Wirtschaft2024 | Südhessen denkt voran

Starke Wirtschaft, aber wenige Investitionen

Eine hohe Wirtschafts- und Innovationskraft verleihen Südhessen gute bis sehr gute Zukunftschancen. Niedrige Investitionen der Industrie und der Fachkräftemangel stellen jedoch Herausforderungen dar. Es bestehen teilweise große Unterschiede zwischen Darmstadt und den einzelnen südhessischen Landkreisen. Das hat eine aktuelle Prognos-Studie ergeben, die im Auftrag der IHK Darmstadt durchgeführt wurde. Die Analyse ist ein Baustein der IHK-Zukunftsinitiative „Wirtschaft2040 | Südhessen denkt voran“.

Pressemeldung vom 19. Januar 2024

Porträt Robert Lippmann
Robert Lippmann, Hauptgeschäftsführer der IHK Darmstadt Rhein Main Neckar © IHK Darmstadt / Klaus Mai
Wie kann Südhessen auch in Zukunft attraktiv für Unternehmen bleiben und Herausforderungen wie Digitalisierung, Fachkräftegewinnung und Dekarbonisierung meistern? Mit diesen Fragen beschäftigt sich seit Mitte 2023 die IHK-Zukunftsinitiative „Wirtschaft2040 | Südhessen denkt voran“. Mit einer Sonderauswertung des „Prognos-Zukunftsatlas“ liegt nun eine erste Positionsbestimmung vor.
„Die Studie belegt die Stärke unserer Region, aber sie rüttelt auch wach. Denn die identifizierten Schwächen drohen die Wirtschaftskraft und den Wohlstand Südhessens zu gefährden“, sagt Robert Lippmann, Hauptgeschäftsführer der IHK Darmstadt. „Mit unserer Initiative ‚Wirtschaft 2040 | Südhessen denkt voran‘ setzen wir genau hier an: Gemeinsam mit den heimischen Unternehmen, Politik und Verwaltung identifizieren wir Handlungsbedarfe und entwickeln Lösungsansätze.“

Südhessen

Positiv zu Buche schlägt in der Studie Südhessens Wirtschaftskraft. Mit knapp 113.000 Euro je sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist das Bruttoinlandsprodukt in der Region deutlich höher als der Bundesschnitt von gut 101.000 Euro. Viele Gründungen, eine hohe Innovationskraft und überdurchschnittlich viele Patente zählen zu den Stärken der Region. Südhessen verfügt über einen hohen Anteil an Akademiker*innen, die Arbeitslosenquote (4,2%) und Schulabbrecherquote (4,7%) sind niedrig. Dennoch ist der Fachkräftemangel spürbar und wird sich auch verschärfen. Bereits heute ist jede zehnte Ausbildungsstelle unbesetzt.
Bei den Studienergebnissen gibt es teilweise große Unterschiede zwischen Darmstadt und den einzelnen Landkreisen im IHK-Bezirk. Einzelne südhessische Regionen liegen in bestimmten Bereichen im Bundesvergleich sogar auf den hinteren Rängen des Rankings. Hinzu kommt: Das Investitionsgeschehen der Industrie ist in Südhessen im Vergleich zum Bundesschnitt eher schwach.

