhin als minderwertig galten, mussten fortan den Schriftzug „Made in Germany“ tragen. Der Plan, deutsche Produkte per Herkunftshinweis aus dem Markt zu drängen, war ein kompletter Misserfolg. Denn Ende des 19. Jahrhunderts holten die deutschen Produzenten bei der Qualität ihrer Produkte dramatisch auf. Viele Käufer erkannten nun an „Made in Germany“, dass viele Dinge, die sie kauften, aus Deutschland stammten und keineswegs minderwertig waren: Messer und Scheren ebenso wie Kleider, Spielzeug, Möbel, Werkzeuge, Bleistifte und vieles andere mehr. Auch heute ist „Made in Germany“ ein Schriftzug, auf den viele deutsche Unternehmen großen Wert legen. Ein Ersatz durch das Label „Made in the EU“ scheiterte 2004 vor allem am Protest Deutschlands. Ein echtes Qualitätssiegel ist „Made in Germany“ aber nicht. Der Hersteller entscheidet, ob er eine Herkunftsbezeichnung auf seine Produkte schreibt.
Matthias Voigt
Bereich: Kommunikation und Marketing
Themen: IHK-Magazin, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit