Pro - Contra

Lieferkettengesetz: Gut für Unternehmen?

Das EU-Lieferkettengesetz verlangt, dass größere Unternehmen Menschenrechte und Umweltstandards entlang der gesamten Wertschöpfungskette beachten müssen. Doch ist das Gesetz auch ein taugliches Instrument für die konkrete Umsetzung?

Pro

Dr. Sandra Wolf, Geschäftsführerin von Riese & Müller
Dr. Sandra Wolf
Dr. Sandra Wolf, Geschäftsführerin von Riese & Müller © Riese & Müller
E-Bikes von Riese & Müller bestehen aus Hunderten von Komponenten. Diese beziehen wir von Lieferanten aus der ganzen Welt. Als Unternehmen sehen wir unsere große Verantwortung in der globalen Lieferkette und auch die Möglichkeiten, die wir haben, die Dinge zu verbessern. Deshalb wollen wir den Weg der Teile nachvollziehbar machen und für gute und faire Bedingungen bei Zulieferern und Vorlieferanten sorgen. Wir sprechen uns also ganz klar für ein Lieferkettengesetz aus und dafür engagieren wir uns im Unternehmen und in der Branche.
Seit 2020 arbeiten wir kontinuierlich an einer transparenten Lieferkette. Wir haben uns schon früh mit der Initiative Lieferkettengesetz des Business & Human Rights Resource Centre für ein umfassendes Lieferkettengesetz starkgemacht und bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes danach gehandelt. Dazu gehören eine Risikoanalyse unserer mehr als 80 Tier-1-Lieferanten, die Einrichtung eines webbasierten Hinweisgebersystems, Visual Audits und unser Code of Conduct: Darin legen wir für unsere Lieferanten und Geschäftspartner unsere Prinzipien im Umgang mit den Themen Mensch, Umwelt, Geschäftsbeziehungen, Marktverhalten, Daten, Geschäftsgeheimnisse und Unternehmensvermögen fest. Wir haben gezeigt, dass sich verantwortungsvolles Handeln und unternehmerischer Erfolg nicht ausschließen und dass man vor Verantwortung und Transparenz auch keine Angst haben sollte. Das Gegenteil ist der Fall. Es lohnt sich und je mehr Unternehmen, vor allem auch mittelständische Unternehmen, hier Initiative ergreifen, desto vorteilhafter wird das auch für den Wirtschaftsstandort Deutschland sein. Wir haben die Chance, Wirtschaft neu zu denken und hier global Zeichen zu setzen für die dringlichsten Probleme unserer Zeit. Ein für alle verbindlicher europäischer Rechtsrahmen schafft hierfür gleiche Wettbewerbschancen.

Contra

Christian Jöst, Geschäftsführer von Jöst Abrasives
Jöst, Christian
Christian Jöst, Geschäftsführer von Jöst Abrasives © Klaus Mai
In manchen Wochen bekomme ich fünf Fragebögen von Unternehmen zugeschickt, die von mir Auskünfte erhalten möchten, damit sie die Anforderungen des Lieferkettengesetzes erfüllen können. Da ich selbst haftbar bin, muss ich mich als Inhaber und teuerster Angestellter damit auseinandersetzen. An diesem Beispiel wird schnell klar: Das Gesetz ist ein Zeitfresser und Kostentreiber. Jöst Abrasives beschäftigt 72 Mitarbeiter, wir beliefern vor allem Großkunden. Eigentlich sind wir gar nicht berichtspflichtig, aber als Teil der Wertschöpfungskette eben doch betroffen. Damit geht es uns so wie unzähligen KMU auch. Ich finde es unsinnig, dass ich mich mit der Frage konfrontiert sehe, ob in meinem Unternehmen auch wirklich der Mindestlohn bezahlt wird – und ob es zu Kinderarbeit kommt. Als Familienunternehmen, das in Deutschland produziert, halte ich mich selbstverständlich an die Gesetze. Womit sich die Fragen eigentlich erübrigen. In meinen Augen wurde das Lieferkettengesetz mit der richtigen Absicht aufgesetzt – doch die Umsetzung geht vollkommen an der Realität vorbei. 90 Prozent der Vorprodukte beziehen wir aus Deutschland, den Rest aus Europa. Eigentlich wäre es Aufgabe der Zollbehörden, Waren bei der Einfuhr auf gewisse Standards hin abzuklopfen. So aber hat der Staat hoheitliche Aufgaben auf die Unternehmen abgewälzt. Im weltweiten Wettbewerb erleiden Unternehmen innerhalb der EU dadurch einen Nachteil. Und ob die Angaben bei Waren, die etwa aus China eingeführt werden, auch wirklich stimmen und die Standards in der Realität steigen – das mag ich doch sehr bezweifeln.
Positionspapier der IHK
Die IHK-Vollversammlung hat Position zum Lieferkettengesetz bezogen: Positionspapier der IHK Darmstadt
Matthias Voigt
Bereich: Kommunikation und Marketing
Themen: IHK-Magazin, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit