Mehr WIR im Quartier

Gemeinsam zu attraktiveren Standortbedingungen und mehr Nachhaltigkeit

Mit Blick auf ihre Firmenstandorte haben Unternehmen häufig ähnliche Anforderungen. Gute Erreichbarkeit, ein attraktives Umfeld, die passende Infrastruktur – nicht überall ist das gegeben. Wo Potenziale in der Zusammenarbeit untereinander und mit den Kommunen liegen, will das PERFORM-Projekt „Zukunftsfähige Gewerbegebiete: Synergie im Quartier“ aufzeigen. Die Ergebnisse wurden nun bei der Abschlussveranstaltung in der IHK Darmstadt präsentiert.

PERFORM: Pressemeldung vom 5. Juli 2024

Ein Ballungsraum wie FrankfurtRheinMain ist oft hoch verdichtet und in der Folge vielfach stark versiegelt. Das gilt vor allem für Industrie- und Gewerbegebiete. Es entstehen sogenannte Wärmeinseln, wodurch urbane Zentren teils zwei bis dreimal so viele Hitzetage im Jahr verzeichnen wie ihr Umland. Der Klimawandel hat diesen Effekt verstärkt – eine Belastung für die Menschen, die hier leben und arbeiten. Regen kann auf der anderen Seite bei einem hohen Versieglungsgrad nicht versickern, der Boden speichert kaum Wasser, der Grundwasserspiegel sinkt. Bei Starkregenereignissen kann die Kanalisation die Wassermengen nicht auffangen, Keller und Gebäude laufen voll.
Unternehmen und Kommunen sollten sich mit dem Thema auseinandersetzen – aus eigenem Interesse und aufgrund steigender gesetzlicher Vorgaben. Setzen sie Maßnahmen gemeinschaftlich um, profitieren alle Beteiligten.

Dr. Daniel Theobald

Investitionen in Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen sind nicht günstig. Doch die vermiedenen Schäden übersteigen die Investitionen deutlich. Wer ein Quartier im Sinne der Nachhaltigkeit aufwertet, steigert damit zugleich die Aufenthaltsqualität. Und kann auch noch Kosten reduzieren, etwa indem Energieeinsparpotenziale gehoben werden. „Unternehmen und Kommunen sollten sich mit dem Thema auseinandersetzen – aus eigenem Interesse und aufgrund steigender gesetzlicher Vorgaben. Setzen sie Maßnahmen gemeinschaftlich um, profitieren alle Beteiligten“, sagte Dr. Daniel Theobald, Leiter des Geschäftsbereichs Unternehmen und Standort der Industrie- und Handelskammer (IHK) Darmstadt, als am 4. Juli in der IHK die Abschlussergebnisse des PERFORM-Projekt „Zukunftsfähige Gewerbegebiete: Synergie im Quartier“ vorgestellt wurden.

Bestandsaufnahmen, Mängelanalyse und Vorschläge für Lösungsansätze

Unter Federführung der IHK Darmstadt und mit Unterstützung der Handwerkskammer Frankfurt-Rhein-Main sowie der Gemeinde Alsbach-Hähnlein und der Stadt Rüsselsheim am Main haben Studierende der Hochschule Darmstadt und der Hochschule Rhein-Main zwei Gewerbegebiete für die Wirtschaftsinitiative PERFORM dahingehend untersucht, in welchen Bereichen sich eine stärkere Kooperation zwischen den dort ansässigen Unternehmen untereinander sowie mit den Kommunen anbietet, um die Standortbedingungen zu verbessern und zu mehr Nachhaltigkeit beizutragen. Denn, so die Studierenden bei der Abschlusspräsentation: Ein großer Teil der Grundstücke in den untersuchten Gebieten gehört nicht den Kommunen, sondern den Betrieben. Quartiere zukunftsfähig zu gestalten, sei somit eine Gemeinschaftsaufgabe.
In ihrer Bestandsanalyse der Gewerbegebiete „Hasengrund“ in Rüsselsheim am Main und „Sandwiese“ in Alsbach-Hähnlein orientierten sich die Studenten am DGNB-System für nachhaltige Quartiere: Sie bewerteten etwa Flächeninanspruchnahme und -effizienz, Stadtklima, Wasserkreislauf, Biodiversität, Verkehrsinfrastruktur und Mobilitätsangebote, Energieinfrastruktur, soziale Infrastruktur und mehr. In einem Workshop wurden erste Analysen und Lösungsansätze mit Vertretern der Kommunen und den dort ansässigen Unternehmen diskutiert und anschließend weiterentwickelt.