Darmstadt

Laut der Studie hat Darmstadt „beste Zukunftschancen“ und nimmt damit unter 400 Regionen bundesweit den siebten Rang ein. Das Ergebnis deckt sich mit renommierten Städterankings, in denen Darmstadt regelmäßig im oberen Bereich abschneidet. Als überregionaler Ausbildungs- und Hochschulstandort ist die Wissenschaftsstadt ein Magnet für junge Erwachsene, sodass sie unter den Top 10 der deutschen Standorte mit dem höchsten Anteil junger Erwachsener landet. Die Arbeitsplatzdichte ist eine der höchsten bundesweit. Auch das Qualifikationsniveau der Beschäftigten ist außerordentlich hoch: 35 Prozent sind Akademiker*innen, das sind beinahe doppelt so viele wie im Bundesschnitt (18,1%). Darmstadt zählt zu den Patenthochburgen Deutschlands: 410 Patente je 100.000 Erwerbsfähige wurden von 2017 bis 2019 angemeldet.
Herausforderungen bestehen bei der Finanzierung von kommunalen Leistungen: Die kommunale Schuldenlast ist mit 2.602 Euro je Einwohner deutlich höher als im Bundesschnitt (1.534 Euro). „Es stellt sich die Frage, welche freiwilligen Leistungen kann die Wissenschaftsstadt Darmstadt in Zukunft noch erbringen, die sie attraktiv für den Zuzug von Fachkräften machen“, gibt Hauptgeschäftsführer Lippmann zu bedenken. Außerdem: Überdurchschnittlich viele Einwohner leben in Bedarfsgemeinschaften, also in Haushalten, in denen mindestens eine Person Bürgergeld bezieht.

Darmstadt-Dieburg

Der Landkreis Darmstadt-Dieburg kann sich über die höchste Kaufkraft in Südhessen freuen: Der Index für die Kaufkraft beträgt 108 für Darmstadt-Dieburg und liegt damit acht Punkte über dem Indexwert von 100 für Deutschland. Neben einem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts verzeichnet der Landkreis zudem hohe Beschäftigungszuwächse. Die Arbeitslosenquote ist deutlich zurückgegangen und liegt mit 3,9 Prozent unter dem südhessischen Schnitt (4,2%). Die Arbeitsplatzdichte ist jedoch niedrig, sodass die Region abhängig von den Arbeitsmarktbedingungen in den Nachbarregionen ist. Die Bevölkerungszahl ist anders als in den anderen südhessischen Kreisen leicht rückläufig, da die Wanderungsgewinne nicht ausreichen, um die demografische Entwicklung zu kompensieren.

Bergstraße

Der Landkreis Bergstraße verfügt über eine hohe Wirtschaftskraft mit starkem Innovationsvermögen: Von 2017 bis 2019 wurden 155 Patente je 100.000 Erwerbsfähigen angemeldet – nach Darmstadt ist dies die zweithöchste Anzahl in Südhessen. Die Industrie tätigt allerdings wie in den meisten südhessischen Kreisen relativ wenige Investitionen: Die Investitionsquote, also das Verhältnis von Investitionen der Industrie zur Bruttowertschöpfung, beträgt 4,9 Prozent. Bundesweit liegt die Investitionsquote mit 8,8 Prozent deutlich höher.
Bei Bildung und Beschäftigung steht der Landkreis Bergstraße sehr gut da: Die Arbeitslosenquote ist mit 3,5 Prozent die niedrigste Südhessens, und die Schulabbrecherquote zählt mit 3,6 Prozent zu den geringsten bundesweit. Die Geburtenrate liegt mit 1,66 über dem südhessischen Durchschnitt (1,57) und die Bevölkerungszahl steigt. Trotz der positiven demografischen Entwicklung leben jedoch vergleichsweise wenige junge Erwachsene in der Region. Die Herausforderung besteht daher darin, Nachwuchskräfte in der Region zu halten und von außen zu gewinnen. Die Arbeitsplatzdichte ist zudem vergleichsweise niedrig.

