Bilanz für das Jahr 2022

Talfahrt bei Ausbildung ist vorbei

Es zeichnet sich nach der Corona-Flaute eine Trendwende bei der Zahl der Ausbildungsverhältnisse ab. Selten waren die Chancen für junge Menschen auf einen zukunftsträchtigen Ausbildungsplatz so hoch. Doch entscheiden sich immer weniger Abiturienten für eine Duale Ausbildung. Sie verkennen die Möglichkeiten dieses Karriereweges.

Pressemeldung vom 24. Januar 2023

„Wir sehen in unserem Kammerbezirk wieder einen deutlichen Aufwärtstrend bei der Zahl der Ausbildungsverhältnisse“, sagt Hans-Heinrich Benda, Geschäftsbereichsleiter Aus- und Weiterbildung der IHK Darmstadt Rhein Main Neckar. Gegenüber dem Vorjahr ist die Zahl der Ausbildungsverhältnisse um 4,7 Prozent auf 2.667 im gesamten IHK-Bezirk gestiegen. Allerdings konnte das Vor-Corona-Niveau nicht erreicht werden. Im Vergleich zu 2019 sind die Ausbildungszahlen mit einem Minus von 5,9 Prozent weiter rückläufig. Mit Ausnahme des Kreises Groß-Gerau, hier konnte das Vor-Corona-Niveau sogar leicht übertroffen werden. Die Ursachen für den Rückgang der Ausbildungszahlen sieht Benda unter anderem in der Berufsorientierung, die unter Corona oft auf der Strecke geblieben sei. „Wenn die Schulen wieder daran anknüpfen, was sie vor Corona hinsichtlich Berufsorientierung gemacht haben, wird die Trendwende bei der Ausbildung gelingen“, ist sich der Geschäftsbereichsleiter für Aus- und Weiterbildung sicher. „Denn die Bereitschaft der Unternehmen, auszubilden und die Fachkräfte von morgen zu gewinnen, ist unglaublich hoch. So zeigt auch eine aktuelle Umfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) den großen Fachkräftebedarf: Über alle Branchen hinweg sehen sich 53 Prozent der bundesweit befragten Betriebe von Personalengpässen betroffen, in der Industrie und in der Bauwirtschaft sind es jeweils 58 Prozent. „Vor allem fehlt es an Fachkräften mit Dualer Ausbildung“, sagt Hans-Heinrich-Benda.

Deutlich weniger Abiturienten entscheiden sich für eine Ausbildung

Es gibt einen weiteren Grund für den Fachkräftemangel in der Dualen Ausbildung: „Den Ausbildungsberufen sind in den vergangenen Jahren zunehmend die Abiturienten weggebrochen“, sagt Torsten Heinzmann, Teamleiter Ausbildung bei der IHK Darmstadt. Vor zehn Jahren hatten mit einem Anteil von 27,5 Prozent (Stichtag 31. Dezember 2012) noch fast ein Drittel der Auszubildenden Abitur. Heute sind es (Stichtag 31. Dezember 2022) nur noch 16,1 Prozent. „Da gleichzeitig der Anteil der Schüler, die das Gymnasium besuchen, größer geworden ist, reduziert sich insgesamt die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber auf einen dualen Ausbildungsplatz. Die große Mehrheit der Abiturienten entscheidet sich für ein Studium“, bedauert Ausbildungsberater Heinzmann. „Vielen ist gar nicht bewusst, welche Karrierewege eine Ausbildung bietet und welche Wahlmöglichkeiten es bei über 200 Ausbildungsberufen in der Industrie- und Handelskammer gibt.“
„Wir als Industrie- und Handelskammern rücken das Thema Ausbildung daher in den kommenden Monaten in einer großangelegten bundesweiten Kampagne in den Fokus. Damit wollen wir auch deutlich machen, dass eine Ausbildung ein optimaler Karrierestart mit besten Zukunftsaussichten sein kann“, sagt der Geschäftsbereichsleiter für Ausbildung Benda.
„Wir brauchen auch die Leistungsstarken“, sagt Tatjana Steinbrenner, Vizepräsidentin der IHK Darmstadt und verweist beispielsweise auf das Abiturientenprogramm im Einzelhandel: „Man kann drei Abschlüsse innerhalb von drei Jahren machen. Damit ist das Signal gesetzt: Karriere und Ausbildung schließen sich nicht aus. Sondern ganz im Gegenteil, mit einer Ausbildung eröffnen sich über alle Branchen hinweg zahlreiche Karrierewege“, so Steinbrenner.

Magnet bleibt der Einzelhandel / Fachinformatiker/in rückt vor

Trotz der Vielfalt an Ausbildungsberufen ist die Top 10 der beliebtesten und verbreitetsten Ausbildungsberufe in den vergangenen zehn Jahren nahezu unverändert. Die Rangliste führt nach wie vor der/die Kaufmann/-frau im Einzelhandel an (271), gefolgt von den Ausbildungsberufen Verkäufer/in (244) sowie Kaufmann/-frau für Büromanagement (211). Tauchte der Ausbildungsberuf „Fachinformatiker/in“ vor zehn Jahren noch nicht mal unter den Top 10 auf, liegt er nun auf Rang 4 (155 Ausbildungsverhältnisse) und damit einen Platz besser als im Vorjahr.
Veränderungen gab es bei der Zusammensetzung der Nationalitäten in den vergangenen zehn Jahren. Von den Auszubildenden mit ausländischem Pass stellen türkische Staatsbürger wie in den Vorjahren die größte Gruppe (130). Lagen vor zehn Jahren aber noch Italiener, Griechen und Portugiesen auf den Plätzen 2 bis 4, sind es heute Syrer (76), Italiener (72) und Afghanen (58). Auszubildende mit ukrainischer Staatsangehörigkeit finden sich auf den vorderen zehn Plätzen nicht wieder (2021 noch auf Platz 10). „Es ist wichtig, dass wir junge Menschen, die aus dem Ausland zu uns kommen, bei uns integrieren. Das gelingt am besten über eine Ausbildung und einen festen Arbeitsplatz“, betont Hans-Heinrich Benda die Bedeutung einer beruflichen Ausbildung.
Torsten Heinzmann
Teamleiter
Bereich: Aus- und Weiterbildung
Themen: Team Ausbildung, Ausbildungsberatung für kaufmännische Berufe