Der „grüne Fluss“, die mobile Kantine, Quartiersmanagement und weitere Ideen

Die Ergebnisse können sich sehen lassen. So sind beide Gebiete verkehrstechnisch sehr gut angebunden, jedoch stark versiegelt, weisen hohe Hitzebildung auf und Oberflächenwasser kann kaum versickern. Speziell in Rüsselsheim hat dies in der Vergangenheit bei Starkregen zu Überschwemmungen geführt, und Grundwasser wird kaum neu gebildet. In Alsbach-Hähnlein ist das Gewerbegebiet durch Bahnschienen zweigeteilt. Da es nur eine Überquerungsmöglichkeit gibt, können die ohnehin wenigen Angebote für die Mittagspause von Mitarbeitenden nicht gut erreicht werden. Ein großer Teil der Gebäude stammt zudem aus den 70-ger Jahren. Viele entsprechen nicht den aktuellen energetischen Standards. Fotovoltaikanlagen sind eher im neueren Teil der „Sandwiese“ zu finden. Die Energieeffizienz ist auch im „Hasengrund“ in Rüsselsheim insgesamt verbesserungswürdig und die Energieversorgung aus nachhaltigen Quellen stark ausbaufähig.
Die Ideen der Studierenden, die Standortbedingungen der untersuchten Gebiete insgesamt attraktiver und nachhaltiger zu gestalten, reichen beispielsweise von Mobilitätsumfragen über die Aufwertung erlebbarer Freiflächen, Begrünungsmaßnahmen des öffentlichen Raums und der Firmengelände bis hin zu Tempo-30-Zonen und der Änderung der Verkehrsführung von Pkw-, Bus- und Radrouten. Simple Maßnahmen, großer Verbesserungseffekt. Mobile Gastronomieangebote als „Kantine auf Rädern“ böten sogar neue Geschäftschancen. Besonders hervorzuheben: der „grüne Fluss“ für Rüsselsheim. Diese Grünverbindung würde sich über mehrere Straßen ziehen und für ein deutlich angenehmeres Stadtklima, einen verbesserten Wasserkreislauf mit Versickerungs- und Speichermöglichkeiten und mehr Verkehrssicherheit sorgen. Durch die Verkleinerung der Straßenbreite oder die Umwandlung in Einbahnstraßen könnte Raum für Grün- und Schutzstreifen, Fahrradwege sowie Parkmöglichkeiten geschaffen werden. Für Alsbach-Hähnlein empfehlen die Studierenden, ein Quartiersmanagement für die Entwicklung des Gewerbegebiets einzurichten.
Ein Punkt, der nicht nur für die untersuchten Gewerbegebiete gilt: Lockerungen von Auflagen und weniger Bürokratie würden dazu beitragen, mehr Synergien im Quartier nutzen zu können. So produzieren Unternehmen, die über eigene PV-Anlagen verfügen, häufig mehr Energie, als sie für ihren Eigenbedarf benötigen. Wollen sie diesen an ihre Nachbarn weitergeben, gelten sie als Stromhändler. „Das bedeutet hohen Aufwand und zusätzliche Kosten, warum sich Unternehmen in aller Regel dagegen entscheiden“, erklärt Dr. Daniel Theobald. „Ich würde mir wünschen, dass Dinge wie die Energieweitergabe im Quartier vereinfacht werden. Das käme den Unternehmen, der Gemeinde und dem Klima zugute.“
Fragen zur Untersuchung und den Ergebnissen beantwortet: Susanne Roncka, Projektleiterin „Zukunftsfähige Gewerbegebiete“, PERFORM Zukunftsregion FrankfurtRheinMain, Tel.: 06151 871-1223, E-Mail: susanne.roncka@darmstadt.ihk.de

Stimmen der beteiligten Kommunen und Hochschulen:

Alsbach-Hähnlein und Rüsselsheim am Main wollen Impulse aufnehmen

„In einer Zeit, in der über die Wettbewerbsfähigkeit von Deutschland diskutiert wird, sind Kommunen gefordert, ihren Teil zu einer starken Unternehmenskultur vor Ort beizutragen. Dabei hilft es, individuellen Bedürfnissen von Geschäftsführern und Arbeitnehmern Raum zu geben. Wichtig ist aber auch, ein firmenübergreifendes Kompetenz-Netzwerk zu bilden, in dem alle Beteiligten von geteilter Expertise profitieren. Ein hervorragendes Beispiel ist die Kooperation der IHK Darmstadt, der Handwerkskammer Frankfurt-Rhein-Main sowie der Hochschulen Darmstadt und RheinMain in der Wirtschaftsinitiative PERFORM. Dass wir in diesem Kontext als Partner gute Impulse erhalten, freut mich“, sagte Sebastian Bubenzer, Bürgermeister der Gemeinde Alsbach-Hähnlein.
„Wir sind sehr beeindruckt von den nachhaltigen Impulsen sowie der professionellen Bestandsaufnahme der Studierenden zum Gewerbegebiet Hasengrund. Wir werden einige der Aspekte in unseren Netzwerktreffen mit Unternehmen aus dem Gebiet aufnehmen, um gemeinsam an einer möglichen Umsetzung zu arbeiten – mit dem Ziel, das Quartier aufzuwerten“, lobte Patrick Burghardt, Oberbürgermeister der Stadt Rüsselsheim den Abschluss des Projekts. „Die Beratungsangebote der IHK Darmstadt stellen ergänzend dazu ein hilfreiches Angebot für die Unternehmen dar. Für uns als Stadt ist es ein absoluter Mehrwert, dass unsere Bewerbung für das Projekt der Initiative PERFORM Zukunftsregion FrankfurtRheinMain erfolgreich war und wir dies gemeinsam mit den Studierenden, den Hochschulen Darmstadt und RheinMain, der IHK, der Handwerkskammer Frankfurt-Rhein-Main und unseren Gewerbetreibenden umsetzen durften.“

Hochschulen schätzen wertvolle Praxiserfahrungen für die Fachkräfte von morgen

Nicht nur die beteiligten Kommunen und die dort ansässige Unternehmen bringt das Projekt Zukunftsfähige Gewerbegebiete weiter. „Projekte wie dieses sind für unsere Studierende eine enorme Chance“, meint Birte Frommer, Professorin für Raum- und Umweltmanagement im Fachbereich Bau- und Umweltingenieurwesen der Hochschule Darmstadt: „Durch die enge Zusammenarbeit mit Kommunen und Unternehmen sammeln sie wertvolle Praxiserfahrungen und entwickeln nachhaltige Lösungen, die einen Mehrwert für Wirtschaft und Umwelt bieten. Diese Verbindung von theoretischem Wissen und Praxis zeichnet unsere Hochschule aus und macht unsere Studierenden zu gefragten Fachkräften für die Zukunft.“
Martin Zeumer, Professor für Gebäudetechnologie und digitale Planung im Fachbereich Architektur und Bauingenieurwesen der Hochschule RheinMain, ergänzt: „Nachhaltige Gewerbegebiete sind eine große Zukunftsaufgabe. Dass unsere Studierende dazu schon in der Ausbildung Impulse setzen dürfen, ist etwas Besonderes.“ Synergien im Quartier zu finden und zu nutzen, bedeute Arbeit. Spannenderweise könnten kleine Unterschiede in Darstellung und Ausformulierung zu großen Unterschieden im Ergebnis führen, so der Bauingenieur. „Die gleiche Maßnahme kann für lokale Akteure aus völlig unterschiedlichen Gründen sinnvoll sein. So kann selbst bei unterschiedlichen Interessen am Thema Nachhaltigkeit ein gemeinsames Projekt entstehen.“
Über PERFORM Zukunftsregion FrankfurtRheinMain

FrankfurtRheinMain gehört zu einer der wirtschaftsstärksten Metropolregionen Deutschlands und Europas. Damit das so bleibt, haben die Wirtschaftskammern der Metropolregion 2016 die Zukunftsinitiative PERFORM gegründet. Sie fördert die interkommunale und länderübergreifende Zusammenarbeit sowie die Vernetzung von Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft, liefert Impulse und setzt eigene Projekte zur wirtschaftlichen Entwicklung der Metropolregion um.

Mitglieder von PERFORM sind die Industrie- und Handelskammern IHK Aschaffenburg, IHK Darmstadt, IHK Frankfurt am Main, IHK Gießen-Friedberg, IHK Limburg, IHK für Reinhessen und IHK Wiesbaden sowie die Handwerkskammer Frankfurt-Rhein-Main. Vorsitzender des Strategiekreises – das höchste Entscheidungsgremium von PERFORM – ist Ulrich Caspar, Präsident der IHK Frankfurt am Main. Stellvertretende Vorsitzende des Strategiekreises von PERFORM sind Matthias Martiné, Präsident der IHK Darmstadt, Susanne Haus, Präsidentin der Handwerkskammer Frankfurt-Rhein-Main, und Dr. Heike Wenzel, Präsidentin der IHK Aschaffenburg.

Die Geschäftsstelle der PERFORM GbR hat ihren Sitz in Darmstadt.

www.perform-frankfurtrheinmain.de
Veronika Heibing
Geschäftsführerin
Bereich: Geschäftsstelle PERFORM - Zukunftsregion FrankfurtRheinMain
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