Groß-Gerau

Der Landkreis Groß-Gerau profitiert vom hohen Qualifikationsniveau der Beschäftigten und nimmt hierbei bundesweit einen der Spitzenplätze ein. Deutschlandweit arbeiten hier in Relation zu allen Beschäftigten die viertmeisten Personen in Forschung und Entwicklung. Im Verhältnis zur Zahl der Erwerbsfähigen werden im Landkreis Groß-Gerau außerdem die meisten Unternehmen in Südhessen gegründet. Eine Herausforderung stellt jedoch die Sicherung von Fachkräftenachwuchs dar: Mit 13,4 Prozent hat der Landkreis Groß-Gerau die meisten unbesetzten Ausbildungsstellen in Südhessen. Dies stellt ein Risiko für unternehmerisches Wachstum dar.
Die Wirtschaftskraft ist sehr hoch: Mit rund 117.000 Euro je sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist das Bruttoinlandsprodukt nach Darmstadt das zweithöchste unter den südhessischen Landkreisen und auf Platz 25 bundesweit. Die Industrie tätigt jedoch vergleichsweise wenige Investitionen. Wie in Darmstadt ist zudem die kommunale Schuldenlast hoch, mit 2.368 Euro je Einwohner.

Odenwaldkreis

Der Odenwaldkreis kann sich über die höchste Geburtenrate Südhessens freuen. Dennoch liegt der Anteil der 18- bis 30-Jährigen an der Bevölkerung mit 12 Prozent unter dem südhessischen Durchschnitt von 13,8 Prozent. Die Sicherung von Fachkräften stellt daher eine zentrale Herausforderung dar: Fast jede neunte Ausbildungsstelle ist unbesetzt. Zudem ist die Schulabbrecherquote die höchste in Südhessen. Vom Fachkräftemangel profitieren wiederum Arbeitnehmer: Die Arbeitslosenquote ist stark gesunken und liegt nun mit 3,9 Prozent leicht unter dem südhessischen Schnitt.
Die Odenwälder Industrie ist investitionsfreudig: Die Investitionsquote, also das Verhältnis von Investitionen der Industrie zur Bruttowertschöpfung, beträgt 9,4 Prozent. Damit liegt der Odenwaldkreis als einziger südhessischer Landkreis über dem Bundesdurchschnitt. Gleichzeitig ist die Wirtschaftskraft jedoch deutlich geringer als in den anderen südhessischen Kreisen. Es werden zudem sehr wenige Unternehmen gegründet – hier liegt der Odenwaldkreis bundesweit auf den hinteren Rängen, ebenso wie bei der Erreichbarkeit. „Die Defizite bei der Erreichbarkeit sind ein Standortrisiko – sowohl bei der Fachkräftegewinnung als auch der Neuansiedlung von Unternehmen“, so Lippmann. „Nicht ohne Grund setzt sich die IHK Darmstadt seit Jahren für einen Ausbau der Verkehrsinfrastruktur im Odenwald ein.“Südhessen

Südhessen weiterentwickeln

„Südhessen steht vor der Aufgabe, den Standort als Gesamtregion weiterzuentwickeln und dabei die Stärken auszubauen, Synergien zu schöpfen und an den Schwächen zu arbeiten“, fasst IHK-Hautgeschäftsführer Robert Lippmann zusammen. „Wie kann das Investitionsklima verbessert werden? Wie bleiben wir auch in Zukunft attraktiv für die junge Generation? Diese dringenden Fragen müssen beantwortet werden. Mit unserer IHK-Initiative ‚Wirtschaft 2040‘ wollen wir dafür Impulse geben.“
Weitere Informationen zu der IHK-Initiative sowie die komplette Prognos-Studie finden Sie unter: www.wirtschaft2040.de

Prognos „Zukunftsatlas“

Mit dem „Zukunftsatlas“ bewertet das Wirtschaftsforschungsunternehmen Prognos die Zukunftschancen und -risiken aller 401 Kreise und kreisfreien Städte Deutschlands. Der Zukunftsatlas erscheint seit 2004 alle drei Jahre. Für die Berechnung wurden von Prognos insgesamt 29 makro- und sozioökonomische Indikatoren genutzt, die die Zukunftsaussichten von Regionen maßgeblich beeinflussen.
https://www.prognos.com/de/zukunftsatlas
Annabel Aulehla
Bereich: Kommunikation und Marketing
Themen: Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Social